Tahiti. Erster Band. | Page 5

Friedrich Gerstäcker
Umgebung beschäftigt, sich nur im
mindesten darum zu bekümmern, was Einer der ihrigen that.
Zwei Stunden später etwa, als der Harpunier Alles weggegeben was er
mitgebracht, und sein Boot fast gefüllt war mit all den Massen von
Sachen die er dafür eingetauscht, rief sein Befehl die Leute wieder
zusammen, und er stieg selber ins Boot, an Bord zurückzukehren.
»Wo ist René!« frug er, als er einen Blick über die Mannschaft
geworfen.
»René!« tönte der Ruf der Matrosen -- »~oh René~!«
Kein René ließ sich blicken und Niemand wußte was aus ihm
geworden, ja ein paar bezweifelten, daß er überhaupt mit an Bord
gekommen sei, so wenig hatten sie sich, mit dem Land vor sich, um
einander bekümmert. Jedenfalls fehlte aber ein Mann, und der Offizier
wußte auch, daß er bei der Herüberfahrt seine volle gewöhnliche
Besatzung gehabt.
»~Damn it~« rief der Harpunier endlich im Boot, in dem er seinen Sitz
schon wieder eingenommen, in die Höhe springend -- »~he has
bolted~,[A] die Pest über den Hallunken; aber den wollen wir bald
wieder haben. -- Bleibt Ihr hier im Boot bis ich zurückkomme!« rief er
dann seinen Leuten zu, und über die Sitze wegspringend, eilte er wieder
an Land und wandte sich dort an einen der Eingebornen, der eine Art
Oberherrschaft über die Andern auszuüben schien.
»Hallo Freund!« redete er ihn an, »Einer von meinen Leuten ist mir
weggelaufen, könnt Ihr ihn wieder fangen, und was wollt Ihr dafür
haben?«
»Hat er Gewehr mit?« frug der Alte ziemlich vorsichtig, denn er schien

danach den Preis des Einfangens bestimmen zu wollen.
»Nein, kein Schießgewehr, vielleicht nicht einmal ein Messer« lautete
die ermuthigende Antwort.
Die Eingebornen fingen jetzt eifrig an unter einander zu verhandeln,
und zwar in so rascher und oft eigentümlicher Sprache, daß der
Amerikaner selber nicht verstehen konnte was sie mitsammen hatten.
Aus ihren Bewegungen wurde es ihm jedoch bald deutlich, denn zwei
davon gingen nach einem besondern Theil im Busch und untersuchten
hier die Fährten und ihren Gesticulationen nach schien es, als ob der
Flüchtige sich dort hinein gewandt habe. Der alte Indianer zeigte sich
auch bald erbötig ihm den Mann wieder zu verschaffen; seine
Forderung dafür war aber ziemlich bedeutend; er wollte Kattun und
Messer, etwas Tabak und in der That ein wenig von Allem haben, und
als Jener endlich einwilligte ihm das Alles zu geben, hatte er noch ein
Beil und ein Hemd und mehrere andere Kleinigkeiten vergessen.
Der Harpunier wußte übrigens daß sich der Capitain nicht lange hier
aufhalten wollte, und wüthend sein würde über die Flucht des Mannes;
er sagte also dem Alten seine sämmtlichen Forderungen zu,
vorausgesetzt daß sie mit dem Gefangenen am Ufer wären, sobald sie
mit dem Boot und den verlangten Sachen wieder vom Schiff zurück
sein könnten.
Dies abgemacht, stieß das Boot augenblicklich vom Lande, die
eingetauschten Früchte mit der fatalen Nachricht an Bord zu bringen
und den Fanglohn für den Entflohenen herüber zu holen, während die
Eingebornen indessen wie Spürhunde den einmal angenommenen
Fährten des Flüchtigen nachliefen.
Fußnoten:
[A] Er ist ausgerissen.

Capitel 2.

#Die Flucht, und welchen Dollmetscher René fand.#
René war, als er sich nur einmal außer dem Bereich seiner Kameraden
sah, so rasch er konnte gerade einem der nächsten Hügel zugeeilt, und
das selbst schien mit der Last die er trug gerade kein kleines
Unternehmen. Für ein Hemd hatte er sich nämlich vorher ein paar
grüne Cocosnüsse und einige Bananen eingetauscht, damit er nicht
genöthigt wäre, gleich in den ersten vierundzwanzig Stunden wegen
Nahrungsmitteln einen irgendwo gefundenen Versteck zu verlassen,
und diese, neben seinen Bündel Kleidern tragend, mußte er sich durch
das, manchmal entsetzlich dicke Gebüsch, fortwährend mit dem fatalen
Gefühl verfolgt zu werden, Bahn brechen. Er wußte aber was ihm
bevorstand, wurde er von den Leuten des Delaware wieder eingefangen,
und wollte wenigstens Nichts was in seinen eigenen Kräften stand
unversucht lassen, sich so weit als möglich jeder solchen Gefahr zu
entziehen. In dieser Absicht arbeitete er sich auch dem höheren Theil
der Insel zu, weil er dort erstens den Lagunen aus dem Weg ging, die
hier seinen Pfad zu beengen drohten, und dann auch wahrscheinlich in
dichtes Buschwerk hineinkam, was von den Eingebornen selber selten
betreten wurde.
Als er nur erst einmal hügeligen Boden erreichte, wurde seine Flucht
dadurch sehr erleichtert, daß er cultivirtes und eingefenztes, wenn auch
durch Unkraut ziemlich arg überwachsenes Land traf. Dort hatte er sich
wenigstens durch keine verwachsenen Büsche mehr Bahn zu brechen
und konnte sein Terrain ein wenig freier übersehen. Blieb er da in der
Nähe, so wuchs auch Frucht genug, ihn ein Jahr im Proviant zu halten;
überdies war der ganze Wald voll Früchte, denn die Guiaven standen
mit Aepfeln, wenn auch noch nicht vollkommen gereift, förmlich
bedeckt. Nur die Cocospalmen reichten nicht so weit hinauf, doch sah
er hier in den Feldern eine Masse Wassermelonen, die ihn reichlich
dafür
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