Tahiti. Erster Band. | Page 3

Friedrich Gerstäcker
zu setzen und Du würdest rettungslos ausgeliefert. Ich bin schon
früher hier gewesen und habe den Fall zweimal ausgeführt gesehen.
Die Eingebornen sind seelensgut, aber wie die Kinder -- ein Spielzeug
könnte sie zu irgend etwas verführen -- sei es nun zum Guten oder zum
Bösen.«
»Hab' ich erst festen Boden unter den Füßen, so könnten sie mich nur
als Leiche wieder zurückschaffen,« murmelte René mit düsterem Blick
und fester Entschlossenheit zwischen den zusammengebissenen Zähnen
durch.
»Das wäre Thorheit,« sagte aber sein älterer Freund, ein Landsmann
von ihm und jetzt dritter Harpunier auf dem Delaware, der mit René
schon in Algier gefochten und in Canada gejagt, und damals Alles
versucht hatte ihm einen so tollen Entschluß, wenn auch vergebens,
auszureden, als gemeiner Matrose das Leben eines Wallfischfängers zu
versuchen. »Du bist noch jung René und das Leben steht Dir weit und
freudig offen -- hier nun einmal in die Klemme gerathen, bring Dich
deshalb nicht gleich um Alles, blos weil es Dir in den Sinn kommt die
Suppe, die Du Dir selber eingebrockt, nicht ausessen zu wollen. Ein,
höchstens zwei Jahr, und Du bist wieder frei wie der Vogel in der Luft,
und selbst diese Zeit wird Dir dann, so schmerzvoll und entsetzlich sie
Dir jetzt auch scheint, eine freudige, vielleicht liebere Erinnerung sein,

als manche froh und glücklich verlebte Stunde.«
»Ich halt' es nicht aus, Adolph, ich halt' es bei Gott nicht aus« sagte
René kopfschüttelnd -- »hier unter dem rohen Volk noch Jahrelang
bleiben und an Geist und Körper zu Grunde gehen -- ich vermag es
nicht. Du weißt dabei, wie nahe ich zweimal schon daran war mit dem
Capitain selber, der fast schlimmer ist als der Schlimmste seiner Leute,
zusammenzugerathen, und wer schützt mich dann vielleicht sogar vor
seinen rohen Mißhandlungen? Das Resultat bliebe dasselbe, auch das
ertrüge ich nicht, und lieber will ich mein Leben hier wagen, wo mir
noch die Möglichkeit eines Entkommens bleibt, als zuletzt gezwungen
werden dem Capitain vielleicht ein Messer in den Leib zu rennen und
über Bord zu springen. Nein, Adolph, ich bin fest entschlossen« setzte
er leise aber mit ruhiger und überzeugter Stimme hinzu -- »die erste
Gelegenheit, die sich mir bietet an Land zu kommen, und sollt' ich es
schwimmend zu suchen haben, benutz ich, und die Folgen mögen dann
sein wie sie wollen -- ich weiß und fühle, daß mir nichts Schlimmeres
begegnen kann, als was ich jetzt in Seelenqual und innerer Unruhe zu
leiden habe.«
»Hol's der Henker«, sagte Adolph nach kurzem Sinnen -- »wer weiß ob
ichs nicht an Deiner Stelle, und mit Deinem jungen Blut in den Adern
am Ende auch thäte. Aber wie willst Du an Land kommen? es ist noch
ganz ungewiß ob der alte Teufel ein Boot abschickt Erfrischungen
einzunehmen oder nicht, -- er traut uns allen mit einander nicht.«
»Doch« entgegnete ihm René -- »ich habe vorher zufällig gehört, daß
unser Boot mit dem ersten Harpunier morgen mit Tagesanbruch
hinüber soll, etwas Brodfrucht und Cocosnüsse abzuholen. Die
Gelegenheit will ich jedenfalls benutzen, noch dazu da es uns einen
Vorwand giebt, reichliche Kleider mit zu nehmen. -- Die Leute haben
ja sonst nichts, sich Kleinigkeiten von den Eingebornen
einzutauschen.«
»Und sowie Du im Wald drin bist« sagte Adolph immer noch
kopfschüttelnd, »hetzt der alte Seehund von Harpunier Dir die ganze
Einwohnerschaar hinterher -- wie willst Du ihnen entgehen? -- René,
René es ist wahr, das Land liegt wohl verlockend genug vor uns da,

und selbst mir zuckt's in den Knochen, einmal frei darauf
herumzuspatzieren und von diesem -- verdammten Marterkasten
loszukommen, aber -- ich weiß doch nicht -- hast du einmal das Schiff
verlaufen und wirst wieder eingefangen, so kommst Du nachher erst in
eine Hölle, wenn Du vorher in keiner gewesen bist, und wenn ich ganz
aufrichtig sein soll, so glaub' ich nicht daß Du zwei Tage von uns
bleibst, ehe sie Dich wieder haben -- und die zwei Tage über bist Du
dann mehr wie ein gehetzter Wolf als wie ein Mensch.«
»Und es hilft doch Alles Nichts« lächelte René trüb; »ich hab's mir nun
einmal in den Kopf gesetzt, und ich führ es auch aus, mag daraus
entstehen was da will; schlimmer kann's nicht werden als es schon ist.«
»Doch, doch« sagte Adolph »es kann noch viel viel schlimmer werden,
Du hast es noch nicht gesehen, wenn es an Bord eines Schiffes einmal
recht schlimm ist,« setzte er schaudernd hinzu -- »und ich verlang' es
ebenfalls nie, nie wieder zu erleben. Außerdem bist Du der Sprache gar
nicht mächtig -- wie willst Du Dich den Leuten verständlich machen?
René, es geht in der Welt alles nach Eigennutz -- bist Du erst einmal
älter, wirst Du das auch selber erfahren -- und die Eingeborenen hier
wissen recht gut, daß sie von einem entlaufenen Matrosen nicht viel
Gutes und gar keinen Nutzen zu
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