Tahiti. Erster Band. | Page 2

Friedrich Gerstäcker
oder nicht -- er und sie standen,
wie man's am Lande nennen würde -- »auf Hofton« mit einander -- d. h.
er sprach, seit sie das letzte Mal auf den Sandwichsinseln gewesen, wo
es zu einigen Auftritten gekommen war, nur höchst höflich mit ihnen
und nannte sie, wenn er sie zu einer Arbeit im Einzelnen aufforderte,
gewöhnlich Mister, und ~if you please~, mit starker Betonung des
letzten Wortes, aber mit einem Blick dabei, der deutlich genug sagte:
»Wenn Du nicht springst, Canaille, zu thun was ich Dir sage, so laß ich
Dich bei den Beinen aufhängen.«
Er, zum Dank dafür, hieß bei den Leuten, statt wie sonst die Capitaine
gewöhnlich »den Alten« (~the old man~) zu nennen, »~the old devil~«
(der alte Teufel); und wußte das auch recht gut, ja es schien ihm
ordentlich Spaß zu machen daß er so genannt wurde, und er hatte seiner
Mannschaft schon mehrmals versichert, er wolle sich bemühen, seinem
Namen keine Schande zu machen; welches Versprechen er auch bis
jetzt, so weit es in seinen Kräften stand, redlich gehalten.
Die Mannschaft eines Schiffes ist in solchen Fällen übel d'ran --
widersetzt sie sich, so ist es Meuterei, und sie wird darnach bestraft,
mögen die Leute recht gehabt haben oder nicht, und halten sie, auf der
anderen Seite aus bis zum Letzten, und verklagen nachher den Capitain,
so ist Zehn gegen Eins zu wetten, daß dieser dennoch Recht bekommt.
In sehr vielen Fällen hat er's aber auch, und es giebt wohl auf keinen
Fahrzeugen der Welt, Kriegsschiffe vielleicht ausgenommen, toller
zusammen gewürfeltes Volk, als auf diesen Wallfischfängern. Ein
ordentlicher Matrose geht selten oder nie darauf, es ist meist lauter
aufgelesenes Ufervolk, die faul genug sind ihre eigene Arbeit bei Seite
zu werfen, und Romantik genug im Kopfe haben, sich von einem
»Wallfischzug« ein ganz besonderes Vergnügen und außerdem einen
bedeutenden Nutzen zu versprechen. Die guten Leute sehen dann
gewöhnlich immer etwas zu spät ein, daß sie sich in der ersten
Erwartung jedesmal, und nur zu häufig auch in der anderen getäuscht
haben, und sie sind dann eben einmal und nicht wieder Wallfischfänger

gewesen, so daß fast jedes neu ausgehende Schiff, die Offiziere
ausgenommen, auch eine durchaus neue Besatzung hat.
Schuster und Schneider, besonders die letzteren, sieht man sehr häufig
dabei, Tischler und Maurer, Schmiede und Böttcher, Gerber und
Cigarrenmacher -- Alles wird Wallfischfänger und der Capitain eines
solchen Fahrzeugs, der von dem Rheder, sobald er eine volle Besatzung
hat und die Jahreszeit gekommen ist, in See hinaus geschickt wird, hat
dann oft, wie sich nicht leugnen läßt, eine entsetzliche Zeit dies Volk,
von dem er vorher weiß daß es doch nur eine Reise bei ihm aushält -- ja
schon an den nächsten Plätzen wo er anlegt fortläuft, wenn er ihnen nur
Gelegenheit dazu gäbe, so weit einzurichten, daß sie wenigstens erst
einmal verstehen lernen was sie nur überhaupt zu thun haben. Dies sie
nachher wirklich thun zu machen hat dann schon weniger
Schwierigkeiten. Kommen nun ordentliche ruhige Menschen
manchmal zwischen diese hinein -- d. h. die Mannschaft, denn die
Offiziere, vom Bootsteurer aufwärts, bilden ein ganz besonderes,
abgeschlossenes Corps -- so fühlen sich diese gewöhnlich höchst
unglücklich und verwünschen den Augenblick, wo sie sich von der
Romantik der Sache bethören ließen -- aber leider zu spät, und die
viertehalb Jahr, die eine solche Fahrt sehr häufig dauert, werden ihnen
zur Hölle.
Doch zurück an Bord unseres Fahrzeugs. Zum Ausschauen auf der
Back vorn stand ein junger Mann, dessen edle, fast schöne
Gesichtszüge, wie der schlanke schmächtig gebaute Körper wohl
passender für einen Salon als das Vorcastle eines Wallfischfängers
geschienen hätten. Das volle braune Haar quoll ihm in dichten Massen
unter der breiten schottischen, dunkelblauen Mütze vor, und seine
reinliche Kleidung selber unterschied ihn auffällig von der übrigen,
besonders in diesem Punkt höchst nachlässigen Schaar. Es war ein
junger Franzose aus sehr guter Familie, der sich in Boston mehr einer
tollen Laune oder ziellosen Reiselust zu Liebe, als aus irgend einer
andern Ursache hatte verleiten lassen, an Bord des Delaware eine Reise
nach der Südsee mitzumachen, und der jetzt still und brütend nach dem
nahen Lande hinüberschaute, das mit dem dunkeln Schatten seiner
Palmen in träumerischer Ruhe vor ihm lag.

»Nun René, so in Gedanken?« sagte plötzlich, dicht neben ihm, eine
freundliche Stimme und eine Hand berührte leise seine Schulter -- »an
was denkst Du?«
Der Angeredete fuhr erst wie erschreckt aus seinem Nachdenken empor
und schaute sich um, als er aber den Sprechenden erkannte, sagte er
rasch und fast erfreut:
»Es ist mir lieb, Adolph, daß du gerade in diesem Augenblick zu mir
kommst, ich bin eben mit meinem Entschluß ins Reine gekommen --
ich verlasse dies Schiff.«
»Thorheit,« sagte Adolph kopfschüttelnd -- »Du kennst die
Verhältnisse hier nicht, René. Kämst Du wirklich glücklich an Land, so
brauchte der Capitain nur eine unbedeutende Belohnung auf Deinen
Fang
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