Eine: daß sie die Erde entzaubert, indem sie alles allen
gemein macht.
* * * * *
Das abwechselnde Summen zweier oder dreier Wespen erinnert mich
an die Responsorien der katholischen Kirche. Ich sehe die
wohlgenährten Schwarzröcke vor mir, ich sehe den zelebrierenden
Priester auf den Stufen des Altars und den Altar selbst mit seinen
schlanken Kerzen und alten Gemälden.
* * * * *
Ich habe diesen Herbst mit Übeltaten angefangen. Ich habe an zwei
heißen Septembertagen fünf oder sechs Wespen getötet, die in mein
Zimmer gekommen waren und mich beunruhigten. Das war ganz und
gar gegen meine Gewohnheit und nur durch eine Unruhe und
Unbeherrschtheit zu erklären, die unter dem Einfluß des Südwindes
mich vielleicht ebenso wie die Wespen überkommen hatte.
Spätere Bemerkung:
Ich weiß noch, wie mich damals besonders die 'Dummheit' der Tiere
erregt hatte, die oft eine Stunde lang an der Zimmerdecke hin und her
und auf und ab irrten, ohne den scheinbar so einfachen Weg durch die
offene Balkontür wiederzufinden oder wiederfinden zu wollen.
Übertragen wir diese meine Ungeduld und Unduldsamkeit auf Götter
und Menschen, so hätten diese Götter wohl den ganzen Tag nichts
weiter zu tun, als Menschen totzuschlagen.
* * * * *
Mein ganzes Leben lang suche ich den Stachel, den ich hier ins träge
Fleisch drücken könnte -- und finde ihn nicht.
* * * * *
Ich könnte heute noch im Walde wie ein Knabe spielen: Aus Steinen
und Holzstücken Häuser bauen, mit dürren Zweiglein Straßen
abstecken und Haine bilden, einen Felsblock zum Range eines
Alpengipfels erheben und einem Hirschkäfer und seiner Frau die
Herrschaft über das alles verleihen. Und dieses kleine Reich würde
mich glücklicher machen und meine Phantasie umständlicher erregen
und beschäftigen -- als ein noch so großes der Wirklichkeit. So habe ich
einmal, mit 35 Jahren, acht Tage am Strande von Sylt mit Bauen und
Zimmern einer Strandhütte verbracht und war wohl selten so von
Herzen froh, wie bei diesem harmlosen Spiel.
* * * * *
Je älter ich werde, desto mehr wird ein Wort mein Wort vor allen:
Grotesk.
* * * * *
Wenn ich ein Musiker wäre, so würde ich einen gemischten Chor mit
Orchester komponieren: den 'Chor der Genesenden', -- und im Himmel
selber sollte nicht tiefer, inbrünstiger und süßer gesungen werden.
1908
Wenn ich aber tot sein werde, so tut mir die Liebe und kratzt nicht alles
hervor, was ich je gesagt, geschrieben oder getan. Glaubet nicht, daß in
der Breite meines Lebens das liegt, was euch wahrhaft dienlich sein
kann.
Ißt man denn an einem Apfel auch alles mit: die Kerne, das
Kerngehäuse, die Schale, den Stengel? Also lernt auch mich essen und
schlingt mich nicht hinunter mit alledem, was nun zwar zu mir gehört
und gehörte, aber von dem ich selbst so wenig wissen will, wie ihr
davon sollt wissen wollen. Laßt mein allzuvergänglich Teil ruhen und
zerfallen: Dann erst liebt ihr mich wirklich, habt ihr mich wirklich
verstanden.
* * * * *
Ihr seid von hier, ich bin von dort.
* * * * *
Ihr meßt jedem sein Maß Liebe zu: dem dreiviertel, dem zwei Viertel,
dem ein Viertel, dem nichts. Davon verstehe ich nichts. Ich kann nicht
messen und meine Seele ist immer da am eifrigsten, wo ich sehe, daß
Eure sich spart und sperrt.
* * * * *
Ich kann mit fertigen Menschen nichts anfangen. Es gibt fertigere
Menschen denn mich, sicherlich ungezählte. Aber keiner ist fertig, soll
je fertig sein.
* * * * *
Ihr selig Blinden rings um meinen Schritt!
* * * * *
Manchmal meine ich, mich definieren zu sollen als einen wehr- und
hilflos dem Großen preisgegebenen Menschen. Auf mich kann eine
Seite Lagarde z.B. wie eine Säure wirken, die mich für den Augenblick
völlig zersetzt. Oder ein Wort Nietzsches oder Goethes.
* * * * *
An dieser meiner Lieblingsbank führt kein Spazierweg vorüber,
geschweige denn eine Straße, -- nur ein schmaler Wiesenpfad von zwei
Spannen Breite. Da kommt denn auch begreiflicherweise wenig Volks
vorbei, -- -- Einsiedler, Sonderlinge!
* * * * *
Ich sehe mich selbst, schreibend zur Nachtzeit -- im Bett bei der Lampe,
dies Büchelchen schreibend ...
Und all das bin Ich.
_Ich sehe._ --
* * * * *
Ich bin wie eine Uhr, die sich jeden Tag von neuem richten muß, weil
sie jeden Tag immer wieder von neuem nachgeht.
* * * * *
Mein Traum 26./27. Nov. 08: Ich sehe etwas in der Luft wie etwa drei
glänzende glasklare Äpfel an einem (unsichtbaren?) Zweige, sie
bewegen sich leicht im Wind -- und daran geht mir das Wesen alles
Lebens auf. Ich denke an Böhme und seine Lampe. Nach jenem
Vorgang -- bewegtes All -- erkläre ich mir, im Traum, das ganze Leben.
Das Ende ist mir leider entschwunden, ich

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