selben Augenblicke ist die Eule wach.
Es geht schnell zu ihr hinauf im runden Korkziehergang, ganz so, als
statte der Specht vormittags ihrem Wohnbaum einen Besuch ab. Jetzt
ist das Geräusch dicht hinter ihrem Rücken; sie hört das trockne Holz
des Stammes ächzen, und es dröhnt in dem hohlen Baum wie in einer
leeren Tonne.
Die Eule richtet sich auf und wird zweimal so groß! Sie wirft gleichsam
die Kissen ab und ihr vorhin so dicker, aufgeplusterter Körper wird
schlank und lang.
Plötzlich gleitet ein kleines, langgestrecktes, schlangengeschmeidiges
Raubtier in kastanienbraunem Pelz lautlos durch das Eingangsloch ...
Da leuchtet es unten aus dem Zunderdunkel wie Zauberglut auf. Ein
elektrischer Strom, aus Spannung und Erregung geschaffen, entzündet
magische Funken in den brandgelben Lichtern der Eule, sie sperrt ihren
mächtigen Schlund auf und gibt plötzlich ein Furcht einflößendes
Fauchen von sich.
Das geschmeidige Raubtier fährt mit einem Satz zurück; in langen
Sprüngen jagt es kopfüber am Stamm hinab und verschwindet in wilder
Flucht.
-- -- --
Der Marder Taa ist der blutdürstigste Räuber des Waldes. Aber noch ist
er so jung, daß er dergleichen Fehlgriffe begehen kann.
Er hatte gehofft, ein Eichhörnchen in dem hohlen Stamm da oben zu
treffen oder doch wenigstens einen kranken, alten Häher.
Jetzt macht er sich schleunigst unsichtbar, ganz verwirrt infolge des
Irrtums.
Alle Bewohner des Waldes kennen ja den großen, braungefiederten
Nachtvogel -- den fliegenden Wolf, mit dem menschlichen Gesicht und
den geradeaus gerichteten Lichtern, die die Macht des Blickes besitzen.
Sie ist der Tyrann des Hochwalds, der seine Steuer von allen erheischt,
von den Hirschkälbern bis hinab zu den Mäusen.
Sie scheuen sie, sie fürchten sie ... Strix Bubo, die große Horneule!
2. Männchen und Junge
Strix steht in ihren Kraftjahren, in den jubelvollen Tagen ihres
glücklichen Alters.
Alles, wonach sie greift, fängt sie, und alles, was sie schlägt, fällt und
stirbt; sie hat Wachstum in den Federposen, Griff in den Fängen und
einen ewig brennenden Hunger im Magen; sie ist riesenstark. Wenn sie
nur einen Hasen anrührt, spritzt das Blut gleich aus den zur Ader
gelassenen Pulsen; sie hat Lust zur Paarung und Freude an den Jungen,
sie besitzt alles, was reizt.
Ihr Jagdgrund ist groß! Sie wohnt hier in den Hochwäldern, ganz am
Ende der Förde und kann bis zum nächsten Nachbar jagen.
Es sind alte, pfadlose Wälder, voll von Dickicht und sauren
Erlenmooren, umgestürzte Bäume und herabgewehte Zweige liegen
überall umher, und überall stehen zunderige, hohle Bäume und knarren.
Unter der Geißel eines großen Wildbestandes sind die Wälder
aufgewachsen: Urwald-, Kronenhirsche und Rudel von Rehen hatten
hier zu allen Zeiten ihren Stand und haben sich den Winter über
kümmerlich im Holz durchgeäst. Daher das viele verkrüppelte Eichen-
und Buchengestrüpp, daher die vielen verrenkten Eschen und Erlen,
daher das urwaldähnliche Gewirr, das einem großen Uhu das Leben des
Lebens wert machen kann.
Aber der Lärm der Menschen rückt Strix näher und näher. Es werden
häufiger Bäume im Walde gefällt, neue Menschenwege werden
angelegt, kleine Steinhaufen und große Steinhaufen, aus denen Rauch
aufsteigt und in denen Menschen wohnen, tauchen in wachsender Zahl
längs des Waldsaumes auf. Schon mehrmals hat sie ihren Wohnbaum
ändern und tiefer in den Wald hineinziehen müssen. Wo die Bäume am
höchsten sind, wo der Sturm am meisten zu nehmen findet, wo er die
härtesten Wunden schlagen kann, so daß große Löcher in das morsche
Holz kommen -- da ist sie immer am besten gediehen.
Aber sie hat kaum ein halbes Jahr in ihrem neuen Versteck gewohnt,
als auch schon der große Naturzerstörer mit Säge und Axt dorthin
gelangt ist. Sie ahnt ihn, lange bevor er sich auch wirklich hat blicken
lassen, denn vor sich her treibt er eine Schar anderer Tiere, denen es so
ergeht, wie der großen Horneule selbst.
Es sind Hirsche und Kahlwild, Hühnerhabichte und Wanderfalken,
Edelmarder und Wildgänse -- alle fliehen sie vor den Axthieben, vor
Hundegeläut und Schüssen und vor der scharfriechenden Fährte des
arbeitstollen Menschen! Die ursprünglichen Bewohner des Waldes
weichen dieser lärmenden neuen Welt; sie ballen sich zusammen an
den Stellen, wo sie noch Lebensbedingungen nach ihren Gewohnheiten
und Bedürfnissen finden -- in den öden Landecken, in entlegenen
Winkeln, zwischen Heide-, Moor- und Sumpfstrecken. Hier halten sie
sich am Tage auf -- sie warten die Nacht ab!
Das mächtige Lichtgezücht, das mit dem Tage erwacht und die Unruhe,
den Lärm, die Veränderung und die Umbildung der Erde und der Natur
schafft, die die Tiere scheuen, zwingt sie, sich zu verbergen, so lange es
rast! Aber des Nachts kehren sie zurück zu den alten Stätten, verbreiten
sich auf schnellen Sohlen, auf schleichenden Läufen über das Reich,
das einstmals das ihre war. Die Hirsche und das Kahlwild äsen den
Roggen der Ansiedler, die Dächse tummeln sich in den Saatfeldern,
Marder und Fuchs stehlen Tauben und Hühner -- und Strix nimmt an
Katzen und Ratten, was sie ergattern kann! In

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