Siegfried, der Held | Page 8

Rudolph Herzog
der König wutschnaubend sein Visier herab, senkte den riesigen
Speer und sprengte gegen Siegfried an. Der trug Balmung nackt in der
Hand, trieb Grane mit einem Schenkeldruck an, hob den guten Stahl
und trennte mit wagerechtem Hieb den Speer vom Faustkorbe. Mit
aller Kraft warf der König den Gaul herum, um das schirmende Burgtor
zu erreichen. Aber Granes schneller Flug holte den Streithengst ein,
Steigbügel klirrte an Steigbügel, und Siegfried warf seinem Roß die
Zügel über den Kopf, umklammerte mit den Schenkeln Granes Bug,
streckte die freien Hände nach dem weit zurückweichenden König aus,
umarmte ihn wie mit Zangen, riß ihn im Dahinjagen aus dem Sattel und
schleuderte ihn vor Brunhilds Füße, wo er liegen blieb, ohne sich im
Leben noch einmal zu erheben.
»Sagte ich dir nicht,« rief der zürnende Held, »daß du deiner Königin
zu Fuß nahen solltest?«
Vom Pferde sprang er, hob die Krone auf und drückte sie Brunhild ins
Haar. Und wandte sich wieder der Burgmauer zu und rief zum Volke
hinauf: »Sehet hier eure Königin, die heimgekehrt ist, eure Treue zu

erproben. Kommet heraus auf euren schnellsten Sohlen und huldigt ihr,
so euch an ihrer Huld gelegen ist.«
Da kamen sie in langem Zuge, mit Fahnen und Musikanten, bogen das
Knie und boten auf goldener Schüssel Brot und Salz, in goldenem
Becher den Willkommtrunk.
Stolz und erhaben saß Brunhild zu Pferde, die Krone im Haar. Und sie
nahm von dem Brot und dem Salz mit königlicher Gebärde und netzte
ihre Lippen an dem Becher und reichte ihn huldvoll Siegfried dar, der
ihn lachend nahm und ihn bis zur Nagelprobe leerte. Das Volk aber
klatschte dem starken und frohen Helden begeisterten Beifall.
Hocherhobenen Hauptes zog Brunhild in die Königsburg, heiteren
Auges Siegfried neben ihr.
Acht Tage ordnete Brunhild die Regierungsgeschäfte, und Siegfried
ließ sie fröhlich gewähren. Am neunten Tage aber trat er vor sie hin,
küßte ihre schönen Hände und fragte nach dem Tage der Hochzeit.
Brunhild schlug die Augen nieder. Ihr Blick fiel auf den glitzernden
Ring des Nibelung an ihrer Hand.
»Mein Held,« begann sie, »dieses Reich ist nur klein und allzu klein für
unseren Heldensinn. Dein Vater Siegmund aber lebt und kann noch
lange regieren.«
»Das wünsche ich ihm von Gottes gnädigster Huld,« sagte der Held.
»Nun wohl denn,« fuhr die Königin fort, »nimm meine besten Schiffe,
meine besten Ritter und Mannen, segle nach Norge hinüber und nach
Dänemark, bekriege die Länder und gründe dir ein großes
Nordlandreich.«
Siegfried schaute auf. Dann lächelte er.
»Du willst mich auf die Probe stellen. Ich bin kein seeräubernder
Wiking, sondern ein Ritter. Und Norge und Dänemark leben in Frieden

mit uns. Sprich also, wann soll die Hochzeit sein?«
Brunhild aber antwortete: »Sobald du heimgekommen bist mit den
Kronen von Norge und Dänemark.«
Da merkte der Held, daß ihr Sinn hochfahrend geworden war, und er
suchte in der Königin das liebende Weib zu wecken.
»Brunhild, gedenke, daß wir Verlobte sind. Ich will kein Mannweib an
meiner Seite, sondern die süße Genossin, die sich der Taten ihres
Mannes freut und seinen wilden Kopf in ihrem Schoße zur Ruhe bettet.
O laß mich nach all den heißen Schlachtgesängen dir von Liebe singen
und singe mir wieder von Liebe, damit ich weiß, für welchen Reichtum
ich draußen kämpfe, und doppelt scharf den Balmung schwinge.«
Hohnvoll lachte sie über ihn hinweg.
»Hier ist kein Asyl für Ermattete und Bresthafte. Eine Königin schenkt
sich nur einem König. Laß dein Schwert für dich reden und nicht deine
Zunge.«
Siegfrieds Stirn zog sich zusammen. Hochaufgerichtet stand er vor
Brunhild und maß sie mit blitzenden Augen. Dann wandte er sich und
schritt zum Strande.
Da lag noch der Schiffer, der sie hergebracht hatte, und wartete auf
günstigen Wind.
»Fahr zu,« gebot ihm Siegfried, »ich nehme wieder das Steuer.«
Auf der Burgmauer stand Brunhild, prächtig zu schauen in ihres Leibes
Schönheit und den reichen Gewändern aus Purpur und Gold. Wie die
herrliche Mitternachtssonne war sie anzusehen unter ihren dienenden
Frauen. Nun hob sie die Hand.
»Siegfried,« rief sie voll königlichen Bewußtseins, »Siegfried, ich harr'
deiner Wiederkehr!«

3. Kapitel
Wie Siegfried gen Worms kam und für König Gunther die Dänen und
Sachsen schlug
Durch das schwarze Nordmeer war Siegfried gefahren und durch das
blaue Meer des Südens. An den sonnigen Küsten des Landes Italia
hatte er die Sarazenen bekriegt und sie mit blutigen Köpfen
heimgesandt in ihre wilde afrikanische Heimat. Über die Alpen war er
geritten durch die Eiswelt der Gletscher hindurch und hatte die Riesen
gebändigt, die von den Bergen die Lawinen rollten. Überall, wo es galt,
die Menschen von ihren Unterdrückern zu befreien, hatte Siegfrieds
Schwert geleuchtet durch alle Lande und Meere. Doch so sehr der
Ruhm seines Namens anschwoll und den Erdball erfüllte, aus seinem
Herzen war der Frohsinn gewichen, seit ihn eine Frau, seit ihn Brunhild
enttäuscht hatte.
So kehrte er nach Jahren in deutsche Lande
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