Siegfried, der Held | Page 7

Rudolph Herzog

feuerspeienden Bergen umgürtet es, und kochend heiße Flüsse zischen
ins schwarzblaue Meer. Island heißt das Land, das nie bezwungene,
und mir gehörte es, bis mich der Spruch des zürnenden Gottvaters
hierher und in Ketten in die wabernde Lohe warf. Seit ich fern bin, ist

Island unterjocht. Du willst mich zum Weibe, Siegfried? Wo ist dein
Brautgeschenk? Ich will es dir nennen und will die Deine sein, so du es
mir schaffst: Nimm Island mit stürmender Hand für mich. Setze mich
wieder auf den Thron meiner Heimat. Ich kann mich nur als Königin
dir schenken und nicht als Magd.«
So sprach die stolze Frau, und Siegfried, hingerissen von der Größe
ihrer Sprache, gelobte es ihr in die Hand und zog den Ring Nibelungs
von seinem Finger und steckte ihn ihr an als Verlobungsring.
Auf dem Ringe aber lastete der Fluch, von dem Mime gesprochen hatte,
als Siegfried auszog, den Lindwurm zu erlegen, der Fluch Nibelungs,
der den Träger des Ringes sich überheben läßt in wachsendem Ehrgeiz
und nimmersatten Wünschen. Und Siegfried hatte Mimes Warnung
vergessen, als er den Ring an Brunhilds Finger schob. --
Im Stalle des Bergfrieds stand Brunhilds Walkürenroß. Und bei ihm
stand Grane und leckte ihm zärtlich den Hals.
»Hoho, mein guter Genoß,« rief Siegfried, »hast du den Kameraden
gefunden? Nun, wenn es auch gar so schnell wieder auf die Reise geht,
ihr bleibt zusammen. Gefällt euch das?«
Da wieherten die Rosse vor Vergnügen und ließen sich willig satteln
und zäumen.
Und Siegfried hob mit starken Armen Brunhild in den Sattel, daß sie
im stillen aufjauchzte über seine Kraft, und er selber schwang sich auf
Granes Rücken, schaute nach dem Stand der Sonne, versicherte sich
der Himmelsrichtung und ritt mit Brunhild den Berg hinab. In der
Ebene aber ließen sie den Gäulen die Zügel, daß sie Seite an Seite
dahinstoben wie Falken im Revier.
Als die Sterne aufstiegen, suchte Siegfrieds scharfes Auge aus den
Figuren der Gestirne den Polarstern heraus und ritt ihm nach gen
Norden. Und je mehr sie sich dem Meere näherten, desto heller und
stärker hub Siegfried zu singen an. So ritten sie Tage und Nächte, vom
Rheine zur Wesermündung, und eines Morgens rauschte machtvoll

hinter den Dünen her die Melodie des Meeres in Siegfrieds Lied.
Ein seefestes Schiff fanden sie, und der Held gab dem Schiffer eine
breite, goldene Armspange als Fährlohn und versprach ihm mit
ritterlichem Handschlag einen Schild, angefüllt mit gemünztem Gold,
so er ihn, Brunhild und die Rosse in kürzester Frist hinüberbrächte nach
Island. Da spannte der Schiffer die braunen Segel, und Siegfried packte
das Steuer. Am Mast waren die Rosse angebunden, und Brunhild saß
vorn am Bugspriet des Schiffes, durchforschte die wilde See und rief
ihrem Steuermann die Richtung zu.
Hui, warf sich der Sturm in die Segel und jagte das Schiff durch die
Wellenberge, daß es im Gischt verschwand. Aber Siegfrieds Faust hielt
das Steuer umklammert, und ob das Schiff in den Fugen krachte und
der Mast sich bog unter den schier berstenwollenden Segeln, er
handhabte das Steuer mit eisernen Griffen und warf das Schiff über die
Wasserschlünde, als tummelte er seinen Renner über Hecken und
Gräben.
Und der Sturm schrie mit gellenden Stimmen, und Siegfried schrie
nicht minder in den Sturm hinein, und seine Locken flatterten wie heiße
Sonne um seinen Kopf: »Heia, heia! Es ist eine Lust zu leben!«
Dann lugte Brunhild über die Schulter nach dem Helden, und er schien
ihr begehrenswert vor allen Männern und ein erlesen Werkzeug für
ihren weitschweifenden Ehrgeiz.
Tage und Nächte tobte der Sturm, drang vom Steuer her Siegfrieds
helles Singen. An einem Morgen aber gewahrten sie an der Brandung,
daß sie Island nahe waren. Da stellte Siegfried das Singen ein und
tastete nach seinem Schwert.
In den Hafen fuhren sie ein, und gewappnete Männer eilten herbei,
ihnen die Landung zu wehren. Siegfried aber packte das Tau, mit dem
er das Schiff am Lande befestigen wollte, und sprang mit jähem Satze
unter sie, daß sie von dannen stoben und nicht anders vermeinten, als
der leibhaftige Teufel säße ihnen im Nacken. Nun warf der Schiffer die
Planke ans Ufer, und Siegfried holte Brunhild herüber und die

stampfenden Rosse. Wohl gerüstet ritten sie vor die Burg des Königs,
und alles Volk strömte auf die Mauern.
»Der König soll kommen!« rief Siegfried befehlend, und man rannte,
dem König die seltsame Mär zu künden.
In schwarzen Panzer geschient, ritt der König auf schwarzem Streitroß
vor das Tor.
»Frecher Fremdling,« schalt er drohend, »welcher Sprache erkühnst du
dich? Ich werde die Fische mit deinem Leichnam mästen.«
Siegfrieds Adern schwollen auf der Stirn. Doch beherrschte er sich.
»Sitz' ab,« gebot er, »denn du bist nur ein Emporkömmling und hast
deiner Königin demütig zu Fuße zu nahen. Brunhild ist heimgekommen.
Sitz' ab, sage ich dir noch einmal, nimm die Krone vom Helm und trage
sie ihr an den Steigbügel.«
Da riß
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