Siegfried, der Held | Page 5

Rudolph Herzog
Jauchzen.
Alberich aber führte Siegfried durch die gewaltigen Schatzkammern
und wies ihm den Nibelungenhort, der so reich war an Gold und
Edelgestein, daß es mehr als hundert Leiterwagen bedurft hätte, um ihn
von dannen zu führen.
Wie Siegfried da fröhlich lachte!

2. Kapitel
Wie Siegfried durch die Waberlohe zu Brunhild drang, sich mit der
Befreiten verlobte, ihr Island eroberte und sich zürnend von ihr wandte
Eine Woche nur hatte Siegfried auf der Burg des Drachenfelsen
gerastet, und schon schien ihm die Zeit unerträglich lang. Denn sein
junger Sinn stand ihm nach Taten und hielt Ruhe und Bequemlichkeit
nur würdig des Alters, das befriedigt auf die getane Arbeit
zurückschauen kann. Darum entbot er den Nibelungenführer Alberich
zu sich und besprach sich mit dem kundigen Manne.
»Die Welt ist voll von Plagen und Kriegsnöten,« sagte er, »und wartet
auf den Befreier. Ich aber liege bei meinen Reichtümern und stehle
Gott den Tag ab. Das ist Schwächlings Art und nicht die meine. Weist
mir ein würdiges Abenteuer, Freund Alberich.«
Da antwortete der kriegerische Zwerg: »Nehmt uns mit, Herr, und wir
erkämpfen Euch den ganzen Erdball.«
Siegfried aber schüttelte die Locken. »Das wäre mir eine Heldentat,
meine Leute für mich kämpfen zu lassen und mir der anderen
Lorbeeren um den Helm zu winden. Erst will ich mir meinen eigenen
Namen verdienen, bevor ich andere führe und leite. Nennt mir ein
Abenteuer, so schwer, daß kein zweiter Mensch es unternähme, und ich
will es bestehen oder ruhmreich unterliegen.«

Lange sann Alberich vor sich hin. Dann hob er den behelmten Kopf
und sah dem Helden in die Augen.
»Ihr habt mich zwar weidlich beim Barte gezaust, als Ihr mich
gefangen nahmt,« begann er, »und mein Leib ist immer noch rot und
blau, so schlugt Ihr mich wider die Türpfosten. Aber Ihr habt doch
mich und die Meinen aus der Sklaverei des greulichen Fafner errettet
und ritterlich behandelt und gehalten, so daß es mir leid um Euch wäre,
Euch in ein todbringendes Abenteuer verwickelt zu sehen.«
»Nennt es mir,« drängte der Held. »Wenn Ehre und Ruhm dabei zu
gewinnen ist, darf keine Gefahr uns schrecken. Das ist kein Mann, der
sich nicht selber einsetzt.«
»Mein edler, junger Herr,« sprach Alberich, »ich will es Euch nennen,
weil ich Euch bewundere. Und -- weil ich keinem die herrlichste Beute
gönne als Euch. Ich weiß die schönste Frau, die je vom Himmel auf die
Erde kam.«
»Wo ist sie und wie heißt sie?« rief Siegfried rasch.
»Brunhild heißt sie,« sagte der Zwerg, »und war eine der Walküren, der
starken Schlachtenjungfrauen, die einst die im Kampfe gefallenen
Helden auf ihren Rossen in den Himmel Walhalla trugen. Weil sie
ungehorsam gewesen war und wider göttliches Gebot einen ihr lieben
Helden gegen den Tod geschützt hatte, liegt sie auf einem einsamen
Berge im Zauberschlaf, und der Berg ist eingehüllt von der Waberlohe,
das ist ein loderndes Flammenmeer, und nur der Starke, der furchtlos
hindurchreitet, kann sie erwecken und zum Weibe gewinnen.«
Wie Siegfrieds Augen leuchteten und seine Brust sich mächtig hob!
Kaum vermochte der Kühne seine Ungeduld zu meistern.
»Wo geht der Weg, Alberich? Noch heute versuch' ich den Ritt.«
»Stammt Euer Roß Grane nicht von den Walkürenrossen?« fragte der
Zwerg. »Ist es so, so wird es den Weg finden.«

Da nahm Siegfried Abschied von den tausend Nibelungenrittern, setzte
Alberich zum Verwalter seiner Schätze ein und rief sein Roß Grane.
Sein Schwert Balmung hing ihm an der Seite, und in einer Ledertasche
führte er die unsichtbar machende Tarnkappe mit sich. »Grane,« sagte
der Held, und das edle Tier spitzte die Ohren, »Grane, weißt du den
Brunhildfelsen, wo deine Brüder und Schwestern im Stalle stehen?
Trage mich hin, Grane, wir wollen sie befreien und die schöne Jungfrau
vor allem.«
Da wieherte das Pferd hellauf vor Freude und umsprang in wilden
Sätzen seinen Herrn. Der aber schwang sich behend auf des Pferdes
Rücken, und das Roß war mit seinem Reiter den Augen der
Nachblickenden entschwunden, bevor sie sich von ihrem Staunen
erholt hatten.
Wie die Windsbraut jagte das Roß dahin. Die Locken flogen Siegfried
um die Stirn, und er schlug sich vor Freude klatschend auf den
Schenkel. Durch Berge und Wälder ging es im gestreckten Lauf,
Ströme und Seen wurden durchschwommen und alle Hindernisse im
sausenden Sprunge genommen. Den ganzen Tag jagte Grane mit
Siegfried dahin und die ganze Nacht, und als der frühe Morgen
dämmerte, hob sich in weiter Einöde ein Berg vor ihnen, der eine
einzige Feuersbrunst schien. Das wogte und wallte vom Fuß bis zum
Gipfel in Flammen und Gischt.
Mit bebenden Flanken stand das Roß. Aber Siegfried zog sich die
Tarnkappe über den Kopf, die Roß und Reiter vor dem Feuer hütete,
packte sein scharfes Schwert, gab Grane die Sporen und sprengte in die
Glut hinein. Mit mächtigen Hieben schuf er sich Bahn durch das
brennende Dickicht, durch mannshohe Dornenhecken schlug er
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