Sieben Jahre in Süd-Afrika. Erster Band. | Page 8

Emil Holub
am Abhange des Löwenberges die stillen Ruheorte der Malayen
und der Farbigen überhaupt, weiter nach dem Green point-Leuchtthurm
zu, die mit hohen Cypressen bewachsenen Friedhöfe der
Bleichgesichter. Doch lassen wir das Bild des Vergehens und wenden
wir unsere Blicke zur Rechten und zur Linken, wo sich die beiden
Genossen des Tafelberges erheben. Da wo der Löwenkopf sein steiles
Haupt erhebt, verbrüdert er sich mit einem der zwölf Apostel, die an
ihrem steilen Fuße von den Wogen des Oceans bespült, stolz ihre
zackigen spitzen Höhen in den blauen Aether erheben. Schweift der
Blick zur Rechten und hat er sich an allen die Phantasie erregenden
Formen, an den Felsenschluchten, Klüften, Felsenmauern, Terrassen
und Riesenblöcken des Teufelsberges gesättigt, so blickt das Auge
weiter hinaus auf eine mit Gebüschen, Wäldern und Haidekräutern
bewachsene Ebene, auf grüne, glänzenden Teppichen gleichende
Wiesen und angebaute Fluren, in denen sich Villen und Farmhäuser

anmuthig bemerkbar machen, und die der Wohlhabenheit und
Emsigkeit der Ansiedler das beste Zeugniß geben. So bietet die
Umgebung der Metropole Süd-Afrika's, mögen wir sie von dem
ehrwürdigen Haupte des Tafelberges, oder von den beiden anderen
Höhen betrachten, mögen wir ihr von der See aus, von dem
schaukelnden Boote unsere Aufmerksamkeit widmen, uns immer ein
anziehendes, wechselndes Bild! Vom letzteren Standpunkte aus
betrachtet, wird das Bild ungleich interessanter, indem eine scharf nach
oben abgegrenzte Wolkenschichte in der Regel die obere Hälfte der
beiden höheren Berge so verhüllt, daß das spitze Haupt des einen und
das flache des andern über die Wolkenbank hinausragen und dadurch
einen effectvollen Anblick gewähren.
[Illustration: Schlucht am Abhange des Tafelberges.]
Nach zweitägigem Aufenthalte in der Capstadt verließ der »Briton« die
Tafelbai und wandte den Kurs um das Cap der Guten Hoffnung nach
Osten, nach der Algoabai, um in der zweitgrößten Stadt der Colonie,
dem wichtigsten Handelsorte Süd-Afrika's, woselbst die Mehrzahl
seiner Passagiere an's Land zu gehen beabsichtigte, zu landen.
Die Fahrt längs der steilen bergigen Küste ist eine gefährliche und
manches Schiff, selbst in jüngster Zeit, fand an den verborgenen
Felsenriffen, welche die Küste säumen, sein Verderben.
»Ich versichere Sie,« äußerte sich einer der Stewarts[1] an Bord des
»Briton«, »unter fünf Shillingen werden Sie nicht an das Land
gelangen.«--Fünf Shillinge für eine Bootfahrt von etwa 1000 Schritt
Länge? Unmöglich! So tönte es als Antwort in allen möglichen
Sprachen zurück. Die Forderung schien unvergleichlich hoch. Eine
halbe Stunde später und wir zögerten nicht, für dieselbe Leistung das
Zweifache, d.h. zehn Shillinge zu geben, denn unter diesem Preise
wollte keiner der Bootsleute einen Passagier an's Land bringen. Für
mich war dieser an und für sich geringe Betrag eine harte Contribution,
betrug ja mein ganzes Vermögen in diesem Momente nur 3½ £ St. und
damit stand ich erst an der Schwelle des Landes, dessen Erforschung
meine Aufgabe war!

1: Kellner.
Algoabai ist gleich den übrigen Buchten der Küste Süd-Afrika's eine
weite, jedoch offene und deshalb den Stürmen ausgesetzte Bucht; die
eine Seitenbucht der Simonsbai bildende Kalkbai ausgenommen, hat
die ganze Südküste der Cap-Colonie keinen sicheren Hafen
aufzuweisen, gewiß ein nicht zu unterschätzender Uebelstand, ein
Hinderniß für die Entwicklung des Imports und Exports, denn
abgesehen von der umständlichen und zeitraubenden
Lösch-Manipulation der Ladung zwischen den zumeist in 500 bis 700
Schritten Entfernung von der Küste ankernden Schiffen und dieser,
werden Fracht und Transport durch diesen Uebelstand ungewöhnlich
vertheuert, andererseits nöthigten die Gefahren der offenen Rhede zu
kostspieligen experimentalen Hafenbauten, deren Ausführung
bedeutende Summen verschlingen, die sonst der Colonie zu Gute
kommen würden.
Ein Gang entlang dem Strande der Algoabai, entrollt uns ein neues Bild
des zürnenden Oceans, und beweist uns die Richtigkeit der zweiten
Benennung des Cap der guten Hoffnung als Cap der Stürme. Hier aus
der kahlen Düne, dort über den nackten zerrissenen Felsen, ragt ein
Wrack empor, ob sein Rumpf auch eisengepanzert war, die Wuth des
Sturmes und die Klippen des Strandes, sie kannten keinen Unterschied.
Zerschellt liegt es neben dem einfachen Holzbaue an der öden,
unwirthlichen Küste.
Jene--und weil meist zur Nachtszeit sich abspielend--um so
furchtbareren trüben Episoden, wo wüthende Südoststürme
schäumende Riesenwellen nach dem Ufer der Algoa-Bai schleuderten
und ein Fahrzeug nach dem andern, oft bis neun in wenigen Stunden,
an den Felsen zerschmetterten oder auf die Sandbänke warfen--sind in
der Geschichte des neuen Hafenortes der zweitgrößten Stadt
Süd-Afrika's ebenso wichtige und ereignißvolle als höchst traurige
Gedächtnißtage geworden. Doch zurück zu meiner Ankunft im
Weichbilde der Stadt![1]
1: Siehe Anhang 1.

Auf einem etwa 200 Fuß hohen, felsigen Abhange erbaut, dehnt sich
Port Elizabeth über eine Fläche von zwei englischen Meilen Länge und
¼ bis 1 Meile Breite aus; entbehrt die Lage der circa 20.000 Einwohner
zählenden Stadt auch landschaftlicher Schönheit, so ist ihre Bedeutung
als Handelsstadt ein Ersatz hiefür, indem sie für ganz Süd-Afrika
südlich des Zambesi die Rolle einer Handels-Metropole übernommen
hat.
Namentlich wird die östliche Provinz der Cap-Colonie, der
Oranje-Freistaat, die Diamantfelder, theilweise auch der
Transvaal-Staat und das Innere Süd-Afrika's von
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