bergen
hätte können, hatte sich das Schiff in die Woge gebohrt, und während
der Schiffsrumpf bei dieser Sturzwelle bis in's Innerste erbebte,
begruben die überstürzenden Wassermassen für einen Augenblick das
ganze Vorderdeck; in diesem kritischen Momente griffen meine Finger
instinctiv in den gitterartig durchbrochenen Boden des Vordercastells
und suchten dort Halt zu gewinnen, allein wie ein Span von der Kraft
des niederstürzenden Wassers gehoben, wurde ich über Bord
geschleudert. Da ich jedoch im Falle an die untere Querstange anschlug,
wurde die Wucht desselben geschwächt, und statt hinaus in's Meer
geworfen zu werden, fiel ich senkrecht an der Schiffswand herunter;
das Symbol der Hoffnung, der mächtige Schiffsanker, wurde meine
Rettung. Ich blieb zwischen einem seiner Arme und der Schiffswand
hängen und konnte von dem herbeieilenden Hochbootsmann aus
meiner immer noch sehr gefährlichen Situation befreit werden.
Und nun zurück zum Tafelberge, der Hochwarte des Caplandes. Auf
wenigen anderen Punkten des Küstenumfanges der einzelnen
Continente ist die Bergform so bezeichnend für die Gestalt des ganzen
Binnenlandes als hier. Am Fuße der drei zusammenhängenden Berge,
des Tafel-, Teufel- und Löwenberges, dem Scheine nach an der
gebogensten Stelle, einem der sichersten Plätzchen der Welt, gleichsam
im Schutze dieser drei mächtigen Riesen lag mein erstes Reiseziel,
breitet sich die Metropole Süd-Afrika's, die bevölkertste Stadt südlich
des Zambesi, und die zweitbedeutendste Handelsstadt der englischen
Colonien in Afrika aus. Obwohl ihr die Anmuth der Lage des sich an
einer Berglehne terrassenförmig aufbauenden Hauptortes von Madeira,
Funchal, den wir auf unserer Fahrt bewundern konnten, abgeht, bietet
sie doch dem Fremden ein recht anziehendes Gesammtbild.
Unwillkürlich bemächtigt sich des Fremdlings ein behagliches Gefühl
der Sicherheit, wenn er, langsam dem Strande der Tafelbai folgend,
sich der Capstadt nähert. Diese weißgetünchten, aus dem Grün der
Straßenalleen und Gärten hervorgrüßenden Gebäude, hie und da von
schlanken Thürmchen überragt, scheinen dem Fremdling Ruhe und
Frieden nach den Stürmen des Meeres, ebenso wie nach jenen des
Lebens zu bieten! Ein Ort des Friedens scheint es wie dazu erkoren.
Allein wie so oft im Leben das dem Anscheine nach zweckmäßig
Erscheinende sich oft bei näherer Untersuchung als das Gegentheil
erweist, so ist auch dieser so geschützt erscheinende Ort, die Stadt wie
die Bucht, zu manchen Jahreszeiten den heftigsten, rasch sich
wiederholenden Stürmen ausgesetzt, welche die Stadt in eine
Staubwolke hüllen; selbst bei ruhigem Wetter steigen durch den regen
Verkehr aufgewirbelt dichte Staubmassen in die Höhe, daß man kaum
auf hundert Schritte vor sich hinsehen kann, so daß alle halbwegs
Vermögenden nur des Tags und ihrer Geschäfte halber sich in der
Capstadt aufhalten, ihre Wohnungen jedoch außerhalb derselben in den
am Fuße des Löwen- und Teufelsberges erbauten Ortschaften gewählt
haben.
Dieser Uebelstand, an dem die Capstadt leidet, dürfte wohl noch
geraume Zeit ihr anhaften bleiben, da einerseits eine Abhilfe gegen die
aus der Simonsbai hereinbrechenden Südoststürme nicht durchführbar
ist, andererseits aber die Pflasterung der Straßen der Capstadt bisher
noch nicht versucht wurde. Gegen die Tücken des Oceans, von deren
erbarmungsloser Herrschaft die am Strande der Tafelbai zerstreuten
Wracktheile stumme Zeugen sind, hat man sich besonders in den
letzten sieben Jahren unter der Verwaltung des Gouverneurs Sir Bartle
Frère durch die Anlage großer Hafen- und Schutzbauten zu wahren
gewußt.
Doch kehren wir zu meiner Ankunft zurück. Vorsichtig wurde unser
Schiff in den damals (im Jahre 1872) noch ziemlich beengten Hafen
mit Tauen hineinbugsirt. Am Ufer harrte eine dichte Menschenmenge,
denn blos zweimal in einem Monate besuchte damals ein Postdampfer
die Küste Süd-Afrika's--kein Wunder, daß ein von der am Fuße des
Löwenkopfes erbauten Signalstation signalisirter Sendbote aus dem
Mutterlande stets ein freudig erwartetes Ereigniß war (gegenwärtig
gehen die Postdampfer wöchentlich nach der Colonie ab). Jene, die ihre
Verwandten erwarteten, sowie Postbeamte mit einem Troß von
Bedienten, um sofort die Post in Empfang zu nehmen, nebst einer
großen Anzahl von Farbigen: Malayen, Hottentotten, Kaffern u.s.w.,
und zahlreiche Vertreter aus allen diesen Racen zusammengewürfelter
Bastardtypen, die als Handlanger dem Ankommenden ihre Dienste
anbieten, hatten sich am Hafendamme eingefunden und bildeten in
ungezwungener Weise ein dichtes Spalier. Noch einige Minuten und
der Dampfer hatte beigelegt; obwohl wir nur zwei Tage in Capstadt
verbleiben sollten, um am dritten unsere Fahrt nach Port Elizabeth
fortzusetzen, so eilte doch ein Jeder an's Land, um in dieser kurzen Zeit
so gut als möglich die Capstadt kennen zu lernen. Der Hafen ist nach
der Landseite von einer Mauer umgeben, innerhalb welcher ich in
dunkelgraue Tuchkittel gehüllte und von bewaffneten Aufsehern
überwachte Sträflinge die schweren Arbeiten, »hard labour«, zu denen
sie verurtheilt waren, verrichten sah. Die schweren Ketten an den
Füßen der meisten unter ihnen, schienen wohl unternommener
Fluchtversuche wegen eine Verschärfung der Strafe zu sein.
Nach einigen hundert am Strande zurückgelegten Schritten stoßen wir
am Eingange in die Capstadt auf den Fischmarkt, dessen Eigenart
schon aus beträchtlicher Entfernung penetrante Dünste verrathen und
die es wohl gerathen hätten, den Fischmarkt in größerer Entfernung vor
der Stadt anzulegen. Eine artenreiche Zahl
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