Schnock | Page 8

Friedrich Hebbel
ich strich sie gegen ihn heraus, wie sie gegen mich herausgestrichen wurde, ich redete ihm sogar ein, da? sie jedesmal err?te, wenn sie ihn erblicke. Aber beides schlug mir zum Unheil aus; denn Lene stie? sich nicht im geringsten an meinem Benehmen, sie entschuldigte mich gegen meine Mutter, wenn diese mir meine Nachl?ssigkeit verwies, aufs eifrigste und meinte, wer mit ganzer Seele beim Gewerbe sei, wer darüber nachs?nne, wie er hier einen neuen Kunden gewinnen, dort einen abtrünnig gewordenen wieder heranbringen wolle, der k?nne freilich nicht nebenbei geschniegelt und gestriegelt gehen wie ein Ladendiener und sich auf H?flichkeiten verlegen wie ein Barbiergehilfe; mein Gesell dagegen fing Feuer und r?chte sich natürlich sp?ter, als ich ihm notgedrungen in die Quere kam, auf empfindliche Weise für meine anscheinende Falschheit. Als Lene unser Haus wieder verlie?, war meine Mutter wom?glich noch mehr für sie eingenommen wie früher; sie besuchte sie t?glich und auch zwischen ihr und mir entspann sich, so sehr ich auf meiner Hut war, bald eine Art von Verh?ltnis. Ich konnte nicht aus der Tür treten, ohne sie an ihrem Fenster hinter den Blumen bei der Arbeit sitzen zu sehen, da wurden denn gegenseitige Grü?e ausgetauscht, und was l??t sich nicht an Grü?en anknüpfen; haben sich doch gewi? noch niemals Leute gestritten und totgeschlagen, die nicht im Anfang Guten Tag! zueinander gesagt h?tten! Eines Abends ging ich aus; es war schon gegen zehn Uhr, ich hatte einen Sarg gemacht, was für einen Tischler eine so dringende Arbeit ist, wie ein Br?utigamsrock für einen Schneider, und wollte vorm Niederlegen noch ein wenig im Freien verschnaufen. Ich schlenderte, die Pfeife im Munde, an Lenes Fenster vorüber und glaubte mich unbemerkt, da ?ffnete sie und fragte mich, warum ich denn so eile. Ich blieb stehen und erwiderte, da? ich das selbst nicht wisse. Dann, versetzte sie, m?ge ich auf einen Augenblick zu ihr hereinkommen, ich habe sie noch nicht ein einziges Mal besucht, und sie k?nne doch am Ende verlangen, da? das geschehe. Ich konnte hiegegen nichts einwenden und ging auf die Tür zu, fand sie aber verschlossen. "Ei," rief sie aus, als sie das bemerkte, "ist meine alte Hausfrau schon zu Bette? Nun, steigt ins Fenster, was macht's unter uns?" Der Antrag machte mich stutzig, aber nicht lange, ich dachte: deine Mutter sitzt drüben im Zimmer und sieht's, sie h?lt dich, kurzsichtig, wie sie ist, für irgendeinen Hans Liederlich und die da für--Schnell, wie der hitzigste Liebhaber, stieg oder sprang ich vielmehr hinein. Wie hatte ich mich verrechnet! Lene suchte noch den Schwefelfaden, womit sie ihr Licht anzünden wollte, als mir schon wütend nachgeschimpft wurde. Ich erkannte die Stimme meines Gesellen, der hinter mir hergeschlichen sein mochte. Gewi? war in den letzten hundert Jahren kein Schimpfwort erfunden worden, das mir nicht an den Kopf flog, und diejenigen, die des Geschlechts wegen nicht auf mich pa?ten, sprudelte er gegen Lene aus. Ich schwieg still, Lene dagegen zündete ihr Licht an und fragte ihn darauf ruhig, ob er ihr Vater oder ihr Bruder sei. Als er dies verneinte, erwiderte sie, dann h?tte er auch nichts drein zu reden, wenn er ihren Br?utigam bei ihr f?nde; denn das sei ich. Dabei umarmte sie mich und sagte: "Nicht wahr, Christoph? Es w?re dir ja nie eingefallen, zu einem unbescholtenen M?dchen bei Nacht ins Fenster zu steigen, wenn du nicht die ernsthaftesten Absichten hegtest? mir w?re es wenigstens nie in den Sinn gekommen, dich dazu einzuladen, wenn ich diese nach den Er?ffnungen deiner Mutter nicht h?tte voraussetzen dürfen!" Ich schwieg noch immer und schwieg so lange, bis ich fühlte, da? mein Schweigen schon alles entschieden hatte, und da? es l?cherlich sei, nicht darin zu verharren. Mein Gesell zog sich hohnlachend zurück. Lene entlie? mich aus der Umarmung, die mir wie eine Falle vorkam, ich n?herte mich wieder dem Fenster. Sie aber bemerkte das kaum, als sie mich bei den Rocksch??en ergriff und mich fragte, wann wir Hochzeit machen wollten; ob es mir recht sei, wenn es zu Michaelis geschehe, wie die Mutter vorschlage, oder ob ich auf einem andern Tag bestünde. "Vor Allerheiligen la? ich mich auf nichts ein!" versetzte ich fest und bestimmt und sprang, ohne die Gegenrede abzuwarten, mit einem Satz hinaus. Drau?en empfing mich mein Gesell mit geballten F?usten und fiel über mich her. Ich hielt es für meine Schuldigkeit, mich von ihm durchprügeln zu lassen, und lie? ihn gew?hren, versuchte jedoch zugleich, ihn über das Ereignis aufzukl?ren, was freilich nur dazu führte, da? er mich, wenn er seinen Armen ein wenig Ruhe g?nnte, einen doppelten und dreifachen Windbeutel nannte und dann wieder mit erneuter Wut auf mich losschlug. Endlich packte er mich gar bei der Kehle und gab sich alle Mühe, mich niederzuwerfen; es hatte den ganzen Tag geregnet, die Erde war kotig, und wer seinen besten Rock trug, wie ich, mu?te jede Berührung
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