Schnock | Page 9

Friedrich Hebbel
mit ihr, ausgenommen diejenige, der man nicht ausweichen kann, scheuen. Ich konnte daher nicht l?nger umhin, dem unsinnigen Menschen, dem ich an Leibesst?rke überlegen war, einen Schlag zu versetzen, und gab ihm einen ins Gesicht, hatte es aber kaum getan, als ich's auch schon bereute: denn ich hatte ihn gerade auf die Nase getroffen, und er stürzte lautlos, wie ein Ochs von der Axt des Metzgers, zu Boden. Ich glaubte, ein unfreiwilliger M?rder geworden zu sein und verfluchte mein Schicksal; denn ich erinnerte mich von meiner Wanderschaft her eines Falls, wo ein Schmied im Streite einen Schneider durch einen einzigen Schlag get?tet hatte, und ich wu?te, was meine Faust vermochte, wenn ich ordentlich damit ausholte. Ich schwur dem Himmel, noch denselben Abend, falls es verlangt würde, mit Lene Hochzeit zu machen, wenn er den Menschen wieder auferwecke; ich schwur dem Menschen, das M?dchen mit keinem Auge mehr anzusehen, wenn er von selbst wieder aufstehe, und ich wurde mir des Widerspruchs zwischen beiden Schwüren gar nicht bewu?t. Ich fing an, mich nach Dingen zu sehnen, wonach sich wohl noch niemand gesehnt hat: nach einem Lümmel aus dem Munde meines Feindes, nach einem Hungerleider, ja nach einer Ohrfeige und einem Fu?tritt. Zuletzt trat ich, um zu erproben, ob noch Leben in ihm sei, ihm derb auf die ausgestreckt daliegende Hand. Da richtete er sich schnell etwas empor und bi? mich, um mir den Beweis gründlich zu geben, ins Bein. Es tat sehr weh, und ich stie? einen lauten Schrei aus, doch innerlich freute ich mich über diesen Bi?. Nun nieste er, sprang auf und drang wieder auf mich ein. Um ihn nicht doch noch totzuschlagen, macht' ich mich auf die Fü?e und langte, verst?rter wie jemals, bei meiner Mutter an. Sie kam mir auf der Flur mit brennender Lampe entgegen und empfing mich mit ?rgerlich-freundlichem Gesicht. "Wo bist du gewesen?" rief sie mir zu, konnte aber ein dumm-kluges L?cheln nicht unterdrücken, voraus und sah, da? ich die Frage nicht zu beantworten brauchte. Ich zeigte auf mein blutendes Bein und sagte: "Gott vergebe dir, was du an mir getan hast!" Dann ging ich, ohne ihr weiter Rede zu stehen, in meine Schlafkammer, riegelte mich ein und ?ffnete ihr nicht einmal die Tür, als sie mir altes Leinen zum Verband der Wunde brachte, sondern zerri? zu diesem Zweck in meiner Erbitterung ein ganz neues Hemd. übrigens schlief ich in der auf diesen Abend folgenden Nacht besser, als man vielleicht erwartet, was ich dem Umstand beimesse, da? es bis Allerheiligen noch ein volles Vierteljahr hin war. Wer es, wie ich, so lange Zeit vorher wei?, wann er in den Ehestand eintreten mu?, der wird, wenn er nicht ganz und gar auf den Kopf gefallen ist, nicht blindlings hineinrennen, wie der Fuchs in die Falle, er wird mit Umsicht und Bed?chtigkeit zu Werke gehen und jede Vorsichtsma?regel ergreifen, die dem Menschen in solcher Lage zu Gebote steht. Mein erstes gleich nach dem schauerlichen Verlobungsabend war, meiner Braut die überzeugung beizubringen, da? es mir an k?rperlichen Kr?ften nicht mangle. Ich trug, wenn ich sie bei meiner Mutter oder sonst in der N?he wu?te, dicke Balken, rammte ohne Beihilfe des Gesellen mit gro?er Mühe Pf?hle ein, ja, eines Nachmittags schleppte ich die ganz schwere Hobelbank von Eichenholz auf dem Rücken fort, was eine Pferdearbeit war. Ebenso stellt' ich mich bei schicklichen Gelegenheiten, als ob ich sehr hitzigen auffahrenden Temperaments w?re; als mich einmal eine Mücke ins Gesicht stach, fluchte ich barbarisch und versetzte mir, anscheinend der Mücke wegen, einen so grimmigen Schlag auf die Nase, da? Blut flo?; auf eine Maus, die eines Morgens in der Küche, wo Lene meiner Mutter beim G?nserupfen half, zum Vorschein kam, fuhr ich mit einem L?rm los, da? beide Frauenzimmer laut aufschrien, und gleich darauf dreht' ich einem schreienden jungen K?tzchen, das ich getreten hatte, den Hals um, wobei es mich stark kratzte. Mehrere Male stie? ich einen alten Bettler, nachdem ich ihm zuvor heimlich einen Schilling zusteckte, damit er es sich gefallen lasse, zur Tür hinaus; meinen Lehrjungen schalt ich einst, noch vor dem Frühstück, einen Ochsenkopf und drohte ihm, ich wollte ihn hinterm Schornstein aufhenken, worüber der kleine Knirps so erschrak, da? er mir selbst leid tat. "Bist du so voll Galle?" fragte mich Lene, mir die Hand drückend, als ob's ihr sehr gefiele. "Wie man's nehmen will!" versetzte ich kurz und lie? ihre Hand los. "Du bist ja ein ganz anderer auf der Wanderschaft geworden," sagte meine Mutter, "früher warst du fromm und sinnig, wie ein Lamm! "--"Jedem Menschen wachsen die Z?hne!" erwiderte ich und pfiff einen Galoppwalzer. Ich kam zuletzt ordentlich in die Gewohnheit hinein, der Ton meiner Stimme nahm etwas Rauhes an und meine Geb?rden wurden verwegen. Ich glaube auch noch immer steif und fest, da? ein Mensch an Herzhaftigkeit und Geistesgegenwart gew?hnt werden kann, wie z.
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