Schnock | Page 6

Friedrich Hebbel
statt ihn zu l?schen, nur aufs neue weckt. Schnock, das sah ich gleich, war kein angehender Trinker; er trank das erste Glas nur, um recht bald zum zweiten zu kommen, und an eine Entsiegelung seines inneren Menschen, auf die ich mich freute und derentwegen ich ihn eingeladen hatte, war von Entsiegelung der dritten Flasche nicht zu denken. Ich gab mich gegen ihn für einen geschiedenen Ehemann aus und sagte, ich h?tte blo? darum mein Vaterland verlassen, weil mein rachsüchtiges Weib mir ihre s?mtlichen Liebhaber, einen nach dem andern, mit Herausforderungen auf den Hals schicke, was mir über kurz oder lang das Leben kosten k?nne. Diese Er?ffnung machte ihn treuherzig, aber eine Unvorsichtigkeit, die ich gleich hernach beging, h?tte das günstige Vorurteil, das er für mich zu fassen begann, fast im Keim wieder zerst?rt. Ich zog n?mlich, weil sie mir unbequem waren, meine Taschenpistolen hervor und legte sie neben mich auf den Tisch. Pl?tzlich--er war schon in recht lebhaften Mitteilungen über sein M?rtyrertum begriffen gewesen--stockte der Flu? seiner Rede, er entf?rbte sich und sah mich an. Ich bemerkte die Ver?nderung, die mit ihm vorgegangen war, früher, als ich sie begriff, und bemühte mich, ihrer Ursache auf die Spur zu kommen, aber schneller als all mein Nachsinnen verhalf mir eine zuf?llige Bewegung meiner Hand zur Aufkl?rung über den zweifelhaften Punkt. In der Zerstreuung ergriff ich eine der Pistolen, die ungeladen waren, und spannte spielend den Hahn; da sprang Schnock von seinem Stuhle auf und versicherte mir mit einem Gesicht, welches gegen den Mund die bündigste Protestation einlegte, er halte sich in meiner Gesellschaft für sicher. "Ihr seid's vollkommen, lieber Meister," versetzte ich; "die Dinger da drückten mich, ich führe sie zu meiner Verteidigung auf Reisen bei mir, aber um mich nicht selbst zu sch?digen, lade ich sie nicht, au?er wenn ich bei Nebel und Nacht durch dicke Waldungen komme." Zum Zeugnis der Wahrheit meiner Relation drückte ich die Pistole, welche ich eben in der Hand hielt, ab. "Ich", entgegnete Schnock, indem er sich wieder mit alter Behaglichkeit niederlie?, "würde doch Pistolen und dergleichen niemals mit mir führen; denn davon bin ich überzeugt, wenn die Gefahr wirklich an den Mann herantritt, so vergi?t man's entweder, da? man sie hat, oder man schie?t beim Abfeuern fehl und reizt so den Menschen, der es vielleicht nur auf einfache R?uberei abgesehen hatte, zu Mord und Blutvergie?en."--"Ihr habt nicht unrecht," erwiderte ich, mein Lachen verbei?end, was mir, wenn's mir nur einmal gelingt, immer gelingt, "und da w?r's gar m?glich, da? man, nachdem man durch die erste Pistole den Mordgedanken erweckte, durch die zweite niedergestreckt würde; ich setze den Fall, da? der R?uber keine Waffe bei sich führt und sich ihrer bem?chtigt."--"Freilich, freilich!" versetzte Schnock und trank, sichtlich erfreut, zwei Gl?ser hintereinander. Die dritte Flasche war halb geleert, da stand er pl?tzlich auf, trat mit pfiffigwichtiger Miene vor mich hin und fragte mich: "Sagt mir doch, bin ich eigentlich feig?"--"Es scheint wohl nur so!" antwortete ich, einigerma?en verdutzt. "Gewi?!" versetzte er und nahm wieder Platz, "da? ich's nicht bin, davon, glaub' ich, hab' ich Euch heute den Beweis gegeben. Ich traue Euch nichts B?ses zu, bei Gott nicht! sonst w?r' ich keine fünf Minuten geblieben; aber, dies k?nnt' Ihr nicht leugnen, Ihr seid mir wildfremd. Ihr ladet mich ein, Euch auf Euer Zimmer zu begleiten und Wein mit Euch zu trinken, jeder andere h?tte, und mit Recht, aus Eurer Splendidit?t Argwohn gesch?pft und die sonderbare Einladung mit Abscheu abgelehnt; ich unterdrücke meinen Verdacht und gehe mit Euch. Ich denke, ich bin nicht feig!"--"Ei, Meister Schnock," erwiderte ich, "wie kommt Euch denn der Einfall, da? Ihr feig w?ret?"--"Weil," versetzte er hastig und schenkte sich ein, "weil sie mich alle für feig halten, ja, weil ich, Stunden, wie diese, ausgenommen, selbst das ganze Jahr hindurch, Gott wei?, woran es liegt! glaube, da? ich's bin." Jetzt verschwand bei ihm die letzte Spur von Zurückhaltung, um so mehr, als er erfuhr, da? ich nicht im Orte bleibe, sondern gleich den n?chsten Tag wieder abreise, er machte mich zum vollst?ndigsten Vertrauten seiner Lebens-, das hei?t M?rtyrergeschichte, und ich erhielt Gelegenheit, in die Mikrologien seines Daseins hineinzuschauen, das mir so putzig vorkam, als ob es gar nicht seiner selbst wegen, sondern zur Belustigung eines gr??eren geführt würde. Ich darf nun freilich nicht vergessen, da? meine Leser nicht, wie ich, gezwungen sind, in dem Marktflecken Y. einen ganzen Tag auf die Post zu warten und mu? darum den gr??ten Teil von Schnocks Mitteilungen für mich behalten; denn bei mir hatten sie nur mit einem alten Kalender, den ich durchbl?ttern, mit den Fensterscheiben, die ich h?tte z?hlen k?nnen, zu rivalisieren, was hoffentlich bei keinem meiner Leser der Fall ist. Ich glaube jedoch, da? einiges daraus sie auch in einer weniger verzweifelten Situation erg?tzen kann, und bitte sie, wenn ich mich hierin t?usche, den Grund nicht in
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