Schnock | Page 5

Friedrich Hebbel
verdankt, auf seine Weise erkenntlich bezeigen? Was wird diese Kr?te zwischen den finstern Mauern des Gef?ngnisses aushecken, als giftige Rachepl?ne? Und wann hat man noch geh?rt, da? einem B?sewicht mi?glückt ist, was er sich vornahm? H?chstens kommt man ihm hintendrein auf die Spur; das weckt aber keinen wieder auf, der einmal mit einer acht Zoll tiefen Wunde auf'm Kirchhof oder sonstwo verscharrt liegt. Dem Schlachtopfer ist's gleichgültig, ob man den Schl?chter zu ihm in die Erde steckt."--"Mir scheint, ein Mann, wie Ihr, kann sich seiner Haut schon wehren; Euch geht, deucht mir, zu einem Riesen nicht viel ab, geschweige zu einem tüchtigen Schl?ger. "--"Oh," versetzte Schnock mit einem Seufzer, "wie oft soll ich diese vermaledeiten breiten Schultern, diese lügenhafte, gro?prahlerische Leibesgestalt, womit irgendein schadenfroher Teufel mich begabt hat, noch verfluchen! Jeder, der mich nicht kennt, glaubt, da? ich Berge versetzen kann. Warum bin ich unglücklich? Weil ich nicht einen Kopf kürzer bin. Wozu trieb mich meine Neigung in der Jugend, was war der Wunsch meiner Wünsche? Schneider wollt' ich werden, darum bat ich meinen Vater; die führen ein friedsames, geruhiges Leben, sprichw?rtlich ist's, da? sie keine Courage haben, man erwartet von ihnen nicht das Unglaubliche. Drang ich mit all meinen Bitten bei dem Vater durch? Junge, sagte er, nicht scherzhaft, sondern in grimmigem Ton, bist du verrückt? Du k?nntest bei deinen Knochen und Kr?ften einen Ackergaul ersetzen, und wolltest gleich einem Affen, mit gekreuzten Beinen und l?schpapiernem Gesicht hinter dem Fenster auf'm Schneidertisch hocken und Zwirn in die Nadel f?deln? Das ist was für Krüppel, für Lahme und Verwachsene, damit komme mir nicht; du wirst mir, so Gott will! ein braver Schreiner! Natürlich, er war ja selbst ein Schreiner, und das edle Handwerk w?r' zugrunde gegangen, h?tt' ich ein andres ergriffen. Gott vergeb's ihm, meinetwegen; ich vergeb's ihm nicht, h?chstens auf'm Totenbett, wo man alles vergibt!" Schnock ballte die Hand. "Aber, lieber Meister," fragt' ich weiter, "warum lie?t Ihr den Dieb nicht entschlüpfen, wenn es Euch so bedenklich schien, ihn festzuhalten? Das stand ja doch bei Euch?"--"Keineswegs," erwiderte Schnock; "man ist selten oder nie Herr seines Willens. Ich war den übrigen vorgelaufen, nicht etwa, um mir ein Ansehen zu geben, sondern um ihnen m?glichst bald aus den Augen zu kommen und bei der Hetze gegen brutale Aufforderungen zum Hilfeleisten gesichert zu sein. Pl?tzlich, da ich eben den Sprung um ein Gebüsch mache, f?hrt mir das Teufelswildbret, ich meine meinen Arrestanten, entgegen. Ich schaudre zusammen; denn das laute Hurra, das aus hundert Kehlen hinter mir erschallt, sagt mir's gleich, da? mein niedertr?chtiges Jagdglück nicht unbemerkt geblieben ist. Dennoch h?tt' ich, ohne Rücksicht auf sp?tere Foppereien und Anzüglichkeiten, dem Kerl gern den Vorsprung gelassen und zu hinken angefangen; aber der war wie unsinnig, statt zu entspringen, blieb er stehen, rollte die Augen, ballte die Faust gegen mich und fuhr endlich damit, als wollt' er ein Messer oder gar eine Pistole hervorziehen, in die Tasche. Da ergriff mich Angst und Grausen; nicht aus Tollkühnheit, wie die herbeieilenden Esel, die mir schon aus der Ferne ein Bravo über das andere zuschrien, glauben mochten, sondern aus Furcht macht' ich mich über ihn her, rang mit ihm und warf ihn zu Boden. Da? seine Taschen leer waren, wie sich's bei der Visitation fand, konnt' ich nicht wissen, und gegen Schu? und Stich mu?t' ich mich sichern." Ein Bursch kam in diesem Augenblicke eilig auf uns zu. "Ich komme schon!" rief Schnock ihm entgegen und machte mir zugleich eine Abschiedsverbeugung. "Ihr irrt Euch, Meister," sagte der Bursch mit unterdrücktem Lachen, "ich suche diesmal nicht Euch, ich geh' auf die Apotheke, um Hoffmannstropfen zu holen, Eure Frau hat Kopfweh und liegt zu Bett."--"So sagst du nicht," versetzte Schnock, "da? du mich gesehen hast.--Wenn die Kopfweh hat," fuhr er, sich wieder zu mir wendend, fort, "ist's goldne Zeit für mich; dann fühl' auch ich einmal, da? ich noch auf der Welt bin. Ihr mu? wirklich zuvor das Schlimmste begegnet sein, ehe mir was Gutes begegnen kann; als sie jüngst wegen Zahnschmerz und Backengeschwulst vierzehn Tage lang das Maul nicht ?ffnen konnte, hatt' ich den Himmel auf Erden." Ich lud Schnock ein, mich ins Posthaus zu begleiten und dort eine Flasche Wein mit mir auszustechen. "Ich wei? mich", sagte ich, als er bedenklich zu z?gern schien, "vor Langeweile nicht zu lassen, und wo find' ich Gesellschaft?" Er willigte ein, und nicht lange dauerte es, so sa?en wir uns auf meinem Zimmer mit gefüllten Gl?sern gegenüber. Es gibt untrügliche Kennzeichen, wodurch sich der geübte Trinker von dem angehenden unterscheidet; wenn dieser, w?hrend er das sü?e, flüssige Feuer hinuntergie?t, die Augen wollüstig zukneift, und in innigem Behagen noch mit dem letzten Tropfen die Zunge erquickt, so spritzt jener blo? ein wenig den Mund, trinkt mit offnen Augen und ignoriert den Tropfen, da er die Erfahrung gemacht hat, da? dieser Nachzügler den Durst,
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