aber bist tapfer! Dir werden sie
gehorchen. Führe du sie! Karthago ist unser! Erobern wir es!«
»Nein!« sprach Matho. »Molochs Fluch lastet auf mir. Ich hab es in
den Augen der Einzigen gelesen, und eben ist in einem Tempel ein
schwarzer Widder vor mir zurückgewichen ... Wo ist sie?« fügte er
hinzu, indem er sich umschaute.
Spendius begriff, daß den Libyer eine ungeheure innere Erregung
quälte. Er wagte nicht weiter zu reden.
Die Bäume hinter ihnen glimmten noch. Aus verkohlten Zweigen fielen
hin und wieder halbverbrannte Affenknochen in die Schüsseln hinab.
Die trunkenen Söldner schnarchten mit offenem Munde neben den
Leichen, und die nicht schliefen, senkten das Haupt, geblendet vom
Morgensonnenlicht. Auf dem zerstampften Boden starrten große
Blutlachen. Die Elefanten in ihren Pfahlgehegen schwenkten die
blutigen Rüssel hin und her. In den offenen Speichern lag das Getreide
ausgeschüttet, und unter dem Tor stand ein Wirrwarr von Karren, von
den Barbaren ineinandergefahren. Die Pfauen auf den Zedernästen
entfächerten ihre Schweife und begannen zu schreien.
Mathos Unbeweglichkeit setzte Spendius in Staunen. Der Libyer war
noch bleicher denn zuvor und verfolgte, beide Fäuste auf die
Terrassenmauer gestützt, mit starrem Blick etwas am Horizont.
Spendius beugte sich vor und entdeckte endlich, was jener betrachtete.
Ein goldner Punkt rollte in der Ferne im Staub auf der Straße nach
Utika. Es war die Radnabe eines mit zwei Maultieren bespannten
Gefährts. Ein Sklave lief an der Spitze der Deichsel und hielt die Tiere
an den Trensen. Auf dem Wagen saßen zwei Frauen. Die Schöpfe der
Tiere standen nach persischer Sitte kammartig hoch zwischen den
Ohren unter einem Netz von blauen Perlen. Spendius erkannte die
Insassen. Er unterdrückte einen Aufschrei.
Ein langer Schleier flatterte im Winde hinterdrein.
II
In Sikka
Zwei Tage später verließen die Söldner Karthago. Man hatte einem
jeden ein Goldstück gezahlt, unter der Bedingung, daß sie ihr
Standquartier nach Sikka verlegten. Auch hatte man ihnen allerlei
Schmeicheleien gesagt:
»Ihr seid die Retter Karthagos! Doch ihr würdet es in Hungersnot
bringen, wenn ihr hier bliebet. Ihr machtet es zahlungsunfähig.
Marschiert ab! Die Republik wird euch einstens für diese Willfährigkeit
Dank wissen. Wir werden unverzüglich Steuern erheben. Euer Sold soll
euch auf Heller und Pfennig ausgezahlt werden. Dazu wird man
Galeeren ausrüsten, die euch in eure Heimat zurückbringen.«
Sie wußten nicht, was sie auf solchen Wortschwall erwidern sollten.
Zudem langweilte die kriegsgewohnten Männer der Aufenthalt in der
Stadt. Und so waren sie ohne große Mühe zu überreden. Das Volk stieg
auf die Mauern, um sie abziehen zu sehen.
Der Abmarsch erfolgte durch die Khamonstraße und das Kirtaer Tor.
Bunt durcheinander zogen sie ab: leichte Bogenschützen neben
Schwerbewaffneten, Offiziere neben Gemeinen, Lusitanier neben
Griechen. Stolzen Schritts marschierten sie vorbei und ließen ihre
schweren Stahlstiefel auf dem Pflaster klirren. Ihre Rüstungen trugen
Beulen von Katapultgeschossen, und ihre Gesichter waren vom
Schlachtenbrand geschwärzt. Rauhe Rufe drangen aus ihren dichten
Bärten. Ihre zerfetzten Panzerhemden klapperten über den
Schwertergriffen, und durch die Löcher im Erz sah man ihre nackten
Glieder, drohend wie Geschütz. Die langen Lanzen, die Streitäxte, die
Speere, die Filzhauben und ehernen Helme, alles wogte im Takt in
gleicher Bewegung. Die Straße war von dem Zuge derartig angefüllt,
daß die Mauern dröhnten. Zwischen den hohen sechsstöckigen Häusern,
die mit Asphalt getüncht waren, wälzte sich der Strom der gewappneten
Krieger hin. Hinter den Fenstergittern aus Eisen oder Rohr saßen
verschleierte Frauen und sahen schweigend dem Vorbeimarsch der
Barbaren zu.
Terrassen, Festungswälle, Mauern, alles verschwand unter der Masse
der schwarz gekleideten Karthager. Die Jacken der Matrosen leuchteten
in dieser dunklen Menge wie Blutflecke. Halbnackte Kinder, auf deren
blendender Haut sich kupferne Armringe abhoben, schrien von den
Blattornamenten der Säulen und von den Zweigen der Palmen herab.
Mehrere der »Alten« hatten sich auf die flachen Dächer der Türme
gestellt, aber man wußte nicht, warum diese langbärtigen Gestalten in
bestimmten Abständen so nachdenklich dort oben wachten. Von
weitem gesehen, hoben sie sich vom Hintergrunde des Himmels
unheimlich wie Gespenster ab und unbeweglich wie Steinbilder.
Alle bedrückte die gleiche Besorgnis: man fürchtete, die Barbaren
könnten, da sie sich so stark sahen, auf den Einfall kommen, bleiben zu
wollen. Doch sie zogen so vertrauensselig ab, daß die Karthager Mut
schöpften und sich zu den Söldnern gesellten. Man überhäufte sie mit
Beteuerungen und Freundschaftsbezeugungen. Einige redeten ihnen
sogar aus übertriebener Berechnung und verwegener Heuchelei zu, die
Stadt nicht zu verlassen. Man warf ihnen Parfümerien, Blumen und
Geldstücke zu. Man schenkte ihnen Amulette gegen Krankheiten, hatte
aber vorher dreimal darauf gespien, um den Tod herbeizubeschwören,
oder Schakalhaare hineingetan, die das Herz feig machen. Laut rief
man Melkarths Segen auf die Abziehenden herab, leise indessen seinen
Fluch.
Es folgte das Gewirr des Trosses, der Lasttiere und Nachzügler. Kranke
saßen stöhnend auf Dromedaren. Andre hinkten vorüber, auf einen
Lanzenstumpf gestützt. Trunkenbolde schleppten Weinschläuche mit
sich, Gefräßige Fleisch, Kuchen, Früchte, Butter in Feigenblättern, Eis
in Leinwandsäcken. Etliche sah man mit Sonnenschirmen in
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