Salambo | Page 9

Gustave Flaubert
der Hand
und Papageien auf den Schultern. Andre wurden von Hunden, Gazellen
und Panthern begleitet. Frauen libyschen Stammes ritten auf Eseln. Sie
verhöhnten die Negerweiber, die den Soldaten zuliebe die Bordelle von
Malka verlassen hatten. Manche säugten Kinder, die in Ledertragen an
ihren Brüsten hingen. Die Maultiere, die man mit den Schwertspitzen
anstachelte, vermochten die Last der ihnen aufgepackten Zelte kaum zu

erschleppen. Ein Schwarm Knechte und Wasserträger, hager,
fiebergelb und voller Ungeziefer, die Hefe des karthagischen Pöbels,
hängte sich den Barbaren an.
Als alle hinaus waren, schloß man die Tore. Das Volk blieb auf den
Mauern. Der Söldnerzug füllte alsbald die ganze Breite der Landenge.
Er teilte sich in ungleiche Haufen. Die Lanzen sahen nur noch wie hohe
Grashalme aus. Schließlich verlor sich alles in Staubwolken. Wenn von
den Söldnern einer nach Karthago zurückblickte, sah er nichts denn die
langen Mauern, deren verlassene Zinnen in den Himmel schnitten.
Plötzlich vernahmen die Barbaren lautes Geschrei. Da sie nicht einmal
wußten, wie viele ihrer waren, dachten sie, daß einige von ihnen in der
Stadt zurückgeblieben seien und sich das Vergnügen machten, einen
Tempel zu plündern. Diese Vermutung belustigte sie, und sie setzten
ihren Marsch fort. Sie freuten sich, wieder wie einst die weite Ebene
gemeinsam zu durchziehen. Die Griechen stimmten den alten Sang der
Mamertiner an:
»Mit meiner Lanze und meinem Schwert pflüg ich und ernt ich. Ich bin
der Herr des Hauses. Der Waffenlose fällt mir zu Füßen und nennt
mich Herr und Großkönig.«
Sie schrien und hüpften. Die Lustigsten fingen an Geschichten zu
erzählen. Die Zeiten der Not waren vorüber. Als man Tunis erreichte,
bemerkten einige, daß ein Fähnlein balearischer Schleuderer fehlte.
»Die werden nicht weit sein! Sicherlich!« Weiter gedachte man ihrer
nicht.
Die einen suchten Unterkunft in den Häusern, die andern kampierten
am Fuße der Mauern. Die Leute aus der Stadt kamen heraus und
plauderten mit den Soldaten.
Die ganze Nacht hindurch sah man am Horizont in der Richtung auf
Karthago Feuer brennen. Der Lichtschein--wie von
Riesenfackeln--spiegelte sich auf dem regungslos liegenden Haff.
Keiner im Heere wußte zu sagen, welches Fest man dahinten feierte.
Am nächsten Tag durchzogen die Barbaren eine allenthalben bebaute
Gegend. An der Straße folgten die Meierhöfe der Patrizier, einer auf
den andern. Durch Palmenhaine rannen Wassergräben. Olivenbäume
standen in langen grünen Reihen. Rosiger Duft schwebte über dem
Hügelland. Dahinter dämmerten blaue Berge. Ein heißer Wind ging.
Chamäleons schlüpften über die breiten Kaktusblätter.

Die Barbaren verlangsamten ihren Marsch.
Sie zogen in Abteilungen oder schlenderten einzeln in weiten
Abständen voneinander hin. Man pflückte sich Trauben am Rande der
Weinberge. Man streckte sich ins Gras und betrachtete erstaunt die
mächtigen, künstlich gewundenen Hörner der Ochsen, die zum Schutze
ihrer Wolle mit Häuten bekleideten Schafe, die Bewässerungsrinnen,
die sich in Rhombenlinien kreuzten, die Pflugschare, die Schiffsankern
glichen, und die Granatbäume, die mit Silphium gedüngt waren. Die
Üppigkeit des Bodens und die Erfindungen kluger Menschen kamen
allen wunderbar vor.
Am Abend streckten sie sich auf die Zelte hin, ohne sie aufzuschlagen.
Das Gesicht den Sternen zugekehrt, schliefen sie ein und träumten von
dem Feste in Hamilkars Gärten.
Am Mittag des dritten Tages machte man in den Oleanderbüschen am
Gestade eines Flusses halt. Die Soldaten warfen hurtig Lanzen, Schilde
und Bandoliere ab und wuschen sich unter lautem Geschrei, schöpften
die Helme voll Wasser oder tranken, platt auf dem Bauche liegend,
inmitten der Maultiere, denen das Gepäck vom Rücken glitt.
Spendius, auf einem aus Hamilkars Ställen geraubten Dromedare,
erblickte von weitem Matho, der, den Arm in der Binde, barhäuptig
und kopfhängerisch ins Wasser starrte, indes er sein Maultier trinken
ließ. Sofort eilte der Sklave mit dem Rufe: »Herr, Herr!« schnurstracks
durch die Menge auf ihn zu. Matho dankte kaum für den Gruß.
Spendius nahm ihm das nicht übel, begann vielmehr seinen Schritten
zu folgen und warf nur von Zeit zu Zeit einen besorgten Blick nach
Karthago zurück.
Er war der Sohn eines griechischen Lehrers der Redekunst und einer
kampanischen Buhlerin. Anfangs hatte er durch Mädchenhandel Geld
verdient, dann aber, als er bei einem Schiffbruch sein ganzes Vermögen
verloren, hatte er mit den samnitischen Hirten gegen Rom gekämpft.
Man hatte ihn gefangen genommen; er war entflohen. Wiederergriffen,
hatte er in den Steinbrüchen gearbeitet, in den Bädern geschwitzt, unter
Mißhandlungen geschrien, vielfach den Herrn gewechselt und allen
Jammer des Daseins erfahren. Aus Verzweiflung hatte er sich einmal
vom Bord der Triere, auf der er Ruderer war, ins Meer gestürzt.
Matrosen Hamilkars hatten ihn halbtot aufgefischt und nach Karthago
ins Gefängnis von Megara gebracht. Weil die Überläufer an Rom

ausgeliefert werden mußten, hatte er die allgemeine Verwirrung benutzt,
um mit den Söldnern zu entfliehen.
Während des ganzen Marsches blieb er bei Matho. Er brachte ihm zu
essen, half ihm beim Absitzen und breitete nachts eine Decke unter sein
Haupt. Durch diese kleinen Dienste ward Matho schließlich gerührt,
und nach und nach sprach er mit dem Griechen.
Matho
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