über den Hafen hin. Auch im Tempel Khamons war Licht.
Da gedachten sie Hamilkars. Wo war er? Warum hatte er sie verlassen,
als der Friede geschlossen war? Sein Zerwürfnis mit dem Rat war
gewiß nur Blendwerk, um sie zu verderben. Ihr ungestillter Haß
übertrug sich auf ihn. Sie verfluchten ihn und entfachten ihren Zorn
aneinander zur Wut. In diesem Augenblick entstand ein Auflauf unter
den Platanen. Mit Händen und Füßen um sich schlagend, wand sich ein
Neger auf dem Boden, mit stierem Blick, verrenktem Hals und Schaum
auf den Lippen. Jemand schrie, er sei vergiftet. Da wähnten sich alle
vergiftet. Sie fielen über die Sklaven her. Ein furchtbares Geschrei
erhob sich, und ein Taumel wilder Zerstörungswut erfaßte das trunkene
Heer. Man schlug wie blind um sich, zerbrach und mordete. Einige
schleuderten Fackeln in die Baumkronen. Andre lehnten sich über die
Brüstung der Löwengrube und schossen nach den Löwen mit Pfeilen.
Die Verwegensten liefen zu den Elefanten, um ihnen die Rüssel
abzuschlagen. Es gelüstete sie nach Elfenbein.
Inzwischen waren balearische Schleuderer, um gemächlicher plündern
zu können, um die Ecke des Palastes gelaufen. Sie stießen auf ein
hohes Gitter aus indischem Rohr, durchschnitten die Riemen des
verschlossenen Tores mit ihren Dolchen und befanden sich nun unter
der Karthago zugewandten Palastfront in einem zweiten Garten mit
verschnittenen Hecken. Lange Reihen dicht aneinander gepflanzter
weißer Blumen beschrieben hier auf dem azurblauen Boden weite
Bogen gleich Sternenketten. Die dunkeln Gebüsche hauchten schwüle
Honigdüfte aus. Mit Zinnober bestrichene Baumstümpfe schimmerten
wie blutige Säulen. In der Mitte des Gartens trugen zwölf kupferne
Träger je eine große Glaskugel, in deren Rundungen bizarre rötliche
Lichter spielten; sie glichen riesigen, lebendigen, zuckenden Augäpfeln.
Die Söldner leuchteten mit Pechfackeln, indes sie über den
abschüssigen und tief umgegrabenen Boden stolperten. Da erblickten
sie einen Weiher, der durch Wände von blauen Steinen in mehrere
Becken zerlegt war. Das Wasser war so klar, daß das Licht der Fackeln
bis auf den Grund fiel und auf einem Bett von weißen Steinen und
Goldstaub zitterte. Das Wasser begann zu schäumen. Sprühende
Funken glitten durch die Flut, und große Fische, die Edelsteine am
Maule trugen, tauchten zur Oberfläche empor.
Die Söldner steckten ihnen unter lautem Gelächter die Finger in die
Kiemen und trugen sie zu ihren Tischen.
Es waren die Fische der Barkiden. Sie stammten sämtlich von jenen
Urquappen ab, die das mystische Ei ausgebrütet hatten, aus dem die
Göttin entstanden war. Der Gedanke, einen gottlosen Frevel zu begehen,
reizte die Begierde der Söldner. Flugs machten sie Feuer unter ehernen
Becken und ergötzten sich daran, die schönen Fische im kochenden
Wasser zappeln zu sehen.
Die Söldner schoben und drängten sich. Sie hatten keine Furcht mehr.
Von neuem begannen sie zu zechen. Die Salben, die ihnen von der
Stirn trieften, flossen in schweren Tropfen auf ihre zerrissenen
Waffenröcke. Sie stemmten beide Ellbogen auf die Tische, die ihnen
wie Schiffe zu schwanken schienen, und schauten mit stieren,
trunkenen Blicken umher, um wenigstens mit den Augen zu
verschlingen, was sie nicht mitnehmen konnten. Andre stampften
mitten unter den Schüsseln auf den purpurnen Tischdecken herum und
zertrümmerten mit Fußtritten die Elfenbeinschemel und die tyrischen
Glasgefäße. Gesänge mischten sich in das Röcheln der Sklaven, die
zwischen den Scherben der Trinkgefäße ihr Leben aushauchten. Man
forderte Wein, Fleisch, Gold. Man schrie nach Weibern. Man
phantasierte in hundert Sprachen. Einige glaubten sich im Dampfbade
wegen des Brodems, der sie umwogte. Andre wähnten sich beim
Anblick des Laubwerks auf der Jagd und stürmten auf ihre Gefährten
ein wie auf Wild. Das Feuer sprang von Baum zu Baum, und die hohen
grünen Massen, aus denen lange weiße Rauchkringel emporstiegen,
sahen wie Vulkane aus, die zu qualmen beginnen. Das Geschrei nahm
zu. Im Dunkeln brüllten die verwundeten Löwen.
Mit einem Schlage erhellte sich die oberste Terrasse des Palastes. Die
Mitteltür tat sich auf, und eine weibliche Gestalt, Hamilkars Tochter, in
einem schwarzen Gewande, erschien auf der Schwelle. Sie stieg die
erste Treppe hinab, die schräg vom obersten Stockwerk abwärts lief,
dann die zweite, die dritte. Auf der untersten Terrasse, am oberen Ende
der Freitreppe mit den Schiffsschnäbeln, blieb sie stehen. Unbeweglich
und gesenkten Hauptes schaute sie auf die Soldaten hinab.
Hinter ihr standen zu beiden Seiten zwei lange Reihen bleicher Männer
in weißen rotgesäumten Gewändern, die in senkrechten Falten bis auf
die Füße herabwallten. Sie hatten weder Bärte noch Haare noch Brauen.
In ringfunkelnden Händen trugen sie riesige Lyren, und mit gellenden
Stimmen sangen sie einen Hymnus auf Karthagos Göttlichkeit. Es
waren die Eunuchenpriester aus dem Tempel der Tanit, die Salambo
des öfteren in ihr Haus berief.
Salambo stieg die Galeerentreppe hinunter. Die Priester folgten. Dann
schritt sie die Zypressenallee hin, langsam, zwischen den Tischen der
Hauptleute, die ein wenig zur Seite rückten, als sie vorüberging.
Ihr Haar war mit einer Art violetten Staubes gepudert und nach der
Sitte der kanaanitischen Jungfrauen hochgetürmt. Es ließ sie größer
erscheinen, als
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