Romeo und Juliette | Page 7

William Shakespeare
dem Cupido seine Flügel ab,
und schwingt euch damit empor.**
{ed.-** In dieser Rede, der Antwort des Romeo, und etlichen folgenden
Zeilen, die man gänzlich weglassen mußte, dreht sich alles um
Wortspiele mit (Bound) und (bound, soar) und(sore), und ein paar eben
so frostige Antithesen herum. Alles dieses armselige Zeug findet sich,
wie Pope bemerkt, nicht in der ersten Ausgabe dieses Stüks von 1597.}
Romeo. Ich bin zu hart von seinem Pfeil verwundet, als daß ich mich
auf seinen Flügeln erheben könnte--
Mercutio. Gebt mir ein Futteral, worein ich mein Gesicht steken kan--
(Er nimmt seine Maske ab.)
--Eine Maske für ein Frazen-Gesicht!--wozu brauch ich eine Maske? Es
wird niemand so vorwizig seyn, ein Gesicht wie das meinige genau
anzusehen.
Benvolio. Kommt, wir wollen anklopfen und hineingehn; und wenn wir
einmal drinn sind, dann mag ein jeder seinen Füssen zusprechen.
(Hier fallen noch etliche sinnreiche Wizspiele von der
grammaticalischen Art, zwischen Mercutio und Romeo weg.)
Romeo. Wir gedenken uns bey diesem Ball eine Kurzweil zu machen,
und doch sind wir nicht klug, daß wir gehen.
Mercutio. Warum, wenn man fragen darf?
Romeo. Mir träumte vergangne Nacht--
Mercutio. Mir auch.
Romeo. Gut, was träumte euch?
Mercutio. Daß Träumer manchmal lügen.
Romeo. Ja, in ihrem Bette,*** wo sie oft wahre Dinge träumen.
{ed.-*** Wortspiel mit lie und lye, liegen, und lügen, welches sich zu
gutem Glük übersezen läßt.}
Mercutio. O, dann seh ich, daß ihr einen Besuch von der Königin Mab
gehabt habt. Sie ist die Heb-Amme der Phantasie, kommt bey Nacht,

nicht grösser als ein Agtstein am Zeigfinger eines Aldermanns, und
fährt euch mit einem Gespan von kleinen Atomen über die Nasen der
Schlafenden hin. Ihre Rad-Speichen sind von langen Spinnen-Beinen,
die Deken von Grashüpfers-Flügeln, das Geschirr vom feinsten
Spinnen-Web, die Kummet von Mondscheins-Stralen; ihre Peitsche
von einem Grillen-Bein, und der Riemen von der feinsten Membrane;
ihr Kutscher eine dünne grau-rokichte Schnake, nicht halb so dik als
ein kleiner runder Wurm, den der schleichende Finger eines kleinen
Mädchens aufgestochert hat. Ihr Wagen ist eine leere Hasel-Nuß, von
Schreiner Eichhorn, oder Meister Wurm gemacht, die seit
unfürdenklicher Zeit die Wagner der Feen sind: und in diesem Staat
galloppiert sie, Nacht für Nacht, durch das Gehirn der Verliebten, und
dann träumen sie von Liebe; über die Kniee der Hofleute, welche dann
straks von Aufwartungen; über die Finger der Advocaten, die straks
von Sporteln; über die Lippen der Damen, die straks von Küssen
träumen, aber oft von der erzürnten Mab mit Hiz-Blattern gestraft
werden, wenn ihr Athem nach parfümiertem Zuker-Werk riecht.
Zuweilen galloppiert sie über eines Hofschranzen Nase, und da träumt
er, er hab' eine Pension ausgespürt: ein andermal kommt sie mit dem
Wedel eines Zehend-Schweins in der Hand, und küzelt den
schnarchenden Pfarrer; straks träumt er, daß er eine bessere Pfründe
bekommen habe. Zuweilen fährt sie über eines Soldaten Hals, und da
träumt er von ausländischen Hälsen die er abgeschnitten, von
Friedens-Brüchen, Scharmüzeln, Spanischen Klingen, und fünf-Faden-
tieffen Gesundheiten; dann trummelt sie wieder in seinen Ohren und er
fährt erschroken auf, und erwacht, schwört ein paar Stoß-Gebette, und
schläft wieder ein. Das ist die nemliche Mab, die den Kühen die Milch
aussaugt, und den Pferden im Schlaf die Mähne verstrikt; das ist die
Drutte,
(der Alp,)
welche die Mädchens drükt, wenn sie Nachts auf dem Rüken ligen--
das ist--
Romeo. Stille, Stille, Mercutio, wie lange kanst du von nichts reden?
Mercutio. In der That, ich rede von Träumen, diesen Kindern die ein
müßiges Hirn mit der eiteln Phantasie erzeugt, welche so wenig Leib
hat als die Luft, und unbeständiger ist als der Wind, der nur eben um
den kalten Busen des Nords buhlte, und den Augenblik drauf, in einem

Anstoß von Laune, hinwegstürmt, und sein Gesicht dem thauichten Sud
zudreht.
Benvolio. Dieser Wind von dem ihr euch so gelassen besprecht, bläßt
uns von uns selbst weg; das Gastmal ist indeß vorbey, und wir werden
zu spät kommen.
Romeo. Ich fürchte, nur zu früh--Denn mein Gemüth weissagt mir
irgend eine schwarze noch in den Sternen hangende Begebenheit, die
von den Spielen dieser Nacht ihren furchtbaren Anfang nehmen, und
vielleicht das Ziel meines verhaßten Lebens durch die gewaltsame
Hand eines frühzeitigen Todes beschleunigen wird. Doch Er, der das
Steuer-Ruder meines Lauffes führt, lenk' ihn nach seinem Gefallen!--
Wohlan, meine muntern Freunde!
Benvolio. Rührt die Trummel!--
(Sie ziehen über den Schauplatz, und treten ab.)

Sechste Scene. (Verwandelt sich in eine Halle in Capulets Hause.)
(Etliche Bediente, mit Handtüchern.)
1. Bedienter. Wo ist Potpan, daß er uns nicht aufräumen hilft--er hat
einen Teller weggeschnappt! Er hat einen Teller mit sich gehen
heissen!
2. Bedienter. Wenn gute Manieren alle in eines oder zweener Händen
liegen, und die noch dazu ungewaschen sind, das ist eine garstige
Sache.
1. Bedienter. Fort mit den Lehnstühlen, das kleine Schenk-Tisch'gen
aus dem Wege, seht zu dem Silber-Geschirr; du, guter Freund, mache
daß du mir
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