Romeo und Julia | Page 5

William Shakespeare
worden. Ist mir recht, so
war Ich deine Mutter in demselben Alter, Wo du noch Mädchen bist.
Mit einem Wort: Der brave Paris wirbt um deine Hand.
WÄRTERIN Das ist ein Mann, mein Fräulein! Solch ein Mann, Als
alle Welt--ein wahrer Zuckermann!
GRÄFIN CAPULET Die schönste Blume von Veronas Flor.
WÄRTERIN Ach ja, 'ne Blume! Gelt, 'ne rechte Blume!
GRÄFIN CAPULET Was sagst du? Wie gefällt dir dieser Mann? Heut
abend siehst du ihn bei unserm Fest. Dann lies im Buche seines
Angesichts, In das der Schönheit Griffel Wonne schrieb, Betrachte
seiner Züge Lieblichkeit, Wie jeglicher dem andern Zierde leiht. Was
dunkel in dem holden Buch geblieben, Das lies in seinem Aug am
Rand geschrieben. Und dieses Freiers ungebundner Stand, Dies Buch
der Liebe braucht nur einen Band. Der Fisch lebt in der See, und
doppelt teuer Wird äußres Schön' als innrer Schönheit Schleier. Das
Buch glänzt allermeist im Aug der Welt, Das goldne Lehr in goldnen
Spangen hält. So wirst du alles, was er hat, genießen, Wenn du ihn hast,
ohn etwas einzubüßen.
WÄRTERIN Einbüßen? Nein, zunehmen wird sie eher; Die Weiber
nehmen oft durch Männer zu.
GRÄFIN CAPULET Sag kurz, fühlst du dem Grafen dich geneigt?
JULIA Gern will ich sehn, ob Sehen Neigung zeugt; Doch weiter soll
mein Blick den Flug nicht wagen, Als ihn die Schwingen Eures Beifalls
tragen.

(Ein Diener kommt.)
DIENER Gnädige Frau, die Gäste sind da, das Abendessen auf dem
Tisch; Ihr werdet gerufen, das Fräulein gesucht, die Amme in der
Speisekammer zum Henker gewünscht, und alles geht drunter und
drüber. Ich muß fort, aufwarten; ich bitte Euch, kommt unverzüglich!
GRÄFIN CAPULET Gleich!--
(Der Diener geht ab.)
Paris wartet; Julia, komm geschwind!
WÄRTERIN Such frohe Nacht auf frohe Tage, Kind!
(Alle ab.)

VIERTE SZENE
(Eine Straße)
(Romeo, Mercutio, Benvolio mit fünf oder sechs Masken,
Fackelträgern und anderen.)
ROMEO Soll diese Red uns zur Entschuldgung dienen? Wie? Oder
treten wir nur grad hinein?
BENVOLIO Umschweife solcher Art sind nicht mehr Sitte. Wir wollen
keinen Amor, mit der Schärpe Geblendet, der den bunt bemalten Bogen
Wie ein Tatar geschnitzt aus Latten trägt Und wie 'ne Vogelscheuch die
Frauen schreckt; Auch keinen hergebeteten Prolog, Wobei viel
zugeblasen wird, zum Eintritt. Laßt sie uns nur, wofür sie wollen,
nehmen, Wir nehmen ein paar Tänze mit und gehn.
ROMEO Ich mag nicht springen; gebt mir eine Fackel! Da ich so
finster bin, so will ich leuchten.
MERCUTIO Nein, du mußt tanzen, lieber Romeo.
ROMEO Ich wahrlich nicht! Ihr seid so leicht von Sinn Als leicht
beschuht; mich drückt ein Herz von Blei Zu Boden, daß ich kaum mich
regen kann.
MERCUTIO Ihr seid ein Liebender; borgt Amors Flügel und schwebet
frei in ungewohnten Höhn.
ROMEO Ich bin zu tief von seinem Pfeil durchbohrt, Auf seinen
leichten Schwingen hoch zu schweben. Gewohnte Fesseln lassen mich
nicht frei; Ich sinke unter schwerer Liebeslast.
MERCUTIO Und wolltet Ihr denn in die Liebe sinken? Ihr seid zu
schwer für ein so zartes Ding.
ROMEO Ist Lieb ein zartes Ding? Sie ist zu rauh, Zu wild, zu tobend;

und sie sticht wie Dorn.
MERCUTIO Begegnet Lieb Euch rauh, so tut desgleichen! Stecht
Liebe, wenn sie sticht; das schlägt sie nieder.
(Zu einem andern aus dem Gefolge.)
Gebt ein Gehäuse für mein Antlitz mir:
(Eine Maske aufsetzend.)
'ne Larve für 'ne Larve!
(Bindet die Maske vor.)
Nun erspähe Die Neugier Mißgestalt: was kümmerts mich? Erröten
wird für mich dies Wachsgesicht.
BENVOLIO Fort! Klopft, und dann hinein! Und sind wir drinnen, So
rühre gleich ein jeder flink die Beine!
ROMEO Mir eine Fackel! Leichtgeherzte Buben, Die laßt das Estrich
mit den Sohlen kitzeln. Ich habe mich verbrämt mit einem alten
Großvaterspruch: Wer 's Licht hält, schauet zu! Nie war das Spiel so
schön; doch ich bin matt.
MERCUTIO Jawohl, zu matt, dich aus dem Schlamme--nein, Der
Liebe wollt ich sagen--dich zu ziehn, Worin du leider steckst bis an die
Ohren. Macht fort, wir leuchten ja dem Tage hier.
ROMEO Das tun wir nicht.
MERCUTIO Ich meine, wir verscherzen, Wie Licht bei Tag, durch
Zögern unsre Kerzen. Nehmt meine Meinung nach dem guten Sinn
Und sucht nicht Spiele des Verstandes drin.
ROMEO Wir meinens gut, da wir zum Balle gehen; Doch es ist
Unverstand.
MERCUTIO Wie? Laßt doch sehen!
ROMEO Ich hatte diese Nacht 'nen Traum.
MERCUTIO Auch ich.
ROMEO Was war der Eure?
MERCUTIO Daß auf Träume sich Nichts bauen läßt, daß Träume
öfters lügen.
ROMEO Sie träumen Wahres, weil sie schlafend liegen.
MERCUTIO Nun seh ich wohl, Frau Mab hat Euch besucht.
[ROMEO Frau Mab, wer ist sie?
MERCUTIO] Sie ist der Feenwelt Entbinderin. Sie kommt, nicht
größer als der Edelstein Am Zeigefinger eines Aldermanns, Und fährt
mit 'nem Gespann von Sonnenstäubchen Den Schlafenden quer auf der

Nase hin. Die Speichen sind gemacht aus Spinnenbeinen, Des Wagens
Deck aus eines Heupferds Flügeln, Aus feinem Spinngewebe das
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