Romanzero | Page 5

Heinrich Heine
beglänzet;
Es
ist bewimpelt von buntem Taft,
Von Lorbeern und Blumen bekränzet.

Ein schöner blondgelockter Fant
Steht in des Schiffes Mitte;
Sein
goldgesticktes Purpurgewand
Ist von antikem Schnitte.
Zu seinen Füßen liegen da
Neun marmorschöne Weiber;
Die
hochgeschürzte Tunika
Umschließt die schlanken Leiber.
Der Goldgelockte lieblich singt
Und spielt dazu die Leier;
Ins Herz
der armen Nonne dringt
Das Lied und brennt wie Feuer.
Sie schlägt ein Kreuz, und noch einmal
Schlägt sie ein Kreuz, die
Nonne;
Nicht scheucht das Kreuz die süße Qual,
Nicht bannt es die
bittre Wonne.
II
Ich bin der Gott der Musika,
Verehrt in allen Landen;
Mein Tempel
hat in Gräcia,
Auf Mont-Parnaß gestanden.
Auf Mont-Parnaß in Gräcia,
Da hab ich oft gesessen
Am holden
Quell Kastalia,
Im Schatten der Zypressen.
Vokalisierend saßen da
Um mich herum die Töchter,
Das sang und
klang la-la, la-la!
Geplauder und Gelächter.
Mitunter rief tra-ra, tra-ra!
Ein Waldhorn aus dem Holze;
Dort jagte
Artemisia,
Mein Schwesterlein, die Stolze.
Ich weiß es nicht, wie mir geschah:
Ich brauchte nur zu nippen

Vom Wasser der Kastalia,
Da tönten meine Lippen.
Ich sang - und wie von selbst beinah
Die Leier klang, berauschend;

Mir war, als ob ich Daphne sah,
Aus Lorbeerbüschen lauschend.
Ich sang - und wie Ambrosia
Wohlrüche sich ergossen,
Es war von
einer Gloria
Die ganze Welt umflossen.

Wohl tausend Jahr aus Gräcia
Bin ich verbannt, vertrieben
Doch ist
mein Herz in Gräcia,
In Gräcia geblieben.
III
In der Tracht der Beguinen,
In dem Mantel mit der Kappe
Von der
gröbsten schwarzen Sersche,
Ist vermummt die junge Nonne.
Hastig längs des Rheines Ufern
Schreitet sie hinab die Landstraß,

Die nach Holland fährt, und hastig
Fragt sie jeden, der vorbeikommt:
»Habt ihr nicht gesehn Apollo?
Einen roten Mantel trägt er,

Lieblich singt er, spielt die Leier,
Und er ist mein holder Abgott.«
Keiner will ihr Rede stehen,
Mancher dreht ihr stumm den Rücken,

Mancher glotzt sie an und lächelt,
Mancher seufzet: Armes Kind!
Doch des Wegs herangetrottelt
Kommt ein schlottrig alter Mensch,

Fingert in der Luft, wie rechnend,
Näselnd singt er vor sich hin.
Einen schlappen Quersack trägt er,
Auch ein klein dreieckig Hütchen;

Und mit schmunzelnd klugen Äuglein
Hört er an den Spruch der
Nonne:
»Habt ihr nicht gesehn Apollo?
Einen roten Mantel trägt er,

Lieblich singt er, spielt die Leier,
Und er ist mein holder Abgott.«
Jener aber gab zur Antwort,
Während er sein Köpfchen wiegte
Hin
und her, und gar possierlich
Zupfte an dem spitzen Bärtchen:
Ob ich ihn gesehen habe?
Ja, ich habe ihn gesehen
Oft genug zu
Amsterdam,
In der deutschen Synagoge.
Denn er war Vorsänger dorten,
Und da hieß er Rabbi Faibisch,
Was
auf Hochdeutsch heißt Apollo -
Doch mein Abgott ist er nicht.

Roter Mantel? Auch den roten
Mantel kenn ich. Echter Scharlach,

Kostet acht Florin die Elle,
Und ist noch nicht ganz bezahlt.
Seinen Vater Moses Jitscher
Kenn ich gut. Vorhautabschneider
Ist
er bei den Portugiesen.
Er beschnitt auch Souveräne.
Seine Mutter ist Cousine
Meines Schwagers, und sie handelt
Auf
der Gracht mit sauern Gurken
Und mit abgelebten Hosen.
Haben kein Pläsier am Sohne.
Dieser spielt sehr gut die Leier,
Aber
leider noch viel besser
Spielt er oft Tarock und L'hombre.
Auch ein Freigeist ist er, aß
Schweinefleisch, verlor sein Amt,
Und
er zog herum im Lande
Mit geschminkten Komödianten.
In den Buden, auf den Märkten,
Spielte er den Pickelhering,

Holofernes, König David,
Diesen mit dem besten Beifall.
Denn des Königs eigne Lieder
Sang er in des Königs eigner

Muttersprache, tremulierend
In des Nigens alter Weise.
Aus dem Amsterdamer Spielhuis
Zog er jüngst etwelche Dirnen,

Und mit diesen Musen zieht er
Jetzt herum als ein Apollo.
Eine dicke ist darunter,
Die vorzüglich quiekt und grünzelt;
Ob dem
großen Lorbeerkopfputz
Nennt man sie die grüne Sau.
Kleines Volk
In einem Pißpott kam er geschwommen,
Hochzeitlich geputzt, hinab
den Rhein.
Und als er nach Rotterdam gekommen,
Da sprach er:
»Juffräuken, willst du mich frein?
»Ich führe dich, geliebte Schöne,
Nach meinem Schloß, ins
Brautgemach;
Die Wände sind eitel Hobelspäne,
Aus Häckerling
besteht das Dach.

»Da ist es so puppenniedlich und nette,
Da lebst du wie eine Königin!

Die Schale der Walnuß ist unser Bette,
Von Spinnweb sind die
Laken drin.
»Ameiseneier, gebraten in Butter,
Essen wir täglich, auch
Würmchengemüs,
Und später erb ich von meiner Frau Mutter
Drei
Nonnenfürzchen, die schmecken so süß.
»Ich habe Speck, ich habe Schwarten,
Ich habe Fingerhüte voll Wein,

Auch wächst eine Rübe in meinem Garten,
Du wirst wahrhaftig
glücklich sein!«
Das war ein Locken und ein Werben!
Wohl seufzte die Braut: ach
Gott! ach Gott!
Sie war wehmütig, wie zum Sterben -
Doch endlich
stieg sie hinab in den Pott.
*
Sind Christenleute oder Mäuse
Die Helden des Lieds? Ich weiß es
nicht mehr.
Im Beverland hört ich die schnurrige Weise,
Es sind
nun dreißig Jahre her.
Zwei Ritter
Crapülinski und Waschlapski,
Polen aus der Polackei,
Fochten für
die Freiheit, gegen
Moskowiter-Tyrannei.
Fochten tapfer und entkamen
Endlich glücklich nach Paris -
Leben
bleiben, wie das Sterben
Für das Vaterland, ist süß.
Wie Achilles und Patroklus,
David und sein Jonathan,
Liebten sich
die beiden Polen,
Küßten sich: »Kochan! Kochan!«
Keiner je verriet den Andern,
Blieben Freunde, ehrlich, treu,
Ob sie
gleich zwei edle Polen,
Polen aus der Polackei.

Wohnten in derselben Stube,
Schliefen in demselben Bette;
Eine
Laus und eine Seele,
Kratzten sie sich um die Wette.
Speisten in derselben Kneipe,
Und da keiner wollte leiden,
Daß der
Andre für ihn zahle,
Zahlte keiner von den Beiden.
Auch dieselbe Henriette
Wäscht für beide edle Polen;
Trällernd
kommt sie jeden Monat,
Um die Wäsche abzuholen.
Ja, sie haben wirklich Wäsche,
Jeder hat der Hemden zwei,
Ob sie
gleich zwei edle Polen,
Polen aus der Polackei.
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