Romanzero | Page 4

Heinrich Heine
die Köhlerkinder -

Eiapopeia - nicht mehr an Gott,
Und an den König noch minder.
Das Kätzchen ist tot, die Mäuschen sind froh -
Wir müssen zu
Schanden werden -
Eiapopeia - im Himmel der Gott
Und ich, der
König auf Erden.
Mein Mut erlischt, mein Herz ist krank,
Und täglich wird es kränker -

Eiapopeia - du Köhlerkind,
Ich weiß es, du bist mein Henker.
Mein Todesgesang ist dein Wiegenlied -
Eiapopeia - die greisen

Haarlocken schneidest du ab zuvor -
Im Nacken klirrt mir das Eisen.
Eiapopeia, was raschelt im Stroh?
Du hast das Reich erworben,

Und schlägst mir das Haupt vom Rumpf herab -
Das Kätzchen ist
gestorben.
Eiapopeia, was raschelt im Stroh?
Es blöken im Stalle die Schafe.

Das Kätzchen ist tot, die Mäuschen sind froh -
Schlafe, mein
Henkerchen, schlafe!

Maria Antoinette
Wie heiter im Tuilerienschloß
Blinken die Spiegelfenster,
Und
dennoch dort am hellen Tag
Gehn um die alten Gespenster.
Es spukt im Pavillon de Flor'
Maria Antoinette;
Sie hält dort
Morgens ihr Lever
Mit strenger Etikette.
Geputzte Hofdamen. Die meisten stehn,
Auf Tabourets andre sitzen;

Die Kleider von Atlas und Goldbrokat,
Behängt mit Juwelen und
Spitzen.
Die Taille ist schmal, der Reifrock bauscht,
Darunter lauschen die
netten
Hochhackigen Füßchen so klug hervor -
Ach, wenn sie nur
Köpfe hätten!
Sie haben alle keinen Kopf,
Der Königin selbst manquieret
Der
Kopf, und Ihro Majestät
Ist deshalb nicht frisieret.
Ja, Sie, die mit turmhohem Toupet
So stolz sich konnte gebaren,

Die Tochter Maria Theresias,
Die Enkelin deutscher Cäsaren,
Sie muß jetzt spuken ohne Frisur
Und ohne Kopf, im Kreise
Von
unfrisierten Edelfraun,
Die kopflos gleicherweise.
Das sind die Folgen der Revolution
Und ihrer fatalen Doktrine;
An
Allem ist Schuld Jean Jacques Rousseau,
Voltaire und die Guillotine.
Doch sonderbar! es dünkt mich schier,
Als hätten die armen
Geschöpfe
Gar nicht bemerkt, wie tot sie sind
Und daß sie verloren
die Köpfe.
Ein leeres Gespreize, ganz wie sonst,
Ein abgeschmacktes
Scherwenzen -
Possierlich sind und schauderhaft
Die kopflosen
Reverenzen.

Es knixt die erste Dame d'atour
Und bringt ein Hemd von Linnen;

Die zweite reicht es der Königin,
Und beide knixen von hinnen.
Die dritte Dam und die vierte Dam
Knixen und niederknieen
Vor
Ihrer Majestät, um Ihr
Die Strümpfe anzuziehen.
Ein Ehrenfräulein kommt und knixt
Und bringt das Morgenjäckchen;

Ein andres Fräulein knixt und bringt
Der Königin Unterröckchen.
Die Oberhofmeisterin steht dabei,
Sie fächert die Brust, die weiße,

Und in Ermanglung eines Kopfs
Lächelt sie mit dem Steiße.
Wohl durch die verhängten Fenster wirft
Die Sonne neugierige
Blicke,
Doch wie sie gewahrt den alten Spuk,
Prallt sie erschrocken
zurücke.
Pomare
I
Alle Liebesgötter jauchzen
Mir im Herzen, und Fanfare
Blasen sie
und rufen: Heil!
Heil der Königin Pomare!
Jene nicht von Otahaiti -
Missionärisiert ist jene -
Die ich meine,
die ist wild,
Eine ungezähmte Schöne.
Zweimal in der Woche zeigt sie
Öffentlich sich ihrem Volke
In dem
Garten Mabill, tanzt
Dort den Cancan, auch die Polke.
Majestät in jedem Schritte,
Jede Beugung Huld und Gnade,
Eine
Fürstin jeder Zoll
Von der Hüfte bis zur Wade -
Also tanzt sie - und es blasen
Liebesgötter die Fanfare
Mir im
Herzen, rufen: Heil!
Heil der Königin Pomare!
II

Sie tanzt. Wie sie das Leibchen wiegt!
Wie jedes Glied sich zierlich
biegt!
Das ist ein Flattern und ein Schwingen,
Um wahrlich aus der
Haut zu springen.
Sie tanzt. Wenn sie sich wirbelnd dreht
Auf einem Fuß, und stille
steht
Am End mit ausgestreckten Armen,
Mag Gott sich meiner
Vernunft erbarmen!
Sie tanzt. Derselbe Tanz ist das,
Den einst die Tochter Herodias'

Getanzt vor dem Judenkönig Herodes.
Ihr Auge sprüht wie Blitze des
Todes.
Sie tanzt mich rasend - ich werde toll -
Sprich, Weib, was ich dir
schenken soll?
Du lächelst? Heda! Trabanten! Läufer!
Man schlage
ab das Haupt dem Täufer!
III
Gestern noch fürs liebe Brot
Wälzte sie sich tief im Kot,
Aber heute
schon mit Vieren
Fährt das stolze Weib spazieren.
In die seidnen Kissen drückt
Sie das Lockenhaupt, und blickt

Vornehm auf den großen Haufen
Derer, die zu Fuße laufen.
Wenn ich dich so fahren seh,
Tut es mir im Herzen weh!
Ach, es
wird dich dieser Wagen
Nach dem Hospitale tragen,
Wo der grausenhafte Tod
Endlich endigt deine Not,
Und der
Carabin mit schmierig
Plumper Hand und lernbegierig
Deinen schönen Leib zerfetzt,
Anatomisch ihn zersetzt -
Deine
Rosse trifft nicht minder
Einst zu Montfaucon der Schinder.
IV
Besser hat es sich gewendet,
Das Geschick, das dich bedroht' -
Gott

sei Dank, du hast geendet,
Gott sei Dank, und du bist tot.
In der Dachstub deiner armen
Alten Mutter starbest du,
Und sie
schloß dir mit Erbarmen
Deine schönen Augen zu.
Kaufte dir ein gutes Lailich,
Einen Sarg, ein Grab sogar.
Die
Begräbnisfeier freilich
Etwas kahl und ärmlich war.
Keinen Pfaffen hört' man singen,
Keine Glocke klagte schwer;

Hinter deiner Bahre gingen
Nur dein Hund und dein Friseur.
»Ach, ich habe der Pomare«,
Seufzte dieser, »oft gekämmt
Ihr
langen schwarzen Haare,
Wenn sie vor mir saß im Hemd.«
Was den Hund betrifft, so rannt er
Schon am Kirchhofstor davon,

Und ein Unterkommen fand er
Späterhin bei Ros' Pompon,
Ros' Pompon, der Provenzalin,
Die den Namen Königin
Dir
mißgönnt und als Rivalin
Dich verklatscht mit niederm Sinn.
Arme Königin des Spottes,
Mit dem Diadem von Kot,
Bist gerettet
jetzt durch Gottes
Ewge Güte, du bist tot.
Wie die Mutter, so der Vater
Hat Barmherzigkeit geübt,
Und ich
glaube, dieses tat er,
Weil auch du so viel geliebt.
Der Apollogott
I
Das Kloster ist hoch auf Felsen gebaut,
Der Rhein vorüberrauschet;

Wohl durch das Gitterfenster schaut
Die junge Nonne und lauschet.
Da fährt ein Schifflein, märchenhaft
Vom Abendrot
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