Romanzero | Page 3

Heinrich Heine
Menge
im Saale
Und weichet scheusam - die Herzogin
Stürzt fort zu ihrem

Gemahle.
Der Herzog ist klug, er tilgte die Schmach
Der Gattin auf der Stelle.

Er zog sein blankes Schwert und sprach:
Knie vor mir nieder,
Geselle!
Mit diesem Schwertschlag mach ich dich
Jetzt ehrlich und
ritterzünftig,
Und weil du ein Schelm, so nenne dich
Herr Schelm
von Bergen künftig.
So ward der Henker ein Edelmann
Und Ahnherr der Schelme von
Bergen.
Ein stolzes Geschlecht! es blühte am Rhein.
Jetzt schläft es
in steinernen Särgen.
Valkyren
Unten Schlacht. Doch oben schossen
Durch die Luft auf
Wolkenrossen
Drei Valkyren, und es klang
Schilderklirrend ihr
Gesang:
Fürsten hadern, Völker streiten,
Jeder will die Macht erbeuten;

Herrschaft ist das höchste Gut,
Höchste Tugend ist der Mut.
Heisa! vor dem Tod beschützen
Keine stolzen Eisenmützen,
Und
das Heldenblut zerrinnt
Und der schlechtre Mann gewinnt.
Lorbeerkränze, Siegesbogen!
Morgen kommt er eingezogen,
Der
den Bessern überwand
Und gewonnen Leut und Land.
Bürgermeister und Senator
Holen ein den Triumphator,
Tragen ihm
die Schlüssel vor,
Und der Zug geht durch das Tor.
Hei! da böllerts von den Wällen,
Zinken und Trompeten gellen,

Glockenklang erfüllt die Luft,
Und der Pöbel Vivat! ruft.
Lächelnd stehen auf Balkonen
Schöne Fraun, und Blumenkronen


Werfen sie dem Sieger zu.
Dieser grüßt mit stolzer Ruh.
Schlachtfeld bei Hastings
Der Abt von Waltham seufzte tief,
Als er die Kunde vernommen,

Daß König Harold elendiglich
Bei Hastings umgekommen.
Zwei Mönche, Asgod und Ailrik genannt,
Die schickt' er aus als
Boten,
Sie sollten suchen die Leiche Harolds
Bei Hastings unter
den Toten.
Die Mönche gingen traurig fort
Und kehrten traurig zurücke:

»Hochwürdiger Vater, die Welt ist uns gram,
Wir sind verlassen vom
Glücke.
»Gefallen ist der beßre Mann,
Es siegte der Bankert, der schlechte,

Gewappnete Diebe verteilen das Land
Und machen den Freiling zum
Knechte.
»Der lausigste Lump aus der Normandie
Wird Lord auf der Insel der
Britten;
Ich sah einen Schneider aus Bayeux, er kam
Mit goldnen
Sporen geritten.
»Weh dem, der jetzt ein Sachse ist!
Ihr Sachsenheilige droben
Im
Himmelreich, nehmt euch in Acht,
Ihr seid der Schmach nicht
enthoben.
»Jetzt wissen wir, was bedeutet hat
Der große Komet, der heuer

Blutrot am nächtlichen Himmel ritt
Auf einem Besen von Feuer.
»Bei Hastings in Erfüllung ging
Des Unsterns böses Zeichen,
Wir
waren auf dem Schlachtfeld dort
Und suchten unter den Leichen.
»Wir suchten hin, wir suchten her,
Bis alle Hoffnung verschwunden

Den Leichnam des toten Königs Harold,
Wir haben ihn nicht
gefunden.«

Asgod und Ailrik sprachen also;
Der Abt rang jammernd die Hände,

Versank in tiefe Nachdenklichkeit
Und sprach mit Seufzen am
Ende:
»Zu Grendelfield am Bardenstein,
Just in des Waldes Mitte,
Da
wohnet Edith Schwanenhals
In einer dürftgen Hütte.
»Man hieß sie Edith Schwanenhals,
Weil wie der Hals der Schwäne

Ihr Nacken war; der König Harold,
Er liebte die junge Schöne.
»Er hat sie geliebt, geküßt und geherzt,
Und endlich verlassen,
vergessen.
Die Zeit verfließt; wohl sechzehn Jahr
Verflossen
unterdessen.
»Begebt euch, Brüder, zu diesem Weib
Und laßt sie mit euch gehen

Zurück nach Hastings, der Blick des Weibs
Wird dort den König
erspähen.
»Nach Waltham-Abtei hierher alsdann
Sollt ihr die Leiche bringen,

Damit wir christlich bestatten den Leib
Und für die Seele singen.«
Um Mitternacht gelangten schon
Die Boten zur Hütte im Walde:

»Erwache, Edith Schwanenhals,
Und folge uns alsbalde.
»Der Herzog der Normannen hat
Den Sieg davongetragen,
Und auf
dem Feld bei Hastings liegt
Der König Harold erschlagen.
»Kommt mit nach Hastings, wir suchen dort
Den Leichnam unter den
Toten,
Und bringen ihn nach Waltham-Abtei,
Wie uns der Abt
geboten.«
Kein Wort sprach Edith Schwanenhals,
Sie schürzte sich geschwinde

Und folgte den Mönchen; ihr greisendes Haar
Das flatterte wild im
Winde.
Es folgte barfuß das arme Weib
Durch Sümpfe und Baumgestrüppe.


Bei Tagesanbruch gewahrten sie schon
Zu Hastings die kreidige
Klippe.
Der Nebel, der das Schlachtfeld bedeckt
Als wie ein weißes Lailich,

Zerfloß allmählig; es flatterten auf
Die Dohlen und krächzten
abscheulich.
Viel tausend Leichen lagen dort
Erbärmlich auf blutiger Erde,

Nackt ausgeplündert, verstümmelt, zerfleischt,
Daneben die Äser der
Pferde.
Es wadete Edith Schwanenhals
Im Blute mit nackten Füßen;
Wie
Pfeile aus ihrem stieren Aug
Die forschenden Blicke schießen.
Sie suchte hin, sie suchte her,
Oft mußte sie mühsam verscheuchen

Die fraßbegierige Rabenschar;
Die Mönche hinter ihr keuchen.
Sie suchte schon den ganzen Tag,
Es ward schon Abend - plötzlich

Bricht aus der Brust des armen Weibs
Ein geller Schrei, entsetzlich.
Gefunden hat Edith Schwanenhals
Des toten Königs Leiche.
Sie
sprach kein Wort, sie weinte nicht,
Sie küßte das Antlitz, das bleiche.
Sie küßte die Stirne, sie küßte den Mund,
Sie hielt ihn fest
umschlossen;
Sie küßte auf des Königs Brust
Die Wunde
blutumflossen.
Auf seiner Schulter erblickt sie auch -
Und sie bedeckt sie mit Küssen
-
Drei kleine Narben, Denkmäler der Lust,
Die sie einst hinein
gebissen.
Die Mönche konnten mittlerweil
Baumstämme zusammenfugen;

Das war die Bahre, worauf sie alsdann
Den toten König trugen.
Sie trugen ihn nach Waltham-Abtei,
Daß man ihn dort begrübe;
Es
folgte Edith Schwanenhals
Der Leiche ihrer Liebe.

Sie sang die Totenlitanein
In kindisch frommer Weise;
Das klang
so schauerlich in der Nacht -
Die Mönche beteten leise. -
Karl I.
Im Wald, in der Köhlerhütte, sitzt
Trübsinnig allein der König;
Er
sitzt an der Wiege des Köhlerkinds
Und wiegt und singt eintönig:
Eiapopeia, was raschelt im Stroh?
Es blöken im Stalle die Schafe -

Du trägst das Zeichen an der Stirn
Und lächelst so furchtbar im
Schlafe.
Eiapopeia, das Kätzchen ist tot -
Du trägst auf der Stirne das Zeichen
-
Du wirst ein Mann und schwingst das Beil,
Schon zittern im
Walde die Eichen.
Der alte Köhlerglaube verschwand,
Es glauben
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