Romanzero | Page 2

Heinrich Heine
schwarze Eunucken.
Man bringt auf einer güldnen Schüssel
Die leckersten Bissen für
seinen Rüssel;
Er schlürft aus silbernen Eimern den Wein,
Gewürzt
mit den süßesten Spezerein.
Man salbt ihn mit Ambra und Rosenessenzen,
Man schmückt sein
Haupt mit Blumenkränzen;
Als Fußdecke dienen dem edlen Tier

Die kostbarsten Schals aus Kaschimir.
Das glücklichste Leben ist ihm beschieden,
Doch Niemand auf Erden
ist zufrieden.
Das edle Tier, man weiß nicht wie,
Versinkt in tiefe

Melancholie.
Der weiße Melancholikus
Steht traurig mitten im Überfluß.
Man
will ihn ermuntern, man will ihn erheitern,
Jedoch die klügsten
Versuche scheitern.
Vergebens kommen mit Springen und Singen
Die Bajaderen;
vergebens erklingen
Die Zinken und Pauken der Musikanten,
Doch
nichts erlustigt den Elefanten.
Da täglich sich der Zustand verschlimmert,
Wird Mahawasantes Herz
bekümmert;
Er läßt vor seines Thrones Stufen
Den klügsten
Astrologen rufen.
»Sterngucker, ich laß dir das Haupt abschlagen«,
Herrscht er ihn an,
»kannst du mir nicht sagen,
Was meinem Elefanten fehle,
Warum
so verdüstert seine Seele?«
Doch jener wirft sich dreimal zur Erde,
Und endlich spricht er mit
ernster Gebärde:
»O König, ich will dir die Wahrheit verkünden,

Du kannst dann handeln nach Gutbefinden.
»Es lebt im Norden ein schönes Weib
Von hohem Wuchs und
weißem Leib,
Dein Elefant ist herrlich, unleugbar,
Doch ist er nicht
mit ihr vergleichbar.
»Mit ihr verglichen, erscheint er nur
Ein weißes Mäuschen. Es mahnt
die Statur
An Bimha, die Riesin, im Ramajana,
Und an der Epheser
große Diana.
»Wie sich die Gliedermassen wölben
Zum schönsten Bau! Es tragen
dieselben
Anmutig und stolz zwei hohe Pilaster
Von blendend
weißem Alabaster.
»Das ist Gott Amors kolossale
Domkirche, der Liebe Kathedrale;

Als Lampe brennt im Tabernakel
Ein Herz, das ohne Falsch und

Makel.
»Die Dichter jagen vergebens nach Bildern,
Um ihre weiße Haut zu
schildern;
Selbst Gautier ist dessen nicht kapabel, -
O diese Weiße
ist implacable!
»Des Himalaya Gipfelschnee
Erscheint aschgrau in ihrer Näh;
Die
Lilje, die ihre Hand erfaßt,
Vergilbt durch Eifersucht oder Kontrast.
»Gräfin Bianka ist der Name
Von dieser großen weißen Dame;
Sie
wohnt zu Paris im Frankenland,
Und diese liebt der Elefant.
»Durch wunderbare Wahlverwandtschaft,
Im Traume machte er ihre
Bekanntschaft,
Und träumend in sein Herze stahl
Sich dieses hohe
Ideal.
»Sehnsucht verzehrt ihn seit jener Stund,
Und er, der vormals so froh
und gesund,
Er ist ein vierfüßiger Werther geworden,
Und träumt
von einer Lotte im Norden.
»Geheimnisvolle Sympathie!
Er sah sie nie und denkt an sie.
Er
trampelt oft im Mondschein umher
Und seufzet: wenn ich ein
Vöglein wär!
»In Siam ist nur der Leib, die Gedanken
Sind bei Bianka im Lande
der Franken;
Doch diese Trennung von Leib und Seele
Schwächt
sehr den Magen, vertrocknet die Kehle.
»Die leckersten Braten widern ihn an,
Er liebt nur Dampfnudeln und
Ossian,
Er hüstelt schon, er magert ab,
Die Sehnsucht schaufelt sein
frühes Grab.
»Willst du ihn retten, erhalten sein Leben,
Der Säugetierwelt ihn
wiedergeben,
O König, so schicke den hohen Kranken
Direkt nach
Paris, der Hauptstadt der Franken.

»Wenn ihn alldort in der Wirklichkeit
Der Anblick der schönen Frau
erfreut,
Die seiner Träume Urbild gewesen,
Dann wird er von
seinem Trübsinn genesen.
»Wo seiner Schönen Augen strahlen,
Da schwinden seiner Seele
Qualen;
Ihr Lächeln verscheucht die letzten Schatten,
Die hier sich
eingenistet hatten;
»Und ihre Stimme, wie'n Zauberlied,
Löst sie den Zwiespalt in
seinem Gemüt;
Froh hebt er wieder die Lappen der Ohren,
Er fühlt
sich verjüngt, wie neugeboren.
»Es lebt sich so lieblich, es lebt sich so süß
Am Seinestrand, in der
Stadt Paris!
Wie wird sich dorten zivilisieren
Dein Elefant und
amüsieren!
»Vor allem aber, o König, lasse
Ihm reichlich füllen die Reisekasse,

Und gib ihm einen Kreditbrief mit
Auf Rothschild frères in der rue
Lafitte.
»Ja, einen Kreditbrief von einer Million
Dukaten etwa; - der Herr
Baron
Von Rothschild sagt von ihm alsdann:
Der Elefant ist ein
braver Mann!«
So sprach der Astrolog, und wieder
Warf er sich dreimal zur Erde
nieder.
Der König entließ ihn mit reichen Geschenken,
Und streckte
sich aus, um nachzudenken.
Er dachte hin, er dachte her;
Das Denken wird den Königen schwer.

Sein Affe sich zu ihm niedersetzt,
Und beide schlafen ein zuletzt.
Was er beschlossen, das kann ich erzählen
Erst später; die indischen
Mall'posten fehlen.
Die letzte, welche uns zugekommen,
Die hat
den Weg über Suez genommen.
Schelm von Bergen

Im Schloß zu Düsseldorf am Rhein
wird Mummenschanz gehalten;

Da flimmern die Kerzen, da rauscht die Musik,
Da tanzen die bunten
Gestalten.
Da tanzt die schöne Herzogin,
Sie lacht laut auf beständig;
Ihr
Tänzer ist ein schlanker Fant,
Gar höfisch und behendig.
Er trägt eine Maske von schwarzem Samt,
Daraus gar freudig blicket

Ein Auge, wie ein blanker Dolch,
Halb aus der Scheide gezücket.
Es jubelt die Fastnachtsgeckenschar,
Wenn jene vorüberwalzen.

Der Drickes und die Marizzebill
Grüßen mit Schnarren und
Schnalzen.
Und die Trompeten schmettern drein,
Der närrische Brummbaß
brummet,
Bis endlich der Tanz ein Ende nimmt
Und die Musik
verstummet.
»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Ich muß nach Hause gehen
-«
Die Herzogin lacht: Ich laß dich nicht fort,
Bevor ich dein
Antlitz gesehen.
»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Mein Anblick bringt
Schrecken und Grauen -«
Die Herzogin lacht: Ich fürchte mich nicht,

Ich will dein Antlitz schauen.
»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Der Nacht und dem Tode
gehör ich -«
Die Herzogin lacht: Ich lasse dich nicht,
Dein Antlitz
zu schauen begehr ich.
Wohl sträubt sich der Mann mit finsterm Wort,
Das Weib nicht
zähmen kunnt er;
Sie riß zuletzt ihm mit Gewalt
Die Maske vom
Antlitz herunter.
Das ist der Scharfrichter von Bergen! so schreit
Entsetzt die
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