Gott zurückgezogen.
In dem Kloster zu Sankt Claren
Ward sie endlich aufgenommen.
Und im heilgen Kleid begraben
Als ein Mitglied jenes Ordens.
Sterbend hat sie mir gestanden,
Daß ich ihre Findeltochter,
Und mir
Zeit und Ort gesaget,
Da ich bin gefunden worden,
In dem Tüchlein eingeschlagen,
Mit dem Bilde jener Nonne,
Und
dem Ringlein, das ich trage,
Am Altare bei dem Bronnen.
Heute sind es zwanzig Jahre;
Freitag nachts, als aus der Oper
Einsam sie nach Haus gegangen,
Nahm sie auf mich von dem Boden.
Hat mit mir sich in der Kammer
Mutterheimlich eingeschlossen,
Und von den gemalten Wangen
Liebestränen auf mich flossen.
Da sie sterbend mir dies sagte,
Fragt ich: wer hat mich geboren?
Doch sie konnte mirs nicht sagen,
Ihre Lippe war verschlossen.
Ihre Blicke, aufgeschlagen,
Sahen nach dem Bild der Nonne,
Und
auf ihre bleichen Wangen
Kalte Tränen niederflossen,
Die noch traurig darauf standen
Als ich ihr das Aug geschlossen;
Und so sind mit ihr mir Armen
Beide Mütter mir gestorben:
Die mich hilflos mußte lassen
Als sie mich zum Lichte geboren,
Die mich treu in ihre Arme
Als ein Kind hat aufgenommen.
Heute nun zum letzten Male
Will ich tanzen in der Oper,
Will ich
meine Wangen malen
Meiner Lehrerin zum Lobe,
In der Künste bunter Flamme
Ihrem Leben noch dies Opfer,
Und
dann fromm die jungen Tage
Opfern ihrem selgen Tode."
Alles höret Rosablanke,
Dinge, die sie nie vernommen,
Über
manches möcht sie fragen,
Stünd der Schrank nicht vor ihr offen.
Lange steht sie vor den Masken,
Wie umgafft von fremden Volke;
Kindisch wagt sie nicht zu fragen,
Wer die Augen ausgestochen.
Doch fragt sie bei Armors Larve,
Der ein Band von leichtem Flore
Um die Augen war gefaltet:
"Ist ihm auch das Aug genommen?" --
"Da ich einstens trug die Larve,
Sprach Apone unterm Volke:
Wer
darf deine Mutter tadeln,
Wenn du spielst des Vaters Rolle!
Da erglühten meine Wangen,
Durch die Maskenöffnung rollten
Heiße Tränen, und die Farben
Um die Augen her verloschen.
Darum hab ich mit dem Bande
Diesen Schaden schnell verborgen,
Und blieb ferner an dem Abend
Von dem Toren unverspottet.
Aber nun sollst du die Haare
Mir für heute Abend ordnen,
Wie um
eine Silbernadel
Du die deinen hast geflochten.
Willst du mir die Zöpfe machen?
Ich knie nieder an den Boden,
Und indessen sollst du sagen,
Wer dein Vater, wo du wohnest."
Und sie flicht Biondettens Haare,
Windet sie in feste Knoten,
Während sie vom Rosengarten
Spricht und von dem Vater Kosme.
Wie im Traume heut die Schlange
Gegen sie emporgeschossen,
Wo
der ernste Mann gegraben,
Der versunken in den Boden.
Wie dann später am Altare
Sie ihn wieder angetroffen:
"Ach, da
hört ich deine Harfe,
Hab mit ihm den Kranz geflochten!
Und jetzt hat der blonde Knabe
Mit dem Lamme und dem Vogel
Zu
bedenken ernst ermahnet,
Was der ernste Mann gesprochen.
Ach, ich bin mit Angst umfangen!
Mich umdrängen diesen Morgen
Jener Mann, der Knab, die Schlange,
Du, dein Glanz, das Bild der
Nonne!
Beten will ich noch heut Abend,
Beten, recht von Herzen, morgen
An der armen Mutter Grabe,
Die mich sterbend hat geboren.
Auch sie ruhet bei Sankt Claren;
Ich hab morgen angeordnet
Ihre
Messe, eh es taget;
Willst auch du hin beten kommen?
Aber halte fest, du wankest!
Sieht, jetzt durch den Flechtenknoten
Steck ich meine Silbernadel,
Bleib der Geberin gewogen!"
Und Biondetta spricht: "Die Nadel
Will ich heut ins Herz mir stoßen,
Wenn ich auf des Spieles Bahnen
Mich dem schönsten Tode opfre.
Wenn die Fluten des Gesanges
Weltlich alle sind zerronnen,
Wenn
die Schwingungen des Tanzes
Alle nieder sind gezogen.
Wenn die Saiten meiner Harfe
Weltlich alle sind gebrochen,
Denk
ich deiner, Rosablanke,
Dient die Nadel mir zum Dolche!
Und das Ringlein, das ich trage,
Das mit mir gefunden worden,
Nimm es hin zur Gegengabe!
Also bin ich dir gewogen!
Aber wähl auch aus dem Schranke
Irgend ein Gewand dir, Holde!
Zur Erinnrung dieses Tages
Zeige es dem Vater Kosme.
Morgen will ich Sankt Claren
Zu der Totenmesse kommen,
Und
dann dir zum Rosengarten
Deines ernsten Vaters folgen."
Lange wählet Rosablanke
Welch Gewand sie nehmen sollte,
Und
Biondetta singt zur Harfe,
Ihre Rolle wiederholend:
"Lebet wohl, ihr falschen Farben,
Eitler Tränen Regenbogen,
Sterne,
die mit falschem Glanze
Dienten einem Flittermonde!
Meine Tränen sollen wachsen,
Daß sie mit den bittern Wogen
Ganz
mein Irdsches überwallen,
Bis die Schuld ist hingenommen.
Aus dem Argen in die Arche
Geh ich, eine Tochter Noä,
Kleide
mich in schwarzer Farbe,
Wie der Rabe ausgeflogen.
Kleide schwarz mich gleich dem Raben,
Der als Bote ausgeflogen,
Und so traurig auf den Wassern
Schwebte, bis sie abgenommen.
Schleire mich mit weißer Farbe
Gleich der Taube, die als Bote
Wiederkehrte mit dem Blatte,
Das dem Friedensbaum entsprossen.
Sei gegrüßt, du Tag der Gnade!
Durch den Friedensbogen Gottes
Will ich zu den Vätern wallen
Auf der Opferflamme Wolken."
Also sang sie. Rosablanke
Wählt das Röcklein einer Nonne,
Weiß
den Schleier, schwarz den Mantel,
Wie die beiden Friedensboten.
Da sie dies im Korb bewahret,
Und ihn auf das Haupt gehoben,
Singen scheidend sie zusammen,
Wie Biondetta angehoben:
"Lebet wohl, ihr falschen Farben,
Eitler Tränen Regenbogen,
Sterne,
die mit falschem Glanze
Dienten einem Flittermonde!"
0. Romanze V: Guidos Bild
Welch Getümmel in der Ferne,
Welche wilde, freche Stimmen?
Ach, ich höre Degen wetzen,
Höre böse Klingen klirren!
Näher, näher um die Ecke,
Ganz von Fechtenden umringet,
Weicht
Meliore, mit dem Degen
Hebt er künstlich auf die Stiche.
"Freistatt!" ruft er dann befehlend,
Springend nach Mariens Bilde,
"Diese Zuflucht müßt ihr ehren!"
Und sein mutger Ruf gelinget.
Denn ein Angesehner stellet
Sich an seiner Gegner Spitze.
"Wackre
Knaben, meine Herren,
Lassen Sie uns hier besinnen,
Fromm und höflich unsre
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