Romanzen vom Rosenkranz | Page 7

Clemens Brentano
eine schwarze:
Und er spricht: "Für dich, du Fromme,
Ist
die weiße hier -- drei Farben
Will ich für drei Rosen opfern!"
Und nun wendet sich der Knabe,
Spricht: "Gedenke dieses Morgens,

Denk der Schlange und des Mannes,
Folge seinen ernsten Worten.

Daß sich unser mög erbarmen,
Der du gabst die frischen Rosen,
Die
zertreten hat die Schlange,
Die den Heiland hat geboren!"
Und nun schied er. Tief erbanget
Denkt die Jungfrau seiner Worte,

Bis Biondetta sie ermahnte
Mit der Saiten goldnem Tone.
Ihren Korb nimmt Rosablanke;
Wie von lieber Hand gezogen
Steigt
sie zu Biondettas Kammer
Und spricht schüchtern: "Willst du Rosen?
Rosen, rot wie deine Wangen,
Kerzen, rein und schlank gezogen,

Wie dein klarer Leib gestaltet?"
Sprichts und zieht das Tuch vom
Korbe.
Kann die Antwort nicht erwarten,
Setzt sich nieder an den Boden,

Fleht: "O schlage an die Harfe,
Singe, singe rein und golden!"
Und Biondetta spricht: "O klare
Jungfrau, schöne Harfe Gottes,

Woll an meinem Herzen schlagen
Von den Armen lieb
umschlossen!"
Und es sinket Rosablanke
Ihr ans Herz, und heilig lodert
Über sie
die Gottesflamme,
Daß die Seelen dicht verschmolzen.
Daß von ihren süßen Wangen,
Von den rot und weißen Rosen,
Von
dem Klang verborgner Harfen
Heilge Tränenquellen flossen.
"Hörst du, hörst du, wie vom Klange
Mir des Herzen Saiten pochen,

Wie von göttlichem Gesange
Sich ein Netz um uns gezogen?
O, wer bist du? meine Arme
Haben einen Schatz gehoben;
O, wer
sind wir, die sich fanden?
Sprich, wo wir uns einst verloren?"
Also ward in süßen Fragen
Ihrer Arme Bund erschlossen,
Der mit
heimlichen Gewalten
Ihrer Seele Bund geschlossen.
"Da ich früh heut am Altare
Einen Rosenkranz geflochten,
Fühlte

ich in dem Gesange,
Liebe, mich an dich verloren.
Durch die Rosen meines Kranzes
Und durch meines Blutes Rosen,

Die in Lieb und Andacht wachsen,
Flocht ich deine Töne golden!" --
"Da ich dich gesehn beim Mahle
Mit dem Knaben, Lamm und Vogel,

Fühlte ich ein tief Erbarmen,
Daß ich hier so einsam wohne.
Wie ein Himmelsglanz die Kammer
Heilgen Möchen in Visionen

Füllet, also füllte strahlend
Mich Verlangen, Lieb und Hoffen!"
Um sich blicket Rosablanke,
Sieht das Stübchen wohl geordnet,

Spiegelblank sind Stuhl und Tafel,
Schrank und Wand von edlem
Holze.
Reicher Stoff in reichen Falten
Schwebet um der Fenster Bogen,

Und ein Bilderteppich spannet
Augerquickend sich am Boden.
Und wo es erwünscht, da ragen
An den Wänden, halb erhoben,

Kunstgebildete Gestalten:
Mensch und Vase schön geformet.
Marmor, Glas und Alabaster,
Erze, Silber, Gold und Bronze,
Die
Metalle und Kristalle
Sprechen, was der Meister wollte.
"Reich ist, Jungfrau, wohl dein Vater,
Der dir all dies Gut erworben?

Solchen Reichtum zu betrachten,
Ist mir füher nie geworden." --
"Nur der Welt gehört dies alles,"
Spricht Biondetta, "aber folge

Jetzt mir auch zum eigenen Schatze,
Den ich selber mir erworben.
Trete in die enge Kammer,
Sieh mein Bett von trocknem Moose,

Wo ich mit dem Licht erwache,
Mit der Schwalbe Gott zu loben.
Vor dem Fenster schwebt ein Garten
Auf der alten Mauerkrone,
Wo
zwei süße Nachtigallen
Meine Lieder wiederholen.

Aber deine Augen fragen,
Was das Tüchlein dort verborgen
Über
meinem Betstuhl halte:
Sieh, das Bildnis einer Nonne.
Schlecht ist nur das Bild gemalet,
Doch in seinen Zügen wohnet

Strenge, die mich liebreich strafet,
Liebe, die mich ernsthaft lobet.
Heiliger als alles, alles,
Ist mir dieses Bild geworden,
Seinen
Linnenvorhang achte
Höher ich, als sei er golden.
Aber über deine Wangen
Seh ich sanfte Tränen rollen?"
"Kann
ich," saget Rosablanke,
"Vor dem Bild nicht weinen wollen?
Denn ich seh auf seinen Wangen
Blasser Lilien Kelch erschlossen,

Der von Tränen bittren Grames
Bis zum Tode überflossen.
Wer hat dir das Bild gemalet,
Wer hat dir das Tuch gesponnen,
Daß
sie lieb dir über alles
Und mir auch so lieb geworden?" --
"Was ich weiß, sollst du erfahren,"
Spricht Biondetta, "doch zu
sorgen
Bleibt mir vieles noch heut Abend;
Ich muß meinen Putz
noch ordnen;
Muß noch stimmen Leir und Harfe
Und die Lieder wiederholen,

Denn schon mahnet mich der Schatten
Meiner Uhr dort an der
Sonne."
Schüchtern fraget Rosablanke:
"Hohe Gäste hat entboten
Wohl dein
Vater für heut Abend,
Die so reichen Putz erfordern?" --
"Alles das will ich dir sagen,"
Spricht Biondetta, "doch nun folge

Mir zu meinem Kleiderschranke,
Hilf mir die Gewande ordnen."
Vor den Blicken Rosablankens
Stehn die blanken Türen offen:
Ach
die seltsamen Gewande
Und die bunten, reichen Stoffe,
Und die schönen Blumen, wankend
Bei den Sternen silbern, golden,


Wie die zarten Federn schwanken # schwonken
Um die leichten,
duftgen Flore,
Wie die Diamanten strahlen
Lachend in rotgoldnen Kronen,
Wie
die Perlenschnüre fallen
Weinend durch des Purpurs Wogen.
Und in blanken Silberpanzern
Spiegeln dunkle Seidenrosen,

Windend sich um Schwert und Lanze
Aus des Goldhelms stolzem
Schoße.
Muschelhut und Pilgerflasche
Hängt am sarazenschen Bogen,

Falsche Stern und Monde prangen
Auf des Turbans üppgen Wolken.
Flitterschuhe und Sandalen,
Bei Kothurn und Goldpantoffeln
Und
gespornten Schienen, paaren
Traulich unten sich am Boden.
"Reich ist, Jungfrau, wohl dein Vater,
Der dir all dies Gut erworben?"
--
"Nur der Welt gehört dies alles,
Ich bin freier Künste Tochter.
Muß auf offner Bühne tanzen,
Bin zur Lust der Welt erzogen;

Heute sind es nun sechs Jahre,
Daß ich sang die erste Rolle.
Heute sind es zwanzig Jahre,
Daß ich bin gefunden worden
Als ein
Kindlein am Altare,
Wo du früh den Kranz geflochten.
Findelkind Mariens nannte
Mich die Tänzrin, die hier wohnte,
Ihr
verdank ich Sang und Harfe,
Sie ist meine Mutter worden.
Was mit Staunen du betrachtest,
Ist das Gut, das sie erworben
Und
mir gütig hat gelassen,
Als ich sie im Tod verloren.
Da zur Jungfrau ich erwachsen,
Übernahm ich ihre Rollen,
Und sie
hat vom offnen Wandel
Sich zu
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