Roemische Geschichte, Band 8 | Page 8

Theodor Mommsen
beauftragt, den zweimal verhinderten Feldzug nun
auszufuehren. Die Bastarner, welche eben damals in Thrakien
eingefallen waren, fuegten sich ohne Widerstand, als Crassus sie
auffordern liess, das roemische Gebiet zu verlassen; aber ihr Rueckzug
genuegte dem Roemer nicht. Er ueberschritt seinerseits den Haemus ^2,
schlug am Einfluss des Cibrus (Tzibritza) in die Donau die Feinde,
deren Koenig Deldo auf der Wahlstatt blieb, und nahm, was aus der
Schlacht in eine nahe Festung entkommen war, mit Hilfe eines zu den
Roemern haltenden Dakerfuersten gefangen. Ohne weiteren
Widerstand zu leisten, unterwarf sich dem Ueberwinder der Bastarner
das gesamte moesische Gebiet. Diese kamen im naechsten Jahr wieder,
um die erlittene Niederlage wettzumachen; aber sie unterlagen
abermals und mit ihnen, was von den moesischen Staemmen wieder zu
den Waffen gegriffen hatte. Damit waren diese Feinde von dem rechten
Donauufer ein fuer allemal ausgewiesen und dieses vollstaendig der
roemischen Herrschaft unterworfen. Zugleich wurden die noch nicht
botmaessigen Thraker gebaendigt, den Bessern das nationale Heiligtum
des Dionysos genommen und die Verwaltung desselben den Fuersten
der Odrysen uebertragen, welche ueberhaupt seitdem unter dem Schutz
der roemischen Obergewalt die Oberherrlichkeit ueber die thrakischen

Voelkerschaften suedlich vom Haemus fuehrten oder doch fuehren
sollten. Unter seinen Schutz wurden ferner die griechischen
Kuestenstaedte am Schwarzen Meere gestellt und auch das uebrige
eroberte Gebiet verschiedenen Lehnsfuersten zugeteilt, auf die somit
zunaechst der Schutz der Reichsgrenze ueberging ^3; eigene Legionen
hatte Rom fuer diese fernen Landschaften nicht uebrig. Makedonien
wurde dadurch zur Binnenprovinz, die der militaerischen Verwaltung
nicht ferner bedurfte. Das Ziel, das bei jenen dakischen Kriegsplaenen
ins Auge gefasst worden war, war erreicht.
-------------------------------------------------------- ^2 Wenn Dio sagt (51,
23): t/e/n Segetik/e/n kakoymen/e/n prosepoi/e/sato kai es t/e/n Mysida
enebale, so kann jene Stadt wohl nur Serdica sein, das heutige Sofia,
am oberen Oescus, der Schluessel fuer das moesische Land. ^3 Nach
dem Feldzug des Crassus ist das eroberte Land wahrscheinlich in der
Weise organisiert worden, dass die Kueste zum Thrakischen Reich kam,
wie dies G. Zippel (Die roemische Herrschaft in Illyricum bis auf
Augustus. Leipzig 1877, S. 243) dargetan hat, der westliche Teil aber,
aehnlich wie Thrakien den einheimischen Fuersten zu Lehen gegeben
ward, an deren eines Stelle der noch unter Tiberius fungierende
praefectus civitatium Moesiae et Triballiae (CIL V, 1838) getreten sein
muss. Die uebliche Annahme, dass Moesien anfaenglich mit Illyricum
verbunden gewesen sei, ruht nur darauf, dass dasselbe bei der
Aufzaehlung der im Jahre 727 (27) zwischen Kaiser und Senat geteilten
Provinzen bei Dio 53, 12 nicht genannt werde und also in "Dalmatien"
enthalten sei. Aber auf die Lehnsstaaten und die prokuratorischen
Provinzen erstreckt sich diese Aufzaehlung ueberhaupt nicht und
insofern ist bei jener Annahme alles in Ordnung. Dagegen sprechen
gegen die gewoehnliche Auffassung schwerwiegende Argumente.
Waere Moesien urspruenglich ein Teil der Provinz Illyricum gewesen,
so haette es diesen Namen behalten; denn bei Teilung der Provinz
pflegt der Name zu bleiben und nur ein Determinativ hinzuzutreten.
Die Benennung Illyricum aber, die Dio ohne Zweifel a. a. O.
wiedergibt, hat sich in dieser Verbindung immer beschraenkt auf das
obere (Dalmatien) und das untere (Pannonien). Ferner bleibt, wenn
Moesien ein Teil von Illyricum war, fuer jenen Praefekten von Moesien
und Triballien, resp. seinen koeniglichen Vorgaenger kein Raum.
Endlich ist es wenig wahrscheinlich, dass im Jahre 727 (27) einem

einzigen senatorischen Statthalter ein Kommando von dieser
Ausdehnung und Wichtigkeit anvertraut worden ist. Dagegen erklaert
sich alles einfach, wenn nach dem Kriege des Crassus in Moesien
kleine Klientelstaaten entstanden; diese standen als solche von Haus
aus unter dem Kaiser, und da bei deren sukzessiver Einziehung und
Umwandlung in eine Statthalterschaft der Senat nicht mitwirkte, konnte
sie leicht in den Annalen ausfallen. Vollzogen hat sie sich in oder vor
dem Jahre 743 (11), da der damals den Krieg gegen die Thraker
fuehrende Statthalter L. Calpurnius Piso, dem Dio 54, 34 irrig die
Provinz Pamphylien beilegt, als Provinz nur Pannonien oder Moesien
gehabt haben kann und da in Pannonien damals Tiberius als Legat
fungierte, fuer ihn nur Moesien uebrig bleibt. Im Jahre 6 n. Chr.
erscheint sicher ein kaiserlicher Statthalter von Moesien.
-------------------------------------------------------- Allerdings war dieses
Ziel nur ein vorlaeufiges. Aber bevor Augustus die definitive
Regulierung der Nordgrenze in die Hand nahm, wandte er sich zu der
Reorganisation der schon zum Reiche gehoerigen Landschaften; ueber
ein Dezennium verging mit der Ordnung der Dinge in Spanien, Gallien,
Asien, Syrien. Wie er dann, als dort das Noetige geschehen war, das
umfassende Werk angriff, soll nun erzaehlt werden. Italien, das ueber
drei Weltteile gebot, war, wie gesagt, noch keineswegs unbedingt Herr
im eigenen Hause. Die Alpen, die es gegen Norden beschirmen, waren
in ihrer ganzen Ausdehnung von einem Meer zum andern angefuellt
mit kleinen, wenig zivilisierten Voelkerschaften illyrischer, raetischer,
keltischer Nationalitaet, deren Gebiete zum Teil hart angrenzten an die
der grossen Staedte der Transpadana - so das der Trumpiliner (Val
Trompia) an die Stadt Brixia, das der Camunner (Val Camonica,
oberhalb des
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