Roemische Geschichte, Band 8 | Page 7

Theodor Mommsen
der spaeterhin Dakien nach allen Richtungen
umklammernden sarmatischen Staemme, verhinderten die Daker, in
den auch ueber ihre Zukunft entscheidenden roemischen Buergerkrieg
einzugreifen. Unmittelbar nachdem die Entscheidung in diesem
gefallen war, wandte sich Caesar zu der Regulierung der Verhaeltnisse
an der unteren Donau. Indes da teils die Daker selbst nicht mehr so wie
frueher zu fuerchten waren, teils Caesar jetzt nicht mehr bloss ueber
Illyricum, sondern ueber die ganze griechisch- makedonische Halbinsel
gebot, wurde zunaechst diese die Basis der roemischen Operationen.
Vergegenwaertigen wir uns die Voelker und die
Herrschaftsverhaeltnisse; die Augustus dort vorfand. Makedonien war
seit Jahrhunderten roemische Provinz. Als solche reichte es nicht
hinaus noerdlich ueber Stobi und oestlich ueber das Rhodopegebirge;
aber der Machtbereich Roms erstreckte sich weit ueber die eigentliche
Landesgrenze, obwohl in schwankendem Umfang und ohne feste Form.
Ungefaehr scheinen die Roemer damals bis zum Haemus (Balkan) die
Vormacht gehabt zu haben, waehrend das Gebiet jenseits des Balkan
bis zur Donau wohl einmal von roemischen Truppen betreten, aber
keineswegs von Rom abhaengig war ^1. Jenseits des Rhodopegebirges
waren die Makedonien benachbarten thrakischen Dynasten, namentlich
die der Odrysen, denen der groesste Teil der Suedkueste und ein Teil
der Kueste des Schwarzen Meeres botmaessig war, durch die
Expedition des Lucullus unter roemische Schutzherrschaft gekommen,
waehrend die Bewohner der mehr binnenlaendischen Gebiete,
namentlich die Besser an der oberen Mariza Untertanen wohl hiessen,
aber nicht waren und ihre Einfaelle in das befriedete Gebiet sowie die
Vergeltungszuege in das ihrige stetig fortgingen. So hatte um das Jahr
694 (60) der leibliche Vater des Augustus, Gaius Octavius, und im
Jahre 711 (43) waehrend der Vorbereitungen zu dem Kriege gegen die
Triumvirn Marcus Brutus gegen sie gestritten. Eine andere thrakische
Voelkerschaft, die Dentheleten (in der Gegend von Sofia), hatten noch
in Ciceros Zeit bei einem Einfall in Makedonien Miene gemacht,

dessen Hauptstadt Thessalonike zu belagern. Mit den Dardanern, den
westlichen Nachbarn der Thraker, einem Zweig der illyrischen
Voelkerfamilie, welche das suedliche Serbien und den Distrikt Prisrend
bewohnten, hatte der Amtsvorgaenger des Lucullus, Curio, mit Erfolg
und ein Dezennium spaeter Ciceros Kollege im Konsulat, Gaius
Antonius, im Jahre 692 (62) ungluecklich gefochten. Unterhalb des
dardanischen Gebiets, unmittelbar an der Donau, sassen wieder
thrakische Staemme, die einstmals maechtigen, jetzt herabgekommenen
Triballer im Tal des Oescus (in der Gegend von Plewna), weiterhin an
beiden Ufern der Donau bis zur Muendung Daker, oder wie sie am
rechten Donauufer mit dem alten, auch den asiatischen Stammgenossen
gebliebenen Volksnamen gewoehnlich genannt wurden, Myser oder
Moeser, wahrscheinlich zu Burebistas Zeit ein Teil seines Reiches, jetzt
wieder in verschiedene Fuerstentuemer zersplittert. Die maechtigste
Voelkerschaft aber zwischen Balkan und Donau waren damals die
Bastarner. Wir sind diesem tapferen und zahlreichen Stamm, dem
oestlichsten Zweig der grossen germanischen Sippe, schon mehrfach
begegnet. Eigentlich ansaessig hinter den transdanuvianischen Dakern
jenseits der Gebirge, die Siebenbuergen von der Moldau scheiden, an
den Donaumuendungen und in dem weiten Gebiet von da zum Dnjestr,
befanden sie sich selber ausserhalb des roemischen Bereichs; aber
vorzugsweise aus ihnen hatte sowohl Koenig Philipp von Makedonien
wie Koenig Mithradates von Pontus seine Heere gebildet und in dieser
Weise hatten die Roemer schon frueher oft mit ihnen gestritten. Jetzt
hatten sie in grossen Massen die Donau ueberschritten und sich
noerdlich vom Haemus festgesetzt; insofern der dakische Krieg, wie
ihn Caesar der Vater und dann der Sohn geplant hatten, ohne Zweifel
der Gewinnung des rechten Ufers der unteren Donau galt, war er nicht
minder gegen sie gerichtet wie gegen die rechtsufrigen dakischen
Moeser. Die griechischen Kuestenstaedte in dem Barbarenland Odessos
(bei Varna), Tomis, Istropolis, schwer bedraengt durch dies
Voelkergewoge, waren hier wie ueberall die geborenen Klienten der
Roemer. ----------------------------------------------------- ^1 Dies sagt
ausdruecklich Dio (51, 23) zum Jahre 725 (29): teos men o?n ta?t
epoioyn (d. h. solange die Bastarner nur die Triballer - bei Oescus in
Niedermoesien - und die Dardaner in Obermoesien angriffen), oyden
sphisi pragma pros to?s R/o/maioys /e/n. Epei de ton te Aimon

yperebesan kai t/e/n THrak/e/n t/e/n Denthel/e/t/o/n enspondon aytois
o?san katedramon k. t. l. Die Bundesgenossen in Moesien, von denen
Dio 38, 10 spricht, sind die Kuestenstaedte.
----------------------------------------------------- Zur Zeit der Diktatur
Caesars, als Burebista auf der Hoehe seiner Macht stand, hatten die
Daker an der Kueste bis hinab nach Apollonia jenen fuerchterlichen
Verheerungszug ausgefuehrt, dessen Spuren noch nach anderthalb
Jahrhunderten nicht verwischt waren. Es mag wohl zunaechst dieser
Einfall gewesen sein, welcher Caesar den Vater bestimmte, den
Dakerkrieg zu unternehmen; und nachdem der Sohn jetzt auch ueber
Makedonien gebot, musste er allerdings sich verpflichtet fuehlen, eben
hier sofort und energisch einzugreifen. Die Niederlage, die Ciceros
Kollege Antonius bei Istropolis durch die Bastarner erlitten hatte, darf
als ein Beweis dafuer genommen werden, dass diese Griechen wieder
einmal der Hilfe der Roemer bedurften. In der Tat wurde bald nach der
Schlacht bei Actium (725 29) Marcus Licinius Crassus, der Enkel des
bei Karrhae gefallenen, von Caesar als Statthalter nach Makedonien
gesandt und
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