und zwar seit dem letzten Viertel dieses neunzehnten
Jahrhunderts, hatte die Frage der lenkbaren Ballons immerhin schon
einige Fortschritte zu verzeichnen, die mit Triebschraube ausgerüsteten
Gondeln, welche Henry Giffard 1852 an seinem verlängerten Ballon
anbrachte, ferner Dupuy de Lôme, 1872, die Gebrüder Tissandier 1883
und die Capitäne Krebs und Renard im Jahre 1884 hatten mindestens
einige Ergebnisse erzielt, denen man Rechnung tragen mußte.
Doch wenn diese Apparate in einem schwereren Medium als sie selbst,
unter dem Drucke einer Schraube manövrirend, eine schräge Richtung
gegen den Wind einhielten, sogar gegen einen widrigen Luftzug
aufkamen, um nach ihrem Ausgangspunkt zurückzukehren, also
wirklich gelenkt worden waren, so konnte das doch nur unter ganz
besonders günstigen Umständen erreicht werden. In großen,
geschlossenen ausgedehnten Hallen allerdings! In recht ruhiger
Atmosphäre -- das ging auch noch recht gut. Bei einem leichten Winde
von fünf bis sechs Meter in der Secunde war es vielleicht eben noch zu
erzwingen -- Alles in Allem hatte man eigentlich praktisch
verwendbare Resultate aber noch nicht erzielt. Gegen einen
Windmühlenwind von acht Metern in der Secunde würden jene
Apparate nahezu stationär geblieben sein; vor einer frischen Brise von
zehn Metern in der Secunde hatten sie in Gefahr geschwebt, zerrissen
zu werden; und bei einer jener Cyclonen, welche hundert Meter in der
Secunde überschreiten, würde man von ihnen kein Stückchen wieder
gefunden haben.
Selbst nach den scheinbar glänzend gelungenen Versuchen der
Capitäne Krebs und Renard dürfte als bewiesen angesehen werden, daß
die Aerostaten, wenn sie an Bewegungsfähigkeit auch ein wenig
gewonnen hatten, mit dieser doch gerade nur gegen eine schwache
Brise aufzukommen vermochten. Es war also nach wie vor als
unmöglich zu betrachten, diese Art der Fortbewegung durch die Luft
praktisch zu verwenden.
Während man sich aber so eifrig mit dem Problem der Lenkbarkeit der
Aerostaten, das heißt mit den Mitteln beschäftigte, diesen eine eigene
Geschwindigkeit zu verleihen, hatte die Frage der Motoren
unzweifelhaft weit schnellere Fortschritte gemacht. An Stelle der
Dampfmaschinen und der Verwendung der bloßen Muskelkraft waren
allmählich die elektrischen Motore getreten. Die Batterien mit
doppeltchromsaurem Natron, deren Elemente auf hohe Spannung
angeordnet waren, wie sie die Gebrüder Tissandier benützten, erzielten
eine Schnelligkeit von etwa vier Metern in der Secunde. Die zwölf
Pferdekraft entwickelnden dynamo-elektrischen Maschinen der
Capitäne Krebs und Renard gestatteten, eine Geschwindigkeit von im
Mittel sechs Meter in der Secunde zu erreichen.
Bei ihren Versuchen waren Mechaniker und Elektriker bestrebt
gewesen, sich dem frommen Wunsche zu nähern, eine
"Dampfpferdekraft in einem Taschenuhrgehäuse" zu erzeugen. Die
Effecte der Säule, deren Zusammensetzung die Capitäne Krebs und
Renard geheim gehalten hatten, wurden ebenfalls bald übertroffen, und
nach ihnen fanden die Aeronauten Gelegenheit, Motore zu verwenden,
deren Leichtigkeit im gleichen Verhältniß mit ihrer Kraftwirkung
wuchs.
Die Anhänger der Möglichkeit einer Lenkbarkeit der Ballons hatten
also gewiß Ursache, ihren Muth aufrecht zu erhalten, und doch, wie
viele klare Köpfe haben es verworfen, an die Benützung solcher zu
glauben. In der That, wenn der Aerostat einen Angriffspunkt der ihm
innewohnenden Kraft in der Luft findet, so ist er doch mit seiner
großen Masse in diese eingetaucht. Und wie könnte derselbe, da er
wieder den Strömungen der Atmosphäre eine so breite Angriffsfläche
bietet, jemals, und wenn sein Triebwerk noch so mächtig wäre, direct
gegen einen widrigen Wind aufkommen?
Diese Frage lag noch immer vor, man hoffte dieselbe jedoch durch
Anwendung sehr großer Apparate zu lösen.
Es ergab sich übrigens, daß bei diesem Wettstreite der Erfinder in der
Herstellung eines sehr kräftigen und dennoch leichten Motors die
Amerikaner sich dem gewünschten Ziele am meisten genähert hatten.
Ein auf der Anwendung einer neuen Säule beruhender
dynamo-elektrischer Apparat, dessen Construction vorläufig noch
Geheimniß blieb, war seinem Erfinder, einem bisher unbekannten
Chemiker in Boston, abgekauft worden. Mit größter Sorgfalt
durchgeführte Berechnungen und mit äußerster Genauigkeit entworfene
Diagramme ergaben, daß dieser Apparat, wenn er auf eine Schraube
von angepaßter Größe wirkte, eine Fortbewegung von achtzehn bis
zwanzig Metern in der Secunde gewährleisten mußte.
Wahrlich, das wäre großartig gewesen!
"Und das Ding ist nicht theuer!" hatte Onkel Prudent hinzu gesetzt, als
er dem Erfinder gegen regelrecht ausgefüllte Quittung das letzte
Päckchen von hunderttausend Papierdollars einhändigte, mit dem man
ihm seine Erfindung bezahlte.
Unverzüglich ging das Weldon-Institut an's Werk. Handelt es sich um
ein Versuchsunternehmen, das irgend welchen praktischen Nutzen
verspricht, so wird das Geld in amerikanischen Taschen stets leicht
locker. Die nöthigen Mittel strömten zusammen, so daß selbst die
Gründung einer Actiengesellschaft umgangen werden konnte.
Dreihunderttausend Dollars (also 600.000 fl. = 1-1/5 Millionen Mark)
füllten gleich nach dem ersten Aufruf die Cassen des Clubs. Die
Arbeiten begannen unter Leitung des hervorragendsten Luftschiffers
der Vereinigten Staaten, Harry W. Tinder's, der sich unter tausend
Anderen vorzüglich durch drei kühne Fahrten berühmt gemacht hat: die
eine, bei der er sich bis 1200 Meter erhob, d. h. höher aufstieg, als
Gay-Lussac, Coxwell, Sivel, Crocé-Spinelli, Tissandier, Glaisher; die
zweite, während der er ganz Amerika von New-York bis San Francisco
überflog
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