Richard III | Page 4

William Shakespeare
wärest du entschuldigt, Durch Übung
würd'ger Rache an dir selbst, Der du unwürd'gen Mord an andern
übtest.
Gloster. Setz, ich erschlug sie nicht.
Anna. So wären sie nicht tot; Doch tot sind sie und, Höllenknecht,
durch dich.
Gloster. Ich schlug nicht Euren Gatten.
Anna. Nun wohl, so lebt er noch.
Gloster. Nein, er ist tot, und ihn schlug Eduards Hand.
Anna. Du lügst in deinen Hals; Margretha sah In seinem Blut dein
mördrisch Messer dampfen, Das du einst wandtest gegen ihre Brust,
Nur deine Brüder schlugen es beiseit.
Gloster. Ich war gereizt von ihrer Lästerzunge, Die jener Schuld legt'
auf mein schuldlos Haupt.
Anna. Du warst gereizt von deinem blut'gen Sinn, Der nie von anderm
träumt' als Metzgerein. Hast du nicht diesen König umgebracht?
Gloster. Ich geb es zu.
Anna. Zu gibst du's, Igel? Nun, so geb' auch Gott, Daß du verdammt
seist für die böse Tat! Oh, er war gütig, mild und tugendsam.
Gloster. So taugt er, bei des Himmels Herrn zu wohnen.
Anna. Er ist im Himmel, wo du niemals hinkommst.
Gloster. Er danke mir, der ihm dahin verholfen: Er taugte für den Ort,
nicht für die Erde.
Anna. Du taugst für keinen Ort als für die Hölle.
Gloster. Ja, einen noch, wenn ich ihn nennen darf.
Anna. Ein Kerker.
Gloster. Euer Schlafzimmer.
Anna. Verbannt sei Ruh' vom Zimmer, wo du liegst.
Gloster. Das ist sie, Herrin, bis ich bei Euch liege.
Anna. Ich hoff es.
Gloster. Ich weiß es.--Doch, liebe Lady Anna, Um aus dem raschen
Anlauf unsres Witzes In einen mehr gesetzten Ton zu fallen: Ist, wer
verursacht den zu frühen Tod Der zwei Plantagenets, Heinrich und
Eduard, So tadelnswert als der Vollzieher nicht?
Anna. Du warst die Ursach' und verfluchte Wirkung.
Gloster. Eu'r Reiz allein war Ursach' dieser Wirkung, Eu'r Reiz, der
heim mich sucht' in meinem Schlaf, Von aller Welt den Tod zu

unternehmen Für eine Stund' an Eurem süßen Busen.
Anna. Dächt' ich das, Mörder, diese Nägel sollten Von meinen Wangen
reißen diesen Reiz.
Gloster. Dies Auge kann den Reiz nicht tilgen sehn; Ihr tätet ihm kein
Leid, ständ' ich dabei. Wie alle Welt sich an der Sonne labt, So ich an
ihm: er ist mein Tag, mein Leben.
Anna. Nacht schwärze deinen Tag und Tod dein Leben.
Gloster. Fluch, hold Geschöpf, dir selbst nicht: du bist beides.
Anna. Ich wollt', ich wär's, um mich an dir zu rächen.
Gloster. Es ist ein Handel wider die Natur, Dich rächen an dem Manne,
der dich liebt.
Anna. Es ist ein Handel nach Vernunft und Recht, Mich rächen an dem
Mörder meines Gatten.
Gloster. Der dich beraubte, Herrin, deines Gatten, Tat's, dir zu schaffen
einen bessern Gatten.
Anna. Ein beßrer atmet auf der Erde nicht.
Gloster. Es lebt wer, der Euch besser liebt als er.
Anna. Nenn ihn.
Gloster. Plantagenet.
Anna. So hieß ja er.
Gloster. Derselbe Name, doch bei beßrer Art.
Anna. Wo ist er?
Gloster. Hier.
(Sie speit nach ihm.)
Warum speist du mich an?
Anna. Wär' es doch tödlich Gift, um deinethalb!
Gloster. Niemals kam Gift aus solchem süßen Ort.
Anna. Niemals hing Gift an einem schnödern Molch. Aus meinen
Augen fort! du steckst sie an.
Gloster. Dein Auge, Herrin, hat meins angesteckt.
Anna. O wär's ein Basilisk, dich totzublitzen!
Gloster. Ich wollt' es selbst, so stürb' ich auf einmal, Denn jetzo gibt es
mir lebend'gen Tod. Dein Aug' erpreßte meinen salze Tränen,
Beschämt' ihr Licht mit kind'scher Tropfen Fülle, Die Augen, nie
benetzt von Mitleidstränen: Nicht als mein Vater York und Eduard
weinten Bei Rutlands bangem Jammer, da sein Schwert Der schwarze
Clifford zückte wider ihn; Noch als dein tapfrer Vater wie ein Kind

Kläglich erzählte meines Vaters Tod Und zehnmal innehielt zu
schluchzen, weinen, Daß, wer dabeistand, naß die Wangen hatte Wie
Laub im Regen: in der traur'gen Zeit Verwarf mein männlich Auge
niedre Tränen, Und was dies Leid ihm nicht entsaugen konnte, Das tat
dein Reiz und macht' es blind vom Weinen. Ich flehte niemals weder
Freund noch Feind, Nie lernte meine Zunge Schmeichelworte: Doch
nun dein Reiz mir ist gesetzt zum Preis, Da fleht mein stolzes Herz und
lenkt die Zunge.
(Sie sieht ihn verächtlich an.)
Nein, lehr nicht deine Lippen solchen Hohn: Zum Kuß geschaffen,
Herrin, sind sie ja. Kann nicht verzeihn dein rachbegierig Herz, So biet
ich, sieh! dies scharfgespitzte Schwert; Birg's, wenn du willst, in dieser
treuen Brust Und laß die Seel' heraus, die dich vergöttert: Ich lege sie
dem Todesstreiche bloß Und bitt, in Demut kniend, um den Tod.
(Er entblößt seine Brust, sie zielt mit dem Degen nach ihm.)
Nein, zögre nicht: ich schlug ja König Heinrich, Doch deine Schönheit
reizte mich dazu. Nur zu! Denn ich erstach den jungen Eduard:
(Sie zielt wieder nach seiner Brust.)
Jedoch dein himmlisch Antlitz trieb mich an.
(Sie läßt den Degen fallen.)
Nimm auf den Degen, oder nimm
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