Richard III | Page 3

William Shakespeare
voran, ich folge bald Euch nach. (Hastings ab.) Er
kann nicht leben, hoff ich; darf nicht sterben, Eh' George mit Extrapost
gen Himmel fährt. Ich will hinein und ihn auf Clarence hetzen Mit
wohlgestählten Lügen, trift'gen Gründen; Und wenn mein tiefer Plan
mir nicht mißlingt, Hat Clarence weiter keinen Tag zu leben. Dann
nehme Gott in Gnaden König Eduard Und lasse mir die Welt zu hausen
drin. Denn dann heirat ich Warwicks jüngste Tochter. Ermordet' ich
schon ihren Mann und Vater, Der schnellste Weg, der Dirne g'nugzutun,
Ist, daß ich selber werd ihr Mann und Vater. Das will ich denn, aus
Liebe nicht sowohl Als andrer tief versteckter Zwecke halb, Die diese
Heirat mir erreichen muß. Doch mach ich noch die Rechnung ohne

Wirt; Noch atmet Clarence, Eduard herrscht und thront: Sind sie erst
hin, dann wird die Müh' belohnt.
(Ab.)

ZWEITE SZENE
London. Eine andre Straße.
(König Heinrichs des Sechsten Leiche wird in einem offnen Sarge
hereingetragen, Tressel, Berkeley und Edelleute mit Hellebarden
begleiten sie; hierauf Prinzessin Anna als Leidträgerin.)
Anna. Setzt nieder eure ehrenwerte Last-- Wofern sich Ehre senkt in
einen Sarg--, Indessen ich zur Leichenfeier klage Den frühen Fall des
frommen Lancaster. Du eiskalt Bildnis eines heil'gen Königs! Des
Hauses Lancaster erblichne Asche! Blutloser Rest des königlichen
Bluts! Vergönnt sei's, aufzurufen deinen Geist, Daß er der armen Anna
Jammer höre, Die Eduards Weib war, deines Sohns, erwürgt Von jener
Hand, die diese Wunden schlug. In diese Fenster, die sich aufgetan,
Dein Leben zu entlassen, träufl' ich, sieh! Hilflosen Balsam meiner
armen Augen. Verflucht die Hand, die diese Risse machte! Verflucht
das Herz, das Herz hatt', es zu tun! Verflucht das Blut, das dieses Blut
entließ! Heilloser Schicksal treffe den Elenden, Der elend uns gemacht
durch deinen Tod, Als ich kann wünschen Nattern, Spinnen, Kröten
Und allem giftigen Gewürm, das lebt. Hat er ein Kind je, so sei's
mißgeboren, Verwahrlost und zu früh ans Licht gebracht, Des greulich
unnatürliche Gestalt Den Blick der hoffnungsvollen Mutter schrecke;
Und das sei Erbe seines Mißgeschicks! Hat er ein Weib je, nun, so
möge sie Sein Tod um vieles noch elender machen, Als mich mein
junger Ehgemahl und du!-- Kommt nun nach Chertsey mit der heil'gen
Last, Die von Sankt Paul wir zur Bestattung holten, Und immer, wenn
ihr müde seid, ruht aus, Derweil ich klag um König Heinrichs Leiche.
(Die Träger nehmen die Leiche auf und gehen weiter.)
(Gloster tritt auf.)
Gloster. Halt! ihr der Leiche Träger, setzt sie nieder!
Anna. Welch schwarzer Zaubrer bannte diesen Bösen Zur Störung
frommer Liebesdienste her?
Gloster. Schurken, die Leiche nieder! Bei Sankt Paul, Zur Leiche mach
ich den, der nicht gehorcht!
ErsterEdelmann. Mylord, weicht aus und laßt den Sarg vorbei.

Gloster. Schamloser Hund! steh du, wenn ich's befehle; Senk die
Hellbarde nicht mir vor die Brust, Sonst, bei Sankt Paul, streck ich zu
Boden dich Und trete, Bettler, dich für deine Keckheit.
(Die Träger setzen den Sarg nieder.)
Anna. Wie nun? ihr zittert, ihr seid all erschreckt? Doch ach! ich tadl'
euch nicht: ihr seid ja sterblich, Und es erträgt kein sterblich Aug' den
Teufel.-- Heb dich hinweg, du grauser Höllenbote! Du hattest Macht
nur über seinen Leib, Die Seel' erlangst du nicht: drum mach dich fort.
Gloster. Sei christlich, süße Heil'ge! fluche nicht--!
Anna. Um Gottes Willen, schnöder Teufel, fort, Und stör uns ferner
nicht! Du machtest ja Zu deiner Hölle die beglückte Erde, Erfüllt mit
Fluchgeschrei und tiefem Weh. Wenn deine grimm'gen Taten dich
ergötzen, Sieh diese Probe deiner Metzgerei'n.--. Ihr Herrn, seht, seht!
des toten Heinrichs Wunden Öffnen den starren Mund und bluten
frisch.-- Erröte, Klumpe schnöder Mißgestalt! Denn deine Gegenwart
haucht dieses Blut Aus Adern, kalt und leer, wo kein Blut wohnt; Ja
deine Tat, unmenschlich, unnatürlich, Ruft diese Flut hervor, so
unnatürlich.-- Du schufst dies Blut, Gott: räche seinen Tod! Du trinkst
es, Erde: räche seinen Tod! Laß, Himmel, deinen Blitz den Mörder
schlagen! Gähn, Erde, weit, und schling ihn lebend ein, Wie jetzo
dieses guten Königs Blut, Den sein der Höll' ergebner Arm gewürgt!
Gloster. Herrin, Ihr kennt der Liebe Vorschrift nicht, Mit Gutem Böses,
Fluch mit Segen lohnen.
Anna. Bube, du kennst kein göttlich, menschlich Recht; Das wildste
Tier kennt doch des Mitleids Regung.
Gloster. Ich kenne keins, und bin daher kein Tier.
Anna. O Wunder, wenn ein Teufel Wahrheit spricht!
Gloster. Mehr Wunder, wenn ein Engel zornig ist!-- Geruhe, göttlich
Urbild eines Weibes, Von der vermeinten Schuld mir zu erlauben,
Gelegentlich bei dir mich zu befrein.
Anna. Geruhe, gift'ger Abschaum eines Manns, Für die bekannte
Schuld mir zu erlauben, Gelegentlich zu fluchen dir Verfluchtem.
Gloster. Du, schöner als ein Mund dich nennen kann! Verleih geduld'ge
Frist, mich zu entschuld'gen.
Anna. Du, schnöder als ein Herz dich denken kann! Für dich gilt kein
Entschuld'gen, als dich hängen.
Gloster. Verzweifelnd so, verklagt' ich ja mich selbst.

Anna. Und im Verzweifeln
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