nicht aus der Hand legen; aber Beobachtungen, wie ich sie im
Verlauf dieser Reisebeschreibung anführen werde, thun zur Genüge dar,
daß ein Temperaturwechsel, den die unvollkommensten Instrumente
anzeigen, die Gefahr verkündet, lange bevor das Schiff über der
Untiefe anlangt. In solchen Fällen mag die Abnahme der
Meerestemperatur den Schiffer veranlassen, zum Senkblei zu greifen in
Strichen, wo er sich vollkommen sicher dünkte. Auf die physischen
Ursachen dieser verwickelten Erscheinungen kommen wir anderswo
zurück. Hier sey nur erwähnt, daß die niedrigere Temperatur des
Wassers über den Untiefen großentheils daher rührt, daß es sich mit
tieferen Wasserschichten mischt, welche längs der Abhänge der Bank
zur Meeresoberfläche aufsteigen.
Eine Aufregung des Meeres von Nordwest her unterbrach unsere
Versuche über die Meerestemperatur in der Bai von Ferrol. Die Wellen
gingen so hoch, weil auf offener See ein heftiger Wind geweht hatte, in
dessen Folge die englischen Schiffe sich hatten von der Küste entfernen
müssen. Man wollte die Gelegenheit zum Auslaufen benutzen; man
schiffte alsbald unsere Instrumente, unsere Bücher, unser ganzes
Gepäcke ein; aber der Westwind wurde immer stärker und man konnte
die Anker nicht lichten. Wir benutzten den Aufschub, um an unsere
Freunde in Deutschland und Frankreich zu schreiben. Der Augenblick,
wo man zum erstenmal von Europa scheidet, hat etwas Ergreifendes.
Wenn man sich noch so bestimmt vergegenwärtigt, wie stark der
Verkehr zwischen den beiden Welten ist, wie leicht man bei den großen
Fortschritten der Schifffahrt über den atlantischen Ocean gelangt, der,
der Südsee gegenüber, ein nicht sehr breiter Meeresarm ist, das Gefühl,
mit dem man zum erstenmal eine weite Seereise antritt, hat immer
etwas tief Aufregendes. Es gleicht keiner der Empfindungen, die uns
von früher Jugend auf bewegt haben. Getrennt von den Wesen, an
denen unser Herz hängt, im Begriff, gleichsam den Schritt in ein neues
Leben zu thun, ziehen wir uns unwillkührlich in uns selbst zusammen
und über uns kommt ein Gefühl des Alleinseyns, wie wir es nie
empfunden.
Unter den Briefen, die ich kurz vor unserer Einschiffung schrieb,
befand sich einer, der für die Richtung unserer Reise und den Verlauf
unserer späteren Forschungen sehr folgereich wurde. Als ich Paris
verließ, um die Küste von Afrika zu besuchen, schien die
Entdeckungsreise in die Südsee auf mehrere Jahre verschoben. Ich
hatte mit Kapitän Baudin die Verabredung getroffen, daß ich, wenn er
wider Vermuthen die Reise früher antreten könnte und ich davon
Kenntniß bekäme, von Algier aus in einen französischen oder
spanischen Hafen eilen wolle, um die Expedition mitzumachen. Im
Begriff, in die Neue Welt abzugehen, wiederholte ich jetzt dieses
Versprechen. Ich schrieb Kapitän Baudin, wenn die Regierung in auch
jetzt noch den Weg um Cap Horn nehmen lassen wolle, so werde ich
mich bemühen, mit ihm zusammenzutreffen, in Montevideo, in Chili,
in Lima, wo immer er in den spanischen Kolonien anlegen möchte.
Treu dieser Zusage, änderte ich meinen Reiseplan, sobald die
amerikanischen Blätter im Jahre 1801 die Nachricht brachten, die
französische Expedition sey von Havre abgegangen, um von Ost nach
West die Welt zu umsegeln. Ich miethete ein kleines Fahrzeug und ging
von Batabano auf der Insel Cuba nach Portobelo und von da über die
Landenge an die Küste der Südsee. In Folge einer falschen
Zeitungsnachricht haben Bonpland und ich über 800 Meilen [Unter
Meilen ohne Beisatz sind immer französische Lieues zu verstehen.]
[3600 km] in einem Lande gemacht, das wir gar nicht hatten bereisen
wollen. Erst in Quito erfuhren wir durch einen Brief Delambres, des
beständigen Secretärs der ersten Classe des Institutes, daß Kapitän
Baudin um das Kap der Guten Hoffnung gegangen und die West- und
Ostküste Amerikas gar nicht berührt habe. Nicht ohne ein Gefühl von
Wehmut gedenke ich einer Expedition, die mehrfach in mein Leben
eingreift, und die kürzlich von einem Gelehrten [Peron, der nach langen
schmerzlichen Leiden im 35. Jahre der Wissenschaft entrissen wurde.]
beschrieben worden ist, den die Menge der Entdeckungen, welche die
Wissenschaft ihm dankt, und der aufopfernde Muth, den er auf seiner
Laufbahn unter den härtesten Entbehrungen und Leiden bewiesen,
gleich hoch stellen.
Ich hatte auf die Reise nach Spanien nicht meine ganze Sammlung
physikalischer, geodätischer und astronomischer Werzeuge mitnehmen
können; ich hatte die Doubletten in Marselle in Verwahrung gegeben
und wollte sie, sobald ich Gelegenheit gefunden hätte, an die Küste der
Berberei zu gelangen, nach Algier oder Tunis nachkommen lassen. In
ruhigen Zeiten ist Reisenden sehr zu rathen, daß sie sich nicht mit allen
ihren Instrumenten beladen; man läßt sie besser nachkommen, um nach
einigen Jahren diejenigen, zu ersetzen, die durch den Gebrauch oder
auf dem Transport gelitten haben. Diese Vorsicht erscheint besonders
dann geboten, wenn man zahlreiche Punkte durch rein chronometrische
Mittel zu bestimmen hat. Aber während eines Seekriegs thut man klug,
seine Instrumente, Handschriften und Sammlungen fortwährend bei
sich zu haben. Wie wichtig dies ist, haben traurige Erfahrungen mir
bewiesen. Unser Aufenthalt zu Madrid und Corunna war zu kurz, als
daß ich den meteorologischen Apparat,

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