Reise durch England und Schottland | Page 8

Johanna Schopenhauer
Hier
werden englische Kupfermünzen und ausländische, für die ostindische
Compagnie, für Amerika und manche fremde Höfe geprägt. In
Deutschland sagt das Gerücht: Boulton lasse auch die vielen falschen
Münzen fabrizieren, die von England aus Deutschland überschwemmen.
Dem ist aber nicht so, er hat an dem gesetzlichen Wege mehr Arbeit,
als er bestreiten kann, und ist zu rechtlich, zu reich, um sich einem so
gefährlichen Handwerke zu unterziehen. Vor diesem war das
Nachprägen fremder Münzen, wenn nicht erlaubt, doch in England
toleriert; sie wurden wie Rechenpfennige angesehen und in großer
Menge, meistens auf Bestellung spekulativer Köpfe in Deutschland und
anderen Ländern, ziemlich öffentlich fabriziert. Seitdem aber der
Galgen so gut auf diesen Zweig der Industrie gesetzt ist wie auf das
Nachmachen englischer Banknoten und Münzen, wird dieses Geschäft
nur ganz heimlich betrieben. Es soll indessen in Birmingham an
dergleichen Fabriken, welchen oft eine Knopffabrik zum

Aushängeschild dient, nicht fehlen.
Außer der Münze enthält Soho noch eine große Fabrik von plattierten
Waren aller Art, eine Glasfabrik und eine von Dampfmaschinen.
Die erstaunenswürdigste Erfindung der letzteren, bei dem Reichtum an
Steinkohlen für England von unermeßlichem Wert, hat Boulton erst auf
den Gipfel von Vollkommenheit gebracht, auf welchem sie jetzt steht.
Er verfertigt Dampfmaschinen für ganz Europa und Amerika, läßt aber
diese Fabrik niemanden sehen, weil sich oft Leute bei ihm einschlichen,
die seine Gastfreundschaft mißbrauchten und mühsam errungenen
Vorteile ihm abzusehen strebten, während er sie freundlich bei sich
aufnahm. Er sagte uns, wir würden es unartig gefunden haben, daß er in
allen Gasthöfen, viele Meilen um Birmingham her, ein Avertissement
anschlagen ließ, in welchem er bekanntmachte: daß ohne besondere
Empfehlung an ihn keinem Fremden sein Etablissement gezeigt werden.
Durch den ewigen Zulauf von Fremden, der ihm oder doch einem
seiner Associés alle Zeit raubte und unter seinen Arbeitern ewige
Störungen veranlaßte, wurde er zu diesem Schritte gezwungen, den er
höchst ungern tat. "Nichts ist unerträglicher", sagte er, "als ein Haus zu
besitzen, das eine Sehenswürdigkeit ist (a rare show) oder gar selbst
eine zu sein; beides war mein Fall, denn jeder, der Soho gesehen hatte,
glaubte schon aus Höflichkeit dessen Stifter in Augenschein nehmen zu
müssen, und so wußte ich mir am Ende nicht anders zu helfen, als auf
diese unfreundliche Weise."
Das Wohnhaus in Soho ist ein hübsches, bequemes und großes
Gebäude, überall Sauberkeit und Eleganz, nirgends Pracht, nirgends ein
Streben, mit den prächtigen Villen der Großen des Landes zu wetteifern.
Es liegt sehr angenehm: aus den vorderen Zimmern übersieht man eine
sehr schöne, reiche Gegend, im Vordergrunde die Stadt; fruchtbare
angebaute Hügel steigen über ihr empor. Dicht vor dem Hause liegt ein
hübscher Garten voll Blumen und fremder Pflanzen und hinter dem
Hause eine reizende Promenade, längs den Ufern eines kleinen Sees,
welchen Boulton schuf, indem er vermittelst der Dampfmaschine die
alten Sümpfe austrocknete und das Wasser hier sammelte. In einer
Ecke desselben ergießt sich ein Wasserfall von einem mit schönen

Blumen und Bäumen gezierten Hügel. Alles dieses war vor ungefähr
zwanzig Jahren eine öde, sumpfige Heide.
Die Fabrik von plattierten Sachen erschien uns besonders interessant.
Es ist unmöglich, schönere Formen und bessere Politur zu sehen, als
dem Silber hier gegeben wird. Man kann das Plattierte von dem ganz
Silbernen durch's Auge allein nicht unterscheiden, und es gibt auch, auf
die Weise wie hier gearbeitet, dem Silber an Dauer wenig nach.
Auf ein Stück Kupfer, etwa eine halbe Elle lang und eine Achtelelle im
Durchmesser, werden Längen aus zwei Platten von ganz reinem Silber,
etwa den zehnten Teil so dick als Kupfer ist, oben und unten
aufgeschmolzen. Dann wird es durch Walzen, von einer
Dampfmaschine getrieben, zu Blech ausgedehnt, so dünne man es
bedarf. Das Silber bleibt dabei immer mit dem Kupfer im nämlichen
Verhältnisse. Dieses Blech braucht man zur Verfertigung der Leuchter,
Kannen und allen Silbergerätes, welches eine Fläche bietet; zu den
Henkeln, Füßen und dergleichen nimmt man eine runde, mit Silber
belegte Stange Kupfer, die auf die nämliche Weise, wie wir oben
beschrieben, behandelt wird. Die äußeren Ecken werden den Gefäßen
von massivem Silber angesetzt; auch sind die meisten Verzierungen
daran ganz Silber.
Die Glasschleiferei ist ebenfalls merkwürdig. In einem sehr langen
Zimmer sieht man eine Menge Schleifsteine unaufhörlich schnell sich
drehen. Eine lange hölzerne, am Boden horizontal liegende Walze,
welche durch eine unter dem Zimmer sich befindende Dampfmaschine
getrieben wird, setzt sie alle in Bewegung. Mit der größten
anscheinenden Leichtigkeit schleifen die Arbeiter die schönsten Muster
auf die Gläser mit einer bewundernswürdigen Genauigkeit, ohne alle
Vorzeichnung, indem sie dieselben an die wie von Zauberei
getriebenen Scheiben halten. Von hier aus kommen größtenteils die
schönen Girandolen, Lüster, Trinkgläser und Prachtvasen, die
glänzendste Zierde großer Tafeln, welche wir oft in den, bei nächtlicher
Beleuchtung einem Feenschloß ähnlichen, flimmernden Glasläden
Londons nicht genug bewundern konnten. Die letzte Politur wird dem
Glase vermittelst einer hölzernen Scheibe, statt des Schleifsteins,

gegeben.
Die Münze arbeitete gerade diesen
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