tut ihm Schaden.
Noch ein großer, hoher, von oben erleuchteter Saal, von la Guerre mit
vieler Wahrheit gemalt, dünkt uns des Erwähnens wert. Der Plafond
stellt den Herzog vor, wie Zeit und Friede ihn in seinem Triumphwagen
aufhalten. Die Wände sind wie eine offene Halle gemalt; rundum läuft
ein Geländer, hinter welchem alle europäischen Nationen mit
charakteristischer Physiognomie und Kleidung in verschiedenen
Stellungen stehen. Die Figuren, etwas über Lebensgröße, übrigens von
täuschender Wahrheit, ragen halb über das Geländer vor.
Die Bibliothek, ein sehr langes schmales Zimmer, soll an
siebzigtausend Bände enthalten. Am Ende derselben steht die
marmorne Statue der Königin Anna in völliger Staatstracht; mit dem
Königsmantel, dem langen, über einen oben schmalen, unten breiten
Reifrock gespannten Kleide, dem hohen Halskragen und der Krone auf
dem Haupte, sieht sie wie eine große Weihnachtspuppe aus; Spitzen
und Stickereien aber sind mit bewundernswürdigem Fleiße in den
harten Stein gearbeitet. Auch in der Bibliothek hängen viele Porträts;
der große Herzog und seine Sarah sind hier abgebildet; sie hält die
herzogliche Krone recht fest und schaut keck und übermütig in die
Welt hinein.
In der Schloßkapelle zeigte man uns das große Grabmal, welches Lady
Sarah sich, ihrem Gemahl und ihren zwei Kindern noch bei Lebzeiten
setzen ließ. Die Familie ist in Lebensgröße darauf zu sehen, nebst
einem ansehnlichen Gefolge von Tugenden und Genien. Es ward in
London gefertigt und sehr teuer bezahlt; das ist alles, was wir davon zu
sagen wissen; weder der Gedanke noch die Ausführung zog uns an.
Des flüchtigen Sehens überdrüssig, ermüdet von dem Stehen und
Gehen in den vielen großen Zimmern, eilten wir in unseren Gasthof
zurück und entsagten einer Sammlung von altem echten japanischen
und chinesischen Porzellan, die man uns als etwas sehr Merkwürdiges
zu zeigen sich erbot.
Birmingham und Soho
Wir reisten jetzt auf Birmingham [Fußnote: heute einer der größten
Industriestädte der Welt mit über 1 Million Einwohnern, hatte zur Zeit
Johannas etwa 75 000] zu. Die Gegend verschönte sich mit jeder Meile,
Berge wechselten mit lachenden Tälern. Wir mußten zuweilen die
Räder einhemmen, weil der Weg zu steil bergab führte. Die Aussichten
von der Höhe sind sehr reizend. In Birmingham selbst erklommen wir
noch einen steilen Berg, der uns lebhaft an den Hradschin in Prag
erinnerte, ehe wir zu dem großen eleganten Gasthofe gelangten. Dieser
heißt noch immer "Zur Henne mit den Küchlein", obgleich der Wirt in
unseren, immer vornehmer werdenden Zeiten sich alle Mühe gibt, ihn
zu Lloyd's Hotel umzustempeln.
Birmingham ist durch seine Fabriken weit und breit berühmt, ja man
könnte fast behaupten, es gäbe kein Dorf im kultivierten Europa,
vielleicht kein Haus, in welchem nicht irgendein Produkt der Industrie
dieser Stadt zu finden wäre, sei es auch nur ein Knopf, eine Nadel oder
ein Bleistift. Die Stadt selbst ist schon durch ihre bergige Lage nicht
schön; der Rauch der vielen Fabriken und Werkstätten, die hier ihr
Wesen treiben, gibt ihr ein düsteres, schmutziges Ansehen. Überall hört
man hämmern und pochen, alles läuft am Tage geschäftig hin und
wider, niemand hat Zeit, solange die Sonne leuchtet. Dafür hallen des
abends die Straßen vom Geschrei und von Gesängen derer wider, die
sich den Tag über unter der schweren Last des Lebens abarbeiteten. In
den wenigen Stunden, die sie dem alle Sinne lähmenden Schlafe des
ermüdeten Arbeiters abstehlen können, suchen sie in Tavernen und
Spielhäusern die Freude zu haschen, an die sie den Tag über nicht
denken konnten.
Den Tag nach unserer Ankunft eilten wir, den merkwürdigsten Punkt
dieser Gegend, Soho, das zwei Meilen von Birmingham gelegene
Etablissement des Herrn Boulton [Fußnote: Matthew (1728-1809)
gründete mit James Watt die erst Dampfmaschinenfabrik der Welt; die
Fabrikanlagen in Soho gründete er 1762], zu besuchen.
Wir finden in ganz England, vielleicht in ganz Europa keinen
glänzenderen Beweis von dem, was Industrie, Fleiß und anhaltendes
Streben nach einem Ziele vermögen, als diesen kleinen freundlichen
Fleck. Herzlich freuten wir uns, seinen Schöpfer, den achtzigjährigen
Boulton, noch in völliger Geisteslebendigkeit kennen zu lernen,
obgleich sein Körper der Krankheit, dem Alter und der unermüdeten
Arbeit längst unterlag. Wir fanden ihn durch Steinschmerzen völlig
gelähmt; im Hause ließ er sich durch zwei rüstige Bediente
herumtragen; im Freien fuhr er sich selbst in einem der kleinen
bequemen Fuhrwerke, die in England zum Troste der dort so häufigen
Lahmen und Gebrechlichen erfunden wurden. Alles dies hinderte ihn
nicht, uns, die wir ihm durch einen seiner Freunde empfohlen waren,
überall selbst hinzubegleiten. Sein dunkles Auge blitzte von
Jugendfeuer, als er uns erzählte, wie er alle die vielen sich ihm
entgegenstellenden Schwierigkeiten mutig bekämpfte und glücklich
überwand. Freundlich erklärte und zeigte er uns alles. Und als wir in
die dortigen Anlagen traten, die er mit Hilfe einer Dampfmaschine dem
unfruchtbaren Sumpfe abgewann, sprangen uns seine blühenden Enkel
entgegen, spannten sich vor sein Wägelchen und fuhren den
glücklichen Greis wie im Triumph davon.
Achthundert Menschen finden in Soho täglich Arbeit und Brot.
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