Reise durch England und Schottland | Page 5

Johanna Schopenhauer
eine Kuppel
von oben erleuchtete Halle. Am Friese ist ein römischer Triumphzug in
Marmor abgebildet. Marmorsäulen zieren ringsumher diese Halle;
zwischen ihnen stehen marmorne Statuen.
Aus der Halle tritt man in einen kleineren, mit antiken Büsten
verzierten Saal, in dessen Mitte ein schöner Apoll aufgestellt ist. Diese
Statue sowohl als der größte Teil der in der Halle befindlichen, sind
Antiken.
Die nicht ganz modern dekorierten Zimmer enthalten einen Reichtum
an Gemälden, meist Niederländern, namentlich Rembrandts, unter
anderem das eigene Porträt dieses Meisters, dessen Arbeiten in England
besonders hochgeschätzt werden. Ein Kabinett voller Porträts,
größtenteils aus dem merkwürdigen Kreise, den Lord Cobham hier um
sich versammelte, ist sehr sehenswert. Hier findet man Pope, Swift,
Steele, Addison, der ein höchst gutmütiges Gesicht hat, und viele
andere; auch ein Originalporträt der unglücklichen Maria Stuart. Sie ist
in wunderlicher Kleidung mit einem sehr hohen Halskragen dargestellt
und erscheint weit weniger schön, als man sie sich zu denken gewohnt
ist; doch mag auch wohl die nicht außerordentliche Kunst des Malers
daran schuld sein.
Lady Buckingham und ihre Tochter beschäftigen sich auch mit der
Malerei. Die Mutter malt in Öl, die Tochter Pastell; sie haben ein
ganzes Zimmer mit ihren Arbeiten dekoriert, von denen sich übrigens
nichts weiter sagen läßt, als daß es von solchen Damen doch
lobenswert ist, wenn sie ihre Zeit auf diese Weise hinzubringen suchen.

Wir fuhren denselben Abend, an welchem wir uns in Stowe umgesehen
hatten, nach Woodstock, einem Städtchen, das auf vielfache Weise
bekannt ist. Das prächtige Schloß Blenheim, welches die Königin Anna
ihrem Lieblinge, dem Herzog von Marlborough [Fußnote: John
Churchill (1650-1722), Staatsmann und Feldherr, gewann vor allem
durch den Einfluß seiner Frau Sarah auf die Königin Anna, die letzte
Herrscherin aus dem Hause Stuart (1702-14), höchste politische
Macht.], zum Dank für seine erfochtenen Siege schenkte und nach
einem der glänzendsten benannte, liegt ganz nahe daran. Auch werden
hier die vorzüglichsten, in ganz England beliebten Stahlarbeiten nicht
fabrikmäßig, sondern von einzelnen Arbeitern in ihren Häusern
verfertigt. Wir besuchten einen der geschicktesten, um einiges von ihm
zu kaufen. Wie ein Maler, der sein Lieblingsbild mit Gold weggeben
muß, so betrachtete der gute Alte seine besten Scheren und Messer mit
wahrem Künstlerschmerz, ehe er sie uns übergab und ermahnte uns
noch beim Schneiden, sie ja gut zu bewahren und zweimal des Tages
mit Wolle abzureiben: denn ihm schienen sie das Wichtigste, was uns
beschäftigen könnte.
In historischer Hinsicht ist Woodstock besonders merkwürdig. Auf
einer Wiese, die jetzt zum Park von Blenheim gezogen ist, stand einst
ein Landhaus, in welchem die Königin Elisabeth in ihrer Jugend
erzogen, ja gleichsam gefangen gehalten ward. Sie konnte damals nicht
hoffen, daß ihre Ansprüche an die Krone von England einst geltend
werden würden; und eben diese Ansprüche, die sie gewiß oft in jenen
Zeiten bitter beweinte, waren es, die ihr Freiheit, Umgang mit
Menschen und jede Jugendfreude raubten. Hier erwarb sie sich alle die
Kenntnisse, die Festigkeit, Klugheit, welche sie späterhin zur weisen,
glücklichen Regentin machten. Wie war es aber möglich, daß diese
frühere Erfahrung des Unglücks, diese Einsamkeit, diese Bekanntschaft
mit allen Guten und Großen, was weise Männer vor ihrer Zeit dachten
und schrieben, sie nur klug, nicht auch gut machten? Sie, die einst auch
gefangen war, wie konnte sie ihre unglückliche Schwester Leiden
fühlen lassen, welche sie selbst nur zu gut aus Erfahrung kannte und sie
zuletzt dem fürchterlichen Tode auf dem Blutgerüst weihen! Die
Nachwelt ist gerecht. Jeder Engländer spricht noch jetzt von Elisabeth,
dem Weibe, und der Name der unglücklichen Maria wird noch überall

mit Liebe und Mitleid genannt. Die Fehler der Stuart sind vergessen,
aber ihr Unglück und ihre Liebenswürdigkeit lebt noch in allen Herzen.

Blenheim
Als wir uns in Woodstock morgens früh anschickten, nach unserer
Gewohnheit vor's erste den Park zu durchwandern, sahen wir mit
Erstaunen, daß ein himmelhoher Phaeton [Fußnote: leichter, eleganter
Wagen], mit zweien ziemlich unbändig scheinenden Schimmeln
bespannt, unser vor der Tür des Gasthofes harrte. Die Wirtin
versicherte uns mit der in solchen Fällen gebräuchlichen Eloquenz, es
wäre geradezu unmöglich den Park zu Fuße zu sehen. Wir fügten uns
also ihrer Einrichtung, bestiegen das so gefährlich aussehende
Fuhrwerk und hatten alle Ursache, mit diesem Entschlusse zufrieden zu
sein. Der Park ist so groß, daß kaum anderthalb Stunden zu der Fahrt
hinreichten. Die Schimmel waren weniger unbändig, als sie zuerst
schienen, und die große Höhe des jetzt aus der Mode gekommenen
ganz unbedeckten Fuhrwerks erleichterte gar sehr das Umsehen nach
allen Seiten und den Genuß der verschiedenen sich darbietenden
Aussichten.
Übrigens wird Blenheim auf eine noch umständlichere und dadurch
auch kostspieligere Weise gezeigt, als es bei anderen Landsitzen
gebräuchlich ist. Der Geist der stolzen Frau ihrer Zeit, der Lady Sarah,
Marlboroughs Gemahlin, scheint noch jetzt auf die in ihrem
ehemaligen Wohnsitze übliche Etikette Einfluß zu haben.
Ein großes, prächtiges Tor mit zwei Nebengebäuden, die Wohnung des
Türwärters, dient dem Park
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