Der Park mit seinen herrlichen Wiesen und den ehrwürdigen Bäumen
ist von pittoresker Schönheit. Herden zahmer Hirsche und Rehe grasten
darin umher, zu achtzig Stück und mehrere zusammen, mitten unter
ihnen die schönsten, größten Schafe, einige asiatische mit dicken
Fettschwänzen. Die furchtlose Ruhe dieser Tiere von so verschiedenen
Gattungen erfreute uns jedes Mal, so oft wir den lieblichen Anblick
auch sahen; sie führte ein Bild der schönen goldenen Zeit vor die Seele.
Das an sich große Schloß zeichnet sich vor andren weder durch
besondere Pracht noch große Schönheit aus. Es ist zu neu, um
ehrwürdig, zu alt, um elegant zu erscheinen. Nur montags steht es
Fremden offen; für uns traf es sich diesmal sehr glücklich. Wir
durchliefen eine Menge Zimmer voll Gemälden, größtenteils Porträts.
Sechs große wunderschöne van Dycks, ganze Gestalten in Lebensgröße,
fielen uns besonders auf. Dann auch das Porträt des unglücklichen
Grafen Essex, ebenfalls in Lebensgröße. Er hatte eine schlaue, höchst
bedeutende Physiognomie und einen ganz roten Bart. Ihm gegenüber
hängt das Porträt der Königin Elisabeth, im geschmacklosesten,
übertriebensten Putz, ohne allen weiblichen Reiz. Der historischen
Gemälde und Landschaften, größtenteils aus der niederländischen
Schule, sind eine große Anzahl, und darunter gewiß Stücke von hohem
Werte. Auch eine sehr elegante Bibliothek befindet sich im Schlosse.
Das Orangeriehaus ist einfach prächtig. Acht große Marmorsäulen
tragen in der Mitte desselben eine von oben erleuchtete Kuppel und
umgeben eine große, mit Basreliefs geschmückte antike Marmorvase,
über die man ein ganzes Buch schreiben könnte und an der wir flüchtig
vorübereilen mußten.
Zu beiden Seiten der Orangerie ist eine oben bedeckte Promenade
angebracht: sie bildet einen halben Kreis und dient zum
Spazierengehen bei schlechtem Wetter und im Winter. Geißblatt,
Rosen, echter Jasmin, Heliotrop und viele andere ähnliche Gewächse
umranken die Pfeiler und die auf ihnen ruhenden Bogen, welche die
Bedachung tragen; unzählige seltene und schöne Blumen und
Gewächse stehen in Vasen, der Promenade entlang.
Ganz in der Nähe ist das Reithaus, ein anderes Haus zum Ballschlagen
und eine Art von Pracht-Milchkammer, mit Fenstern von gemaltem
Glase. Alle zur Milcherei gehörigen Gefäße sind darin von seltenem
japanischen und chinesischen Porzellan--Die eigentlichen Spaziergänge
fanden wir, im Vergleich mit den übrigen, weder groß noch prächtig,
aber geschmackvoll angelegt.
Stowe's Garden
Landsitz des Marquis von Buckingham
Diese Gärten werden mit Recht für die schönsten und prächtigsten in
England gehalten und liegen in nicht gar großer Entfernung von
Woburn. Wir erreichten sie noch denselben Abend, nachdem wir
nachmittags Woburn verlassen hatten, und fanden in dem dicht
daneben liegenden Gasthofe sehr gute Bedienung.
Stowe's Garden enthält einen Reichtum von Tempeln, Obelisken,
Säulen, Pavillons aller Art. In jedem beschränkteren Platze ist freilich
weise Sparsamkeit mit solchen Verzierungen nicht genug zu empfehlen;
aber hier in diesem großen Raume fällt die Anzahl der Gebäude nur auf,
weil man jedesmal die glückliche Wahl bewundern muß, mit der sie
angebracht sind, und zugleich den Reichtum, der die Mittel darbot, auf
eine so kostbare Weise eines der natürlich schönsten Plätzchen der
Erde noch zu verschönern. Unmöglich ist's, diese Gärten durch bloße
Worte darzustellen, man muß sie gesehen haben, um sie sich denken zu
können. Sie bilden die schönste, lieblichste Landschaft, die nur eine
Dichter-Phantasie erfinden konnte. Auch wandelt man hier auf
klassischem Boden. Lord Cobham, dem sie hauptsächlich ihre
Verschönerung verdanken, lebte hier in der glänzendsten Zeit der
englischen Literatur. Die besten Köpfe Britanniens waren seine
Freunde und teilten in diesem reizenden Aufenthalte frohe Tage mit
ihm.
Auch ist alles getan worden, um hier das Andenken jenes seltenen
Vereins zu erhalten. In einem der Freundschaft gewidmeten Tempel
stehen Cobhams und seiner Freunde Büsten in Marmor, eine Art
halboffener Rotunde enthält die Büsten merkwürdiger Menschen, die
zu verschiedenen Zeiten sich um das Vaterland verdient gemacht haben.
König Alfred, Königin Elisabeth, Pope, Newton, Franz Drake und
mehrere andere, durch Jahrhunderte voneinander getrennt, sieht man
hier, wo nur das allen gemeinsame Streben gilt, in geschwisterlichem
Vereine.
Eine hohe Säule, welche Lord Cobham zu erbauen anfing, ist von
seinem Nachfolger Lord Temple vollendet und seinem Andenken
gewidmet. Sie ist inwendig hohl und enthält eine hundertsiebzig Stufen
hohe Wendeltreppe. Man genießt oben einer vortrefflichen Aussicht
nach Oxford zu. Eine andere Säule steht hier zum Andenken des
General Wolf; eine kleinere, mit einem Globus verziert, zu Ehren des
Weltumseglers Kapitän Cook.
Noch müssen wir eines gotischen Tempels gedenken, mit Fenstern von
gefärbtem Glase, durch welche die Gegend umher sich wunderbar
ausnimmt. Diese Anlagen sind reich an schönen alten Bäumen,
besonders Eichen und Zypressen; ein ungeheuer großer Taxusbaum
zeichnet sich besonders aus. Schattige Gänge ziehen sich um einen
kleinen See. Einige natürliche Wasserfälle, schöne malerische Brücken,
alles ist hier vereint, was einen solchen Platz nur zu verschönern
vermag.
Das Haus besteht aus einem zwei Stock hohen Hauptgebäude und zwei
Flügeln von einem Stock. Unter einer von Marmorsäulen getragenen,
weit vorspringenden Attika blühen die seltensten Pflanzen in
Blumentöpfen. Von hier tritt man in die prächtige, durch
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