Reineke Fuchs | Page 8

Johann Wolfgang von Goethe

Herrn geliebtes Söhnchen; er knüpfte Klug vor die öffnung den Strick
mit einer Schlinge; so hofft' er Seinen Hahn zu rächen am
wiederkehrenden Diebe.
Reineke wußt und merkte sich das und sagte:
Geliebter
Neffe, kriechet hinein gerade zur öffnung; ich halte


Wache davor, indessen Ihr mauset; Ihr werdet zu Haufen
Sie im
Dunkeln erhaschen. O höret, wie munter sie pfeifen!
Seid Ihr satt, so
kommt nur zurück, Ihr findet mich wieder. Trennen dürfen wir nicht
uns diesen Abend, denn morgen
Gehen wir früh und kürzen den Weg
mit muntern Gesprächen.
Glaubt Ihr, sagte der Kater, es sei hier
sicher zu kriechen? Denn es haben mitunter die Pfaffen auch Böses im
Sinne.
Da versetzte der Fuchs, der Schelm: Wer konnte das wissen!

Seid Ihr so blöde? Wir gehen zurück: es soll Euch mein Weibchen Gut
und mit Ehren empfangen, ein schmackhaft Essen bereiten; Wenn es
auch Mäuse nicht sind, so laßt es uns fröhlich verzehren. Aber Hinze,
der Kater, sprang in die öffnung, er schämte
Sich vor Reinekens
spottenden Worten, und fiel in die Schlinge. Also empfanden
Reinekens Gäste die böse Bewirtung.
Da nun Hinze den Strick an seinem Halse verspürte,
Fuhr er ängstlich
zusammen und übereilte sich furchtsam,
Denn er sprang mit Gewalt:
da zog der Strick sich zusammen. Kläglich rief er Reineken zu, der
außer dem Loche
Horchte, sich hämisch erfreute und so zur öffnung
hineinsprach: Hinze, wie schmecken die Mäuse? Ihr findet sie, glaub
ich, gemästet. Wüßte Martinchen doch nur, daß Ihr sein Wildbret
verzehret; Sicher brächt er Euch Senf: er ist ein höflicher Knabe.

Singet man so bei Hofe zum Essen? Es klingt mir bedenklich. Wüßt ich
Isegrim nur in diesem Loche, so wie ich
Euch zu Falle gebracht, er
sollte mir alles bezahlen,
Was er mir übels getan! Und so ging
Reineke weiter.
Aber er ging nicht allein, um Diebereien zu üben;

Ehbruch, Rauben und Mord und Verrat, er hielt es nicht sündlich. Und
er hatte sich eben was ausgesonnen. Die schöne
Gieremund wollt er
besuchen, in doppelter Absicht: fürs erste Hofft er von ihr zu erfahren,
was eigentlich Isegrim klagte; Zweitens wollte der Schalk die alten
Sünden erneuern.
Isegrim war nach Hofe gegangen, das wollt er
benutzen.
Denn wer zweifelt daran, es hatte die Neigung der Wölfin

Zu dem schändlichen Fuchse den Zorn des Wolfes entzündet.

Reineke trat in die Wohnung der Frauen und fand sie nicht heimisch.
Grüß euch Gott! Stiefkinderchen! sagt' er, nicht mehr und nicht minder,
Nickte freundlich den Kleinen und eilte nach seinem Gewerbe. Als

Frau Gieremund kam des Morgens, wie es nur tagte,
Sprach sie: Ist
niemand kommen, nach mir zu fragen? Soeben
Geht Herr Pate
Reineke fort, er wünscht' Euch zu sprechen.
Alle, wie wir hier sind,
hat er Stiefkinder geheißen.
Da rief Gieremund aus: Er soll es
bezahlen! und eilte,
Diesen Frevel zu rächen zur selben Stunde. Sie
wußte,
Wo er pflegte zu gehn; sie erreicht' ihn, zornig begann sie:
Was für Worte sind das? und was für schimpfliche Reden
Habt Ihr
ohne Gewissen vor meinen Kindern gesprochen?
Büßen sollt Ihr
dafür! So sprach sie zornig und zeigt' ihm
Ein ergrimmtes Gesicht;
sie faßt' ihn am Barte, da fühlt' er Ihrer Zähne Gewalt und lief und wollt
ihr entweichen;
Sie behend strich hinter ihm drein. Da gab es
Geschichten-- Ein verfallenes Schloß war in der Nähe gelegen,
Hastig
liefen die beiden hinein; es hatte sich aber
Altershalben die Mauer in
einem Turme gespalten.
Reineke schlupfte hindurch; allein er mußte
sich zwängen,
Denn die Spalte war eng; und eilig steckte die Wölfin,

Groß und stark, wie sie war, den Kopf in die Spalte; sie drängte,
Schob und brach und zog und wollte folgen, und immer
Klemmte sie
tiefer sich ein und konnte nicht vorwärts noch rückwärts. Da das
Reineke sah, lief er zur anderen Seite
Krummen Weges herein und
kam und macht' ihr zu schaffen.
Aber sie ließ es an Worten nicht
fehlen, sie schalt ihn: Du handelst Als ein Schelm! ein Dieb! Und
Reineke sagte dagegen:
Ist es noch niemals geschehn, so mag es jetzo
geschehen.
Wenig Ehre verschafft es, sein Weib mit andern zu sparen,
Wie nun
Reineke tat. Gleichviel war alles dem Bösen.
Da nun endlich die
Wölfin sich aus der Spalte gerettet,
War schon Reineke weg und
seine Straße gegangen.
Und so dachte die Frau, sich selber Recht zu
verschaffen,
Ihrer Ehre zu wahren, und doppelt war sie verloren.
Lasset uns aber zurück nach Hinzen sehen. Der Arme,
Da er
gefangen sich fühlte, beklagte nach Weise der Kater
Sich erbärmlich:
das hörte Martinchen und sprang aus dem Bette. Gott sei Dank! Ich
habe den Strick zur glücklichen Stunde
Vor die öffnung geknüpft; der

Dieb ist gefangen! Ich denke, Wohl bezahlen soll er den Hahn! So
jauchzte Martinchen.
Zündete hurtig ein Licht an (im Hause schliefen
die Leute), Weckte Vater und Mutter darauf und alles Gesinde,
Rief:
Der Fuchs ist gefangen! wir wollen ihm dienen. Sie kamen Alle, groß
und klein, ja selbst der Pater erhub sich,
Warf ein Mäntelchen um; es
lief mit doppelten Lichtern
Seine Köchin voran, und eilig hatte
Martinchen
Einen Knüttel gefaßt und machte sich über den Kater,

Traf ihm Haut und Haupt und schlug ihm grimmig ein Aug aus.
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