Reineke Fuchs | Page 7

Johann Wolfgang von Goethe
Wie kommt er
So geschändet? Und Braun
versetzte: Leider erbärmlich
Ist das Ungemach, das Ihr erblickt; so
hat mich der Frevler Reineke schändlich verraten! Da sprach der König
entrüstet: Rächen will ich gewiß ohn alle Gnade den Frevel.
Solch
einen Herrn wie Braun, den sollte Reineke schänden?
Ja, bei meiner
Ehre, bei meiner Krone! das schwör ich,
Alles soll Reineke büßen,
was Braun zu Rechte begehret.
Halt ich mein Wort nicht, so trag ich
kein Schwert mehr, ich will es geloben!
Und der König gebot, es solle der Rat sich versammeln,
Überlegen
und gleich der Frevel Strafe bestimmen.
Alle rieten darauf, wofern es
dem König beliebte,
Solle man Reineken abermals fordern, er solle
sich stellen, Gegen Anspruch und Klage sein Recht zu wahren. Es
könne
Hinze, der Kater, sogleich die Botschaft Reineken bringen,

Weil er klug und gewandt sei. So rieten sie alle zusammen.
Und es vereinigte sich der König mit seinen Genossen,
Sprach zu
Hinzen: Merket mir recht die Meinung der Herren!
Ließ' er sich aber
zum drittenmal fordern, so soll es ihm selbst und Seinem ganzen
Geschlecht zum ewigen Schaden gereichen;
Ist er klug, so komm er
inzeiten. Ihr schärft ihm die Lehre; Andre verachtet er nur, doch Eurem
Rate gehorcht er.

Aber Hinze versetzte: Zum Schaden oder zum Frommen
Mag es
gereichen, komm ich zu ihm, wie soll ichs beginnen?
Meinetwegen
tut oder laßt es, aber ich dächte,
Jeden andern zu schicken, ist besser,
da ich so klein bin.
Braun, der Bär, so groß und stark, und konnt ihn
nicht zwingen, Welcher Weise soll ich es enden? O! habt mich
entschuldigt.
Du beredest mich nicht, versetzte der König: man findet
Manchen
kleinen Mann voll List und Weisheit, die manchem
Großen fremd ist.
Seid Ihr auch gleich kein Riese gewachsen, Seid Ihr doch klug und
gelehrt. Da gehorchte der Kater und sagte: Euer Wille geschehe! und
kann ich ein Zeichen erblicken
Rechter Hand am Wege, so wird die
Reise gelingen.
Dritter Gesang
Nun war Hinze, der Kater, ein Stückchen Weges gegangen;
Einen
Martins-Vogel erblickt' er von weitem, da rief er:
Edler Vogel! Glück
auf. o wende die Flügel und fliege
Her zu meiner Rechten! Es flog
der Vogel und setzte
Sich zur Linken des Katers, auf einem Baume
zu singen.
Hinze betrübte sich sehr, er glaubte sein Unglück zu hören,
Doch er machte nun selber sich Mut, wie mehrere pflegen.
Immer
wandert' er fort nach Malepartus, da fand er
Vor dem Hause
Reineken sitzen, er grüßt' ihn und sagte:
Gott, der reiche, der gute,
bescher Euch glücklichen Abend! Euer Leben bedrohet der König,
wofern Ihr Euch weigert,
Mit nach Hofe zu kommen; und ferner läßt
er Euch sagen:
Stehet den Klägern zu Recht, sonst werdens die
Eurigen büßen. Reineke sprach: Willkommen dahier, geliebtester Neffe!

Möget Ihr Segen von Gott nach meinem Wunsche genießen.
Aber
er dachte nicht so in seinem verrätrischen Herzen;
Neue Tücke sann
er sich aus, er wollte den Boten
Wieder geschändet nach Hofe senden.
Er nannte den Kater
Immer seinen Neffen und sagte: Neffe, was setzt
man
Euch für Speise nur vor? Man schläft gesättiget besser;
Einmal
bin ich der Wirt, wir gingen dann morgen am Tage
Beide nach Hofe:

so dünkt es mich gut. Von meinen Verwandten Ist mir keiner bekannt,
auf den ich mich lieber verließe.
Denn der gefräßige Bär war trotzig
zu mir gekommen.
Er ist grimmig und stark, daß ich um vieles nicht
hätte
Ihm zur Seite die Reise gewagt. Nun aber versteht sichs,

Gerne geh ich mit Euch. Wir machen uns frühe des Morgens
Auf den
Weg: so scheinet es mir das beste geraten.
Hinze versetzte darauf. Es
wäre besser, wir machten
Gleich uns fort nach Hofe, so wie wir
gehen und stehen.
Auf der Heide scheinet der Mond, die Wege sind
trocken.
Reineke sprach: Ich finde bei Nacht das Reisen gefährlich,

Mancher grüßet uns freundlich bei Tage, doch käm er im Finstern Uns
in den Weg, es möchte wohl kaum zum besten geraten.
Aber Hinze
versetzte: So laßt mich wissen, mein Neffe,
Bleib ich hier, was sollen
wir essen? Und Reineke sagte:
Ärmlich behelfen wir uns; doch wenn
Ihr bleibet, so bring ich Frische Honigscheiben hervor, ich wähle die
klärsten.
Niemals eß ich dergleichen, versetzte murrend der Kater:

Fehlet Euch alles im Hause, so gebt eine Maus her! Mit dieser Bin ich
am besten versorgt, und sparet das Honig für andre. Eßt Ihr Mäuse so
gern? sprach Reineke: redet mir ernstlich; Damit kann ich Euch dienen.
Es hat mein Nachbar, der Pfaffe, Eine Scheun im Hofe, darin sind
Mäuse, man führe
Sie auf keinem Wagen hinweg: ich höre den
Pfaffen
Klagen, daß sie bei Nacht und Tag ihm lästiger werden.

Unbedächtig sagte der Kater: Tut mir die Liebe,
Bringet mich hin zu
den Mäusen! denn über Wildbret und alles Lob ich mir Mäuse, die
schmecken am besten. Und Reineke sagte: Nun wahrhaftig, Ihr sollt
mir ein herrliches Gastmahl genießen. Da mir bekannt ist, womit ich
Euch diene, so laßt uns nicht zaudern.
Hinze glaubt' ihm und folgte; sie kamen zur Scheune des Pfaffen, Zu
der lehmernen Wand. Die hatte Reineke gestern
Klug durchgraben
und hatte durchs Loch dem schlafenden Pfaffen Seiner Hähne den
besten entwendet. Das wollte Martinchen
Rächen, des geistlichen
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