Reineke Fuchs | Page 5

Johann Wolfgang von Goethe
werdet dagegen
An des Königes Hof am
Herren-Tage mir dienen,
Daß ich der Feinde Gewalt und ihre Klagen
beschäme.
Honigsatt mach ich Euch heute, so viel Ihr immer nur
tragen Möget.--Es meinte der Schalk die Schläge der zornigen Bauern.
Reineke lief ihm zuvor, und blindlings folgte der Braune.
Will mirs
gelingen, so dachte der Fuchs: ich bringe dich heute Noch zu Markte,
wo dir ein bittrer Honig zuteil wird.
Und sie kamen zu Rüsteviels
Hofe; das freute den Bären,
Aber vergebens, wie Toren sich oft mit
Hoffnung betrügen.
Abend war es geworden, und Reineke wußte, gewöhnlich
Liege

Rüsteviel nun in seiner Kammer zu Bette,
Der ein Zimmermann war,
ein tüchtiger Meister. Im Hofe
Lag ein eichener Stamm; er hatte,
diesen zu trennen,
Schon zwei tüchtige Keile hineingetrieben, und
oben,
Klaffte gespalten der Baum fast ellenweit. Reineke merkt' es,
Und er sagte: Mein Oheim, in diesem Baume befindet
Sich des
Honigs mehr, als Ihr vermutet; nun stecket
Eure Schnauze hinein, so
tief Ihr möget. Nur rat ich,
Nehmt nicht gierig zu viel, es möcht Euch
übel bekommen.
Meint Ihr, sagte der Bär, ich sei ein Vielfraß?
mitnichten! Maß ist überall gut, bei allen Dingen. Und also
Ließ der
Bär sich betören und steckte den Kopf in die Spalte Bis an die Ohren
hinein und auch die vordersten Füße.
Reineke machte sich dran, mit
vielem Ziehen und Zerren
Bracht er die Keile heraus: nun war der
Braune gefangen,
Haupt und Füße geklemmt; es half kein Schelten
noch Schmeicheln. Vollauf hatte der Braune zu tun, so stark er und
kühn war,
Und so hielt der Neffe mit List den Oheim gefangen.

Heulend plärrte der Bär, und mit den hintersten Füßen
Scharrt' er
grimmig und lärmte so sehr, daß Rüsteviel aufsprang. Was es wäre?
dachte der Meister und brachte sein Beil mit,
Daß man bewaffnet ihn
fände, wenn jemand zu schaden gedächte. Braun befand sich indes in
großen ängsten; die Spalte
Klemmt' ihn gewaltig, er zog und zerrte,
brüllend vor Schmerzen. Aber mit alle der Pein war nichts gewonnen;
er glaubte
Nimmer von dannen zu kommen; so meint' auch Reineke
freudig. Als er Rüsteviel sah von ferne schreiten, da rief er:
Braun,
wie steht es? Mäßiget Euch und schonet des Honigs!
Sagt, wie
schmeckt es? Rüsteviel kommt und will Euch bewirten! Nach der
Mahlzeit bringt er ein Schlückchen, es mag Euch bekommen!
Da ging Reineke wieder nach Malepartus, der Feste.
Aber Rüsteviel
kam, und als er den Bären erblickte,
Lief er, die Bauern zu rufen, die
noch in der Schenke beisammen Schmauseten. Kommt! so rief er: in
meinem Hofe gefangen
Hat sich ein Bär, ich sage die Wahrheit. Sie
folgten und liefen, Jeder bewehrte sich eilig, so gut er konnte. Der eine

Nahm die Gabel zur Hand, und seinen Rechen der andre,
Und der
dritte, der vierte, mit Spieß und Hacke bewaffnet,
Kamen gesprungen,

der fünfte mit einem Pfahle gerüstet.
Ja, der Pfarrer und Küster, sie
kamen mit ihrem Geräte.
Auch die Köchin des Pfaffen (sie hieß Frau
Jutte, sie konnte Grütze bereiten und kochen wie keine) blieb nicht
dahinten, Kam mit dem Rocken gelaufen, bei dem sie am Tage
gesessen,
Dem unglücklichen Bären den Pelz zu waschen. Der
Braune
Hörte den wachsenden Lärm in seinen schrecklichen Nöten,

Und er riß mit Gewalt das Haupt aus der Spalte; da blieb ihm Haut
und Haar des Gesichts bis zu den Ohren im Baume.
Nein! kein
kläglicher Tier hat jemand gesehen! es rieselt'
Über die Ohren das
Blut. Was half ihm, das Haupt zu befreien? Denn es blieben die Pfoten
im Baume stecken; da riß er
Hastig sie ruckend heraus; er raste
sinnlos, die Klauen
Und von den Füßen das Fell blieb in der
klemmenden Spalte.
Leider schmeckte dies nicht nach süßem Honig,
wozu ihm
Reineke Hoffnung gemacht; die Reise war übel geraten,

Eine sorgliche Fahrt war Braunen geworden. Es blutet'
Ihm der Bart
und die Füße dazu, er konnte nicht stehen,
Konnte nicht kriechen,
noch gehn. Und Rüsteviel eilte, zu schlagen, Alle fielen ihn an, die mit
dem Meister gekommen;
Ihn zu töten, war ihr Begehr. Es führte der
Pater
Einen langen Stab in der Hand und schlug ihn von ferne.

Kümmerlich wandt er sich hin und her, es drängt' ihn der Haufen,
Einige hier mit Spießen, dort andre mit Beilen, es brachte
Hammer
und Zange der Schmied, es kamen andre mit Schaufeln, Andre mit
Spaten, sie schlugen drauflos und riefen und schlugen, Daß er vor
schmerzlicher Angst im eignem Unflat sich wälzte. Alle setzten ihm zu,
es blieb auch keiner dahinten;
Der krummbeinige Schloppe mit dem
breitnasigen Ludolf
Waren die Schlimmsten, und Gerold bewegte den
hölzernen Flegel Zwischen den krummen Fingern; ihm stand sein
Schwager zur Seite, Kückelrei war es, der dicke, die beiden schlugen
am meisten. Abel Quack und Frau Jutte dazu, sie ließens nicht fehlen;

Talke Lorden Quacks traf mit der Butte den Armen.
Und nicht
diese Genannten allein, denn Männer und Weiber,
Alle liefen herzu
und wollten das Leben des Bären.
Kückelrei machte das meiste
Geschrei, er dünkte sich vornehm: Denn Frau Willigetrud am hinteren
Tore (man wußt es)
War die Mutter, bekannt war nie sein Vater

geworden.
Doch es meinten die Bauern, der Stoppelmäher, der
schwarze
Sander, sagten sie, möcht es wohl sein,
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