guter Freund. "Komm mit mir", sagte ich
kühn, "es soll dir gar nichts kosten, Lisei!"
"Meinst?" fragte sie noch; dann liefen wir beide nach dem Markt und in
das Haus des Onkels. Der alte Gabriel stand wie immer in seinem
pfeffer- und salzfarbenen Rock hinter dem Ladentisch, und als ich ihm
unser Anliegen deutlich gemacht hatte, kramte er gutmütig einen
Haufen "Rester" auf den Tisch zusammen.
"Schau, das hübsch Brinnrot!" sagte Lisei und nickte begehrlich nach
einem Stückchen französischen Kattuns hinüber.
"Kannst es brauchen?" fragte Gabriel.--Ob sie es brauchen konnte! Der
Ritter Siegfried sollte ja auf den Abend noch eine neue Weste
geschneidert bekommen.
"Aber da gehören auch die Tressen noch dazu", sagte der Alte und
brachte allerlei Endchen Gold- und Silberflitter. Bald kamen noch
grüne und gelbe Seidenläppchen und Bänder, endlich ein ziemlich
großes Stück braunen Plüsches. "Nimm's nur, Kind!" sagte Gabriel.
"Das gibt ein Tierfell für euere Genoveva, wenn das alte vielleicht
verschossen wäre!" Dann packte er die ganze Herrlichkeit zusammen
und legte sie der Kleinen in den Arm.
"Und es kost't nix?" fragte sie beklommen.
Nein, es kostete nichts. Ihre Augen leuchteten. "Schön' Dank, guter
Mann! Ach, wird der Vater schauen!"
Hand in Hand, Lisei mit ihrem Päckchen unter dem Arm, verließen wir
den Laden; als wir aber in die Nähe unserer Wohnung kamen, ließ sie
mich los und rannte über die Straße nach der Schneiderherberge, daß
ihr die schwarzen Flechten in den Nacken flogen.--Nach dem
Mittagessen stand ich vor unserer Haustür und erwog unter
Herzklopfen das Wagnis, schon heute zur ersten Vorstellung meinen
Vater um das Eintrittsgeld anzugehen; ich war ja mit der Galerie
zufrieden, und sie sollte für uns Jungens nur einen Doppeltschilling
kosten. Da, bevor ich's noch bei mir ins reine gebracht hatte, kam das
Lisei über die Straße zu mir hergeflogen. "Der Vater schickt's!" sagte
sie, und eh ich mich's versah, war sie wieder fort; aber in meiner Hand
hielt ich eine rote Karte, darauf stand mit großen Buchstaben: Erster
Platz.
Als ich aufblickte, winkte auch von drüben der kleine schwarze Mann
mit beiden Armen aus der Bodenluke zu mir herüber. Ich nickte ihm zu;
was mußten das für nette Leute sein, diese Puppenspieler! "Also heute
abend", sagte ich zu mir selber, "heute abend und--Erster Platz!"
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Du kennst unsern Schützenhof in der Süderstraße; auf der Haustür sah
man damals noch einen schön gemalten Schützen in Lebensgröße, mit
Federhut und Büchse; im übrigen war aber der alte Kasten damals noch
baufälliger, als er heute ist. Die Gesellschaft war bis auf drei Mitglieder
herabgesunken; die vor Jahrhunderten von den alten Landesherzögen
geschenkten silbernen Pokale, Pulverhörner und Ehrenketten waren
nach und nach verschleudert; den großen Garten, der, wie du weißt, auf
den Bürgersteig hinausläuft, hatte man zur Schaf- und Ziegengräsung
verpachtet. Das alte zweistöckige Haus wurde von niemandem weder
bewohnt noch gebraucht; windrissig und verfallen stand es da zwischen
den munteren Nachbarhäusern; nur in dem öden weißgekalkten Saale,
der fast das ganze obere Stockwerk einnahm, produzierten mitunter
starke Männer oder durchreisende Taschenspieler ihre Künste. Dann
wurde unten die große Haustür mit dem gemalten Schützenbruder
knarrend aufgeschlossen. --Langsam war es Abend geworden; und--das
Ende trug die Last, denn mein Vater wollte mich erst fünf Minuten vor
dem angesetzten Glockenschlage laufen lassen; er meinte, eine Übung
in der Geduld sei sehr vonnöten, damit ich im Theater stillesitze.
Endlich war ich an Ort und Stelle. Die große Tür stand offen, und
allerlei Leute wanderten hinein; denn derzeit ging man noch gern zu
solchen Vergnügungen; nach Hamburg war eine weite Reise, und nur
wenige hatten sich die kleinen Dinge zu Hause durch die dort zu
schauenden Herrlichkeiten leid machen können.--Als ich die eichene
Wendeltreppe hinaufgestiegen war, fand ich Liseis Mutter am Eingange
des Saales an der Kasse sitzen. Ich näherte mich ihr ganz vertraulich
und dachte, sie würde mich so recht als einen alten Bekannten
begrüßen; aber sie saß stumm und starr und nahm mir meine Karte ab,
als wenn ich nicht die geringste Beziehung zu ihrer Familie
hätte.--Etwas gedemütigt trat ich in den Saal; der kommenden Dinge
harrend, plauderte alles mit halber Stimme durcheinander; dazu fiedelte
unser Stadtmusikus mit drei seiner Gesellen. Das erste, worauf meine
Augen fielen, war in der Tiefe des Saales ein roter Vorhang oberhalb
der Musikantenplätze. Die Malerei in der Mitte desselben stellte zwei
lange Trompeten vor, die kreuzweise über einer goldenen Leier lagen;
und, was mir damals sehr sonderbar erschien, an dem Mundstück einer
jeden hing, wie mit den leeren Augen daraufgeschoben, hier eine
finster, dort eine lachend ausgeprägte Maske.--Die drei vordersten
Plätze waren schon besetzt; ich drängte mich in die vierte Bank, wo ich
einen Schulkameraden bemerkt hatte, der dort neben seinen Eltern saß.
Hinter uns bauten sich die Plätze schräg ansteigend in die Höhe, so daß
der letzte, die sogenannte Galerie, welche nur zum Stehen war, sich fast
mannshoch über dem Fußboden befinden
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