Philotas | Page 7

Gotthold Ephraim Lessing
aber du
wirst besser, als er.
Philotas. Kein Lob zum Nachteile meines Vaters!--Ändere deinen
Schwur! Komm, ändere ihn so: Wenn du dein Wort nicht hältst, so
möge dein Sohn ein Feiger, ein Nichtswürdiger werden; er möge, wenn
er zwischen Tod und Schande zu wählen hat, die Schande wählen; er
möge neunzig Jahre ein Spott der Weiber leben, und noch im
neunzigsten Jahre ungern sterben.
Parmenio. Ich entsetze mich--doch schwöre ich: das mög' er!--Höret
den gräßlichsten der Schwüre, ihr Götter!
Philotas. Höret ihn!--Nun gut, nun kannst du gehen, Parmenio. Wir
haben einander lange genug aufgehalten, und fast zu viel Umstände
über eine Kleinigkeit gemacht. Denn ist es nicht eine wahre Kleinigkeit,
meinem Vater zu sagen, ihn zu überreden, daß er mich nicht eher als
morgen auswechsle? Und wenn er ja die Ursache wissen will; wohl, so
erdenke dir unter Weges eine Ursache.
Parmenio. Das will ich auch! Ich habe zwar, so alt ich geworden bin,
noch nie eine Unwahrheit gesonnen. Aber doch, dir zuliebe, Prinz--Laß
mich nur; das Böse lernt sich auch noch im Alter.--Lebe wohl!
Philotas. Umarme mich!--Geh!

Sechster Auftritt.
Philotas.
Es soll so viele Betrüger in der Welt geben, und das Betrügen ist doch
so schwer, wenn es auch in der besten Absicht geschieht.--Habe ich
mich nicht wenden und winden müssen!--Mache nur, guter Parmenio,
daß mich mein Vater erst morgen auslöset, und er soll mich gar nicht
auszulösen brauchen.--Nun habe ich Zeit genug gewonnen! Zeit genug,
mich in meinem Vorsatze zu bestärken--Zeit genug, die sichersten
Mittel zu wählen.--Mich in meinem Vorsatze zu bestärken?--Wehe mir,

wenn ich dessen bedarf!--Standhaftigkeit des Alters, wenn du mein Teil
nicht bist, o so stehe du mir bei, Hartnäckigkeit des Jünglings!
Ja, es bleibt dabei! es bleibt fest dabei!--Ich fühl' es, ich werde
ruhig,--ich bin ruhig!--Der du itzt da stehest, Philotas--(indem er sich
selbst betrachtet)--Ha! es muß ein trefflicher, ein großer Anblick sein:
ein Jüngling gestreckt auf den Boden, das Schwert in der Brust!--
Das Schwert? Götter! o ich Elender! ich Ärmster!--Und itzt erst werde
ich es gewahr? Ich habe kein Schwert; ich habe nichts! Es ward die
Beute des Kriegers, der mich gefangen nahm.--Vielleicht hätte er es
mir gelassen, aber Gold war der Heft.--Unseliges Gold, bist du denn
immer das Verderben der Tugend!
Kein Schwert? Ich kein Schwert?--Götter, barmherzige Götter, dies
einzige schenket mir! Mächtige Götter, die ihr Erde und Himmel
erschaffen, ihr könntet mir kein Schwert schaffen,--wenn ihr wolltet?--
Was ist nun mein großer, schimmernder Entschluß? Ich werde mir
selbst ein bitteres Gelächter--
Und da kömmt er auch schon wieder, der König.--Still! Wenn ich das
Kind spielte?--Dieser Gedanke verspricht etwas.--Ja! Vielleicht bin ich
glücklich--

Siebenter Auftritt.
Aridäus. Philotas.
Aridäus. Nun sind die Boten fort, mein Prinz. Sie sind auf den
schnellesten Pferden abgegangen, und das Hauptlager deines Vaters ist
so nahe, daß wir in wenig Stunden Antwort erhalten können.
Philotas. Du bist also, König, wohl sehr ungeduldig, deinen Sohn
wieder zu umarmen?
Aridäus. Wird es dein Vater weniger sein, dich wieder an seine Brust
zu drücken?--Laß mich aber, liebster Prinz, deine Gesellschaft

genießen. In ihr wird mir die Zeit schneller verschwinden; und
vielleicht, daß es auch sonst glückliche Folgen hat, wenn wir uns näher
kennen. Liebenswürdige Kinder sind schon oft die Mittelspersonen
zwischen veruneinigten Vätern gewesen. Folge mir also in mein Zelt,
wo die besten meiner Befehlshaber deiner warten. Sie brennen vor
Begierde, dich zu sehen und zu bewundern.
Philotas. Männer, König, müssen kein Kind bewundern. Laß mich also
nur immer hier. Scham und Ärgernis würden mich eine sehr einfältige
Person spielen lassen. Und was deine Unterredung mit mir anbelangt--
da seh' ich vollends nicht, was daraus kommen könnte. Ich weiß weiter
nichts, als daß du und mein Vater in Krieg verwickelt sind; und das
Recht--das Recht, glaub' ich, ist auf seiten meines Vaters. Das glaub'
ich, König, und will es nun einmal glauben--wenn du mir auch das
Gegenteil unwidersprechlich zeigen könntest. Ich bin Sohn und Soldat,
und habe weiter keine Einsicht, als die Einsicht meines Vaters und
meines Feldherrn.
Aridäus. Prinz, es zeiget einen großen Verstand, seinen Verstand so zu
verleugnen. Doch tut es mir leid, daß ich mich also auch vor dir nicht
soll rechtfertigen können.--Unseliger Krieg!--
Philotas. Jawohl, unseliger Krieg!--Und wehe seinem Urheber!
Aridäus. Prinz! Prinz! erinnere dich, daß dein Vater das Schwert zuerst
gezogen. Ich mag in deine Verwünschung nicht einstimmen. Er hatte
sich übereilt, er war zu argwöhnisch--
Philotas. Nun ja; mein Vater hat das Schwert zuerst gezogen. Aber
entsteht die Feuersbrunst erst dann, wenn die lichte Flamme durch das
Dach schlägt? Wo ist das geduldige, gallose, unempfindliche Geschöpf,
das durch unaufhörliches Necken nicht zu erbittern wäre?--Bedenke,--
denn du zwingst mich mit aller Gewalt von Dingen zu reden, die mir
nicht zukommen--bedenke, welch eine stolze, verächtliche Antwort du
ihm erteiltest, als er--Doch du sollst mich nicht zwingen; ich will nicht
davon sprechen! Unsere Schuld und Unschuld sind unendlicher
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