»Ich habe mein Motorboot, mein Zelt und Konserven für zwei Monate.
Ich werde Sie bitten, mir drei gewöhnliche Feuerwerksraketen zu geben.
Sie haben sie ja an Bord zur Unterhaltung Ihres Publikums. Wir
machen das Motorboot mit allem Inhalt klar, so daß wir es in einigen
Minuten ins Wasser setzen können. Wir kommen ja dicht an der Insel
vorbei. Sobald wir vom Schiffe aus einen Landungsplatz sehen, setzen
Sie mich ins Wasser. Sie sind dann so liebenswürdig, mit halber Kraft
weiterzufahren. Komme ich glücklich ans Land, lasse ich alle drei
Raketen aufsteigen, und Sie dampfen ruhig weiter. Ich verspreche
Ihnen, es erst dann zu tun, wenn ich heil und gesund am Lande bin.
Lasse ich nur zwei Raketen steigen, bedeutet das, daß ich nicht landen
kann und Sie auf mich warten müssen. Eine Rakete allein heißt, daß ich
in Gefahr bin, und Sie mir ein Boot zu Hilfe schicken müssen.
Einverstanden?«
»Ja, unter der Bedingung, daß Sie sich vom Schiff noch so viele
Konserven mitnehmen, daß Sie für ein halbes Jahr versorgt sind. Nach
drei Monaten bin ich zwar wieder hier -«
»Und mein Freund, Jakob Silberland, ist dann mit Ihnen.«
»Der Herr, der zum Kolonialamt gehen soll?«
»Derselbe. Ich danke Ihnen, Herr Kapitän.«
»Sie haben mir nichts zu danken. Ich bitte Sie nur, in meine Kabine zu
gehen und sich alles noch einmal in Ruhe zu überlegen. Dort können
Sie auch Ihren Brief schreiben. Lassen Sie sich auch Ihr Abendessen
dorthin bringen, damit Sie ganz ungestört sind. In einer Stunde komme
ich zu Ihnen hinunter, und wir können dann alles bis ins Kleinste
besprechen.«
Paul Seebeck verließ mit einer leichten Verbeugung die
Kommandobrücke.
- - - Drei Stunden nach Mitternacht lag der Dampfer eine Seemeile vor
dem steil abfallenden, zerrissenen Ufer entfernt, das vom Mondlichte
schwarz und groß auf das Wasser gezeichnet wurde.
Leise Kommandorufe ertönen - ein Krahn dreht sich, und unter
Kettengerassel sinkt ein Motorboot auf die kaum gekräuselte
Wasserfläche. Halblaute Abschiedsrufe, ein Winken und Grüßen, der
Motor wird eingestellt, und das Boot saust davon. Langsam und schwer
brodelt es unter der Schraube des Dampfers, und jetzt setzt sich der
Koloß in Bewegung.
Der Kapitän steht auf der Kommandobrücke und verfolgt mit dem
Nachtglase das Motorboot. Jetzt verschwindet es hinter einer Klippe,
taucht dann tief in den Mondschatten, biegt um einen Felsen und ist
fort. Eine Viertelstunde später steigen drei Raketen fast gleichzeitig in
die Luft. Aufatmend stellt der Kapitän den Telegraphen auf
»Volldampf«.
Als Dr. phil. et jur. Jakob Silberland unter dem Schutze seines
übermäßig großen Schirmes dem Café Stephanie zueilte, gab es nicht
Wenige, die trotz des strömenden Regens stehen blieben und ihm
wohlwollend lächelnd nachblickten. Das war auch nicht wunderlich,
denn Jakob Silberland bildete eine sonderbare Figur. Auf kurzen
Beinchen saß ein dicker Leib mit viel zu langen Armen, und im
Gesichte bildeten die heiteren, offenen Augen einen seltsamen
Gegensatz zu der scharfgekrümmten Nase und der hohen,
ausdrucksvollen Stirn, über die das blauschwarze Haar in einigen
glänzenden, langen Strähnen fiel.
Sobald Jakob Silberland das Café betreten hatte, holte er sich vom
Ständer sechs oder acht Zeitungen und legte sie auf einen Tisch am
Fenster. Dann erst hängte er Schirm und Hut an einen Haken, wobei er
doch ständig seine Zeitungen im Auge behielt. Als er seinen Mantel
auszog, wobei ein abgetragener und etwas fleckiger Gehrock sichtbar
wurde, eilte der Kellner hilfsbereit herbei und sagte:
»Guten Tag, Herr Doktor. Heute früh war der Briefträger mit einem
eingeschriebenen Brief für den Herrn Doktor da. Ich sagte ihm, er solle
am Nachmittage wiederkommen, dann wäre der Herr Doktor bestimmt
hier.«
Dr. Silberland sagte nur: »Danke« und eilte auf seinen kurzen Beinchen
zu seinen Zeitungen, in denen eben ein anderer Gast zu blättern begann.
Als er sich richtig zurechtgesetzt und seine Zeitungen sortiert hatte,
bestellte er einen Kaffee und begann, die Brust an den Tischrand
gedrückt, eifrig zu lesen. Gerade als er die Kreuzzeitung mit
gerunzelter Stirn fortlegte und aufatmend nach dem »Vorwärts« griff,
erschien, vom Kellner geführt, der Briefträger an seinem Tische und
übergab ihm einen eingeschriebenen Brief. Silberland erkannte sofort
die Handschrift seines Freundes Paul Seebeck, schob mit einer
energischen Armbewegung die Zeitungen zur Seite, quittierte, gab dem
Briefträger zwanzig Pfennige und öffnete den Brief. Hierbei fiel ein
zusammengefaltetes Checkformular heraus, das Silberland sofort in
seine Brieftasche steckte. Der Brief lautete:
»An Bord des Lloyddampfers »Prinzessin Irene«.
Lieber Jakob!
Von dem wenig befriedigenden Ausfall meiner australischen
Expedition wirst du durch die Zeitungen erfahren haben. Übrigens war
der Verlauf viel kläglicher, als die Zeitungsberichte erkennen ließen.
Ich freue mich aber jetzt, daß ich so mißgestimmt und so unzufrieden
mit mir selbst die Rückreise antrat, denn dadurch hatte ich gerade die
richtige Disposition zu neuen Dingen, die ernsthafter sind.
Paß mal auf: wir haben eine neuentstandene, vulkanische Insel entdeckt,
und zwar bin ich der erste, der sie sah. Ich bin dort
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