Phäenomenologie des Geistes | Page 6

Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Etwas, im Absoluten, dem A =
A, jedoch gebe es dergleichen gar nicht, sondern darin sei alles eins.
Dies eine Wissen, daß im Absoluten alles gleich ist, der
unterscheidenden und erfüllten oder Erfüllung suchenden und
fodernden Erkenntnis entgegenzusetzen--oder sein Absolutes für die
Nacht auszugeben, worin, wie man zu sagen pflegt, alle Kühe schwarz
sind, ist die Naivität der Leere an Erkenntnis. --Der Formalismus, den
die Philosophie neuerer Zeit verklagt und geschmäht, und der sich in
ihr selbst wieder erzeugte, wird, wenn auch seine Ungenügsamkeit
bekannt und gefühlt ist, aus der Wissenschaft nicht verschwinden, bis
das Erkennen der absoluten Wirklichkeit sich über seine Natur
vollkommen klar geworden ist.--In der Rücksicht, daß die allgemeine
Vorstellung, wenn sie dem, was ein Versuch ihrer Ausführung ist,
vorangeht, das Auffassen der letztern erleichtert, ist es dienlich, das
Ungefähre derselben hier anzudeuten, in der Absicht zugleich, bei
dieser Gelegenheit einige Formen zu entfernen, deren Gewohnheit ein
Hindernis für das philosophische Erkennen ist.
Es kömmt nach meiner Einsicht, welche sich durch die Darstellung des
Systems selbst rechtfertigen muß, alles darauf an, das Wahre nicht als
Substanz, sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassen und

auszudrücken. Zugleich ist zu bemerken, daß die Substantialität sosehr
das Allgemeine oder die Unmittelbarkeit des Wissens als diejenige,
welche Sein oder Unmittelbarkeit _für das_ Wissen ist, in sich
schließt.--Wenn, Gott als die eine Substanz zu fassen, das Zeitalter
empörte, worin diese Bestimmung ausgesprochen wurde, so lag teils
der Grund hievon in dem Instinkte, daß darin das Selbstbewußtsein nur
untergegangen, nicht erhalten ist, teils aber ist das Gegenteil, welches
das Denken als Denken festhält, die Allgemeinheit, dieselbe Einfachheit
oder ununterschiedne, unbewegte Substantialität, und wenn drittens das
Denken das Sein der Substanz als solche mit sich vereint und die
Unmittelbarkeit oder das Anschauen als Denken erfaßt, so kömmt es
noch darauf an, ob dieses intellektuelle Anschauen nicht wieder in die
träge Einfachheit zurückfällt, und die Wirklichkeit selbst auf eine
unwirkliche Weise darstellt.
Die lebendige Substanz ist ferner das Sein, welches in Wahrheit Subjekt,
oder, was dasselbe heißt, welches in Wahrheit wirklich ist, nur insofern
sie die Bewegung des Sich-selbst-setzens, oder die Vermittlung des
Sich-anders-werdens mit sich selbst ist. Sie ist als Subjekt die reine
_einfache Negativität_, eben dadurch die Entzweiung des Einfachen,
oder die entgegensetzende Verdopplung, welche wieder die Negation
dieser gleichgültigen Verschiedenheit und ihres Gegensatzes ist; nur
diese sich wiederherstellende Gleichheit oder die Reflexion im
Anderssein in sich selbst--nicht eine _ursprüngliche_ Einheit als solche,
oder unmittelbare als solche, ist das Wahre. Es ist das Werden seiner
selbst, der Kreis, der sein Ende als seinen Zweck voraussetzt und zum
Anfange hat, und nur durch die Ausführung und sein Ende wirklich ist.
Das Leben Gottes und das göttliche Erkennen mag also wohl als ein
Spielen der Liebe mit sich selbst ausgesprochen werden; diese Idee
sinkt zur Erbaulichkeit und selbst zur Fadheit herab, wenn der Ernst,
der Schmerz, die Geduld und Arbeit des Negativen darin fehlt. An sich
ist jenes Leben wohl die ungetrübte Gleichheit und Einheit mit sich
selbst, der es kein Ernst mit dem Anderssein und der Entfremdung, so
wie mit dem Überwinden dieser Entfremdung ist. Aber dies _An-sich_
ist die abstrakte Allgemeinheit, in welcher von seiner Natur, _für sich
zu sein_, und damit überhaupt von der Selbstbewegung der Form
abgesehen wird. Wenn die Form als dem Wesen gleich ausgesagt wird,
so ist es eben darum ein Mißverstand, zu meinen, daß das Erkennen

sich mit dem An-sich oder dem Wesen begnügen, die Form aber
ersparen könne;--daß der absolute Grundsatz oder die absolute
Anschauung, die Ausführung des erstern oder die Entwicklung der
andern entbehrlich mache. Gerade weil die Form dem Wesen so
wesentlich ist, als es sich selbst, ist es nicht bloß als Wesen, d.h. als
unmittelbare Substanz, oder als reine Selbstanschauung des Göttlichen
zu fassen und auszudrücken, sondern ebensosehr als Form und im
ganzen Reichtum der entwickelten Form; dadurch wird es erst als
Wirkliches gefaßt und ausgedrückt.
Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine
Entwicklung sich vollendende Wesen. Es ist von dem Absoluten zu
sagen, daß es wesentlich Resultat, daß es erst am Ende das ist, was es
in Wahrheit ist; und hierin eben besteht seine Natur, Wirkliches,
Subjekt, oder Sich-selbst-werden, zu sein. So widersprechend es
scheinen mag, daß das Absolute wesentlich als Resultat zu begreifen
sei, so stellt doch eine geringe Überlegung diesen Schein von
Widerspruch zurecht. Der Anfang, das Prinzip, oder das Absolute, wie
es zuerst und unmittelbar ausgesprochen wird, ist nur das Allgemeine.
Sowenig, wenn ich sage: alle Tiere, dies Wort für eine Zoologie gelten
kann, ebenso fällt es auf, daß die Worte des Göttlichen, Absoluten,
Ewigen u.s.w. das nicht aussprechen, was darin enthalten ist;--und nur
solche Worte drücken in der Tat die Anschauung als das Unmittelbare
aus. Was mehr ist, als ein solches Wort, der Übergang auch nur zu
einem Satze, ist ein Anderswerden, das zurückgenommen werden muß,
ist
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