Papa Hamlet | Page 4

Arno Holz and Johannes Schlaf
diese Quintessenz vom Staube? Er hatte keine Lust am Manne--und am Weibe auch nicht. Die Zeit war aus den Fugen! War es zu glauben? Aber-e-man hatte ihm noch immer nicht geschrieben. Man war undankbar in Christiania. Armer Yorick!
Sterben, schlafen...vielleicht auch tr?umen?
Einstweilen jedoch hatte es allen Anschein, als ob gewisse Rcksichten das Elend des armen Yorick noch zu hohen Jahren kommen lassen wollten. Jedenfalls wenigstens durften jetzt die naseweisen Aktschler unten in der Akademie den gro��en unbertrefflichen Hamlet aus Trondhjem schon seit vollen vierzehn Tagen in den sch��nen, langen Vormittagsstunden als sterbenden Krieger kopieren. Das war freilich eine Entwrdigung, aber sie brachte Geld ein. Nur gengte es leider noch nicht.
Wenn der "arme Yorick" jetzt mittags nach Hause kam und sich mit einem Appetit, als h?tte er eben vierundzwanzig Stunden lang ohne aufzusehn Eichenkloben zerkleinert, ber die gro��e Schssel herstrzte, die ihm die reizende Ophelia schon vorsorglich verdeckt, der Photographie des gro��en Thienwiebel grade gegenber, auf den Tisch gestellt hatte, fand sich meist nur eine etwas grn angelaufene, dnne Kartoffelsuppe drin vor, in der h��chstens hie und da noch ein paar kleine, kohlschwarze Speckstckchen schwammen. Armer Yorick!...
Amalie schien schon seit undenklichen Zeiten ihre Nachtjacke nicht mehr in die Waschwanne gesteckt zu haben. Wozu auch gro��e Toilette machen? Man war ja zu Hause.
"Nicht wahr, Thienwiebel?"
Der gro��e Thienwiebel hielt es fr unter seiner Wrde zu antworten. Er hatte sich eben wieder in seinen alten, bequemen Schlafrock geworfen, aus dem die Watte freilich, ihrer nur noch geringen Quantit?t halber, nicht mehr recht klunkern konnte.
Seinen William aufgeklappt, hatte er sich jetzt wieder tiefsinnig rcklings ber das kleine Blaukattunene geworfen.
"Oh, schm��lze doch dies allzu feste Fleisch, Zerging' und l��st' in einen Tau sich auf! Oder h?tte nicht der Ew'ge sein Gebot Gerichtet gegen Selbstmord! 0 Gott! o Gott! Wie ekel, schal und flach und unersprie��lich Scheint mir das ganze Treiben dieser Welt! Pfui! Pfui darber!"
Amalie, die sich wieder auf ihre kleine, mollige Fu��bank neben den Ofen gesetzt und eben ihre Schmalzstulle in den Kaffee gestippt hatte, sah jetzt etwas verwundert in die H��he. Als aber der "arme Yorick" dann nicht mehr weiterlas und, seinen William zugeklappt, sich jetzt sogar, ganz wider seine sonstige Gewohnheit, mit dem Kopfe gegen die Wand gedreht hatte, wurde ihr denn doch ein wenig unbehaglich zumut.
Eine Weile noch berlegte sie; dann aber, endlich, hatte sie sich entschieden. Ihre Stimme klang noch kl?glicher als sonst.
"Ich will n?hen gehn, Niels."
"Nein, Amalie! Niemals! Niemals! Das werde ich nie dulden! Das w?re eine unverzeihliche Vernachl?ssigung deiner heiligsten Mutterpflichten!"
Er war wieder emp��rt aufgesprungen.
"Nein, Amalie! Nie! Niemals!...Solang Ged?chtnis haust in dem...zerst��rten Ball hier!"
Er hatte sich melodramatisch vor die Stirn gesto��en. Amalie fhlte sich wieder beruhigt und bi�� jetzt herzhaft in ihre Schmalzstulle...
"Herein?"
Es war Frau Wachtel. Sie brachte wieder die Milch fr den Kleinen.
Der gro��e Thienwiebel hatte es sich nicht versagen k��nnen, ihn auf den Namen Fortinbras taufen zu lassen.
"Na, Dickerchen? Langweilste dich? Oh, mein M?useken! Oh!"
Sie fand n?mlich, da�� Amalie ihren heiligsten Mutterpflichten etwas nachl?ssig oblag, und gestattete sich ��fters eine kleine Kontrolle.
Frau Rosine Wachtel war n?mlich im Besitze eines guten Herzens. Und das mu��te wahr sein, denn sie sagte es selbst und vergo�� jedesmal Tr?nen dabei. Indessen war ihr dieser Besitz noch nicht allzu gef?hrlich geworden. Denn es war ihr noch niemand durchgebrannt, und sie war noch immer zu ihrem Geld gekommen; und das war oft ein Stck Arbeit gewesen. Frau Rosine Wachtel konnte das jeden versichern...
"Ach, du Wrmeken! Ach, mein Puttekent Hab'n se dir so in'n Korb jestochen!"
Die gute Frau Wachtel war ganz gerhrt. Aber pl��tzlich, aus irgendeinem Grunde, wahrscheinlich weil drau��en auf dem Flur eben jemand die Treppe heraufzukommen schien, hielt sie es jetzt doch fr besser, sich schnell noch mal nach ihrer Kche umzusehn...
Der gro��e Thienwiebel, der etwas ungeduldig gewartet hatte, bis ihr runder, trivialer Rcken endlich hinter der Tr verschwunden war, weil er wieder etwas wie einen Monolog in sich versprte, war jetzt tragisch auf das kleine runde Spiegelchen ber der Kommode zugetreten, aus dem ihm nun sein sch��ner, edelgeformter Apollokopf melancholisch zunickte.
"Armer Freund! Wie ist dein Gesicht betroddelt, seit ich dich zuletzt sah!"
Amalie bekmmerte sich nicht mehr um ihn. Sie kannte ihren gro��en Gatten.
"Armer Freund!"
War das sein Haar? Sein sch��nes, berhmtes, blauschwarzes Haar? Eine grausame Natur der Dinge hatte ihm nun schon seit Wochen verwehrt, es sich brennen zu lassen. In die Stirn, in diese erhabene W��lbung majest?tischer Gedanken, fiel es ihm nun in Str?hnen, dick und feist, wie sie selber, diese schale, engbrstige Zeit.
"Armer Freund!"
Nachdem er sich so zu der erhabenen Mission, die ihm vorschwebte, gengend pr?pariert zu haben glaubte, drehte er sich jetzt gemessen nach dem kleinen, gelben Korb um, der dicht neben dem Bett quer ber zwei Sthle gestellt war.
"Armes kleines Menschenkind! Welch b��ser Stern verdammte dich in dieses Elend!"
Das arme kleine Menschenkind zappelte ihn an und lachte.
"Aber still! Still! Ich will alles einsetzen! Ich will meine ganze Kraft einsetzen!
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 16
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.