der Landstraße. Wer kam da bei Nacht? War es
Freund oder Feind? Ihm ahnte nichts Gutes. Er eilte rasch ins Haus
zurück und nahm den Revolver zu sich. Auch den Knecht wollte er
rufen; der war aber durch das Gebell schon wach geworden und trat mit
der Laterne in der Hand zum Förster.
"Wenn's Russen sind, dann gnad uns Gott!" sagte der Knecht.
"Mach die Kettenhunde los; sie lassen keinen über den Zaun."--
Wütend bellten die zwei großen losgelassenen Hunde und liefen
aufgeregt am Zaun hin und her. Von außen am geschlossenen Hoftor
ertönte die Glocke. Herr und Knecht sahen sich an. Wie aus einem
Munde riefen sie: "Russen sind das nicht, die klingeln nicht, die
schlagen mit dem Kolben an."
Der Förster trat näher.
"Wer ist draußen?" rief er. Und gut deutsch klang die Antwort:
"Preußische Infanteristen mit einem Befehl an den Förster."
Noch ein paar Fragen und Antworten wurden zu größerer Sicherheit
gewechselt. Dann rief der Förster dem Knecht zu: "Mach die Hunde
fest."
Erst als die aufgeregten Tiere angekettet waren, konnte man wagen, das
Hoftor zu öffnen und die Soldaten einzuladen, die draußen harrten.
Eine Patrouille von fünf Männern war es, angeführt von einem jungen
Leutnant. Statt der gefürchteten Feinde unverhofft einen Trupp
wackerer Feldgrauer auf dem einsamen Forsthof zu haben, das war ein
Hochgefühl, vor allem auch für die geängstigte junge Frau, die wie
auch Gebhard vom Lärm der Hunde erwacht war und mit dem Knaben
am Fenster stehend den Vorgang im Hof beobachtet hatte.
"Preußen sind's, Preußen!" rief Gebhard, der zuerst beim
Laternenschein die Uniform erkannte.
"Wirklich! Gott Lob und Dank," antwortete die Mutter und machte sich
in fliegender Eile zurecht, um die unverhofften Gäste zu begrüßen und
für sie zu sorgen. Aber noch ehe sie so weit war, suchte ihr Mann sie
auf.
"Ich komme schon," rief sie ihm eifrig entgegen, "wollen die Soldaten
bei uns übernachten? Soll ich Betten richten?"
"Das nicht, sie halten nur kurze Rast; dann geht ihr Marsch weiter und
ich, ich muß sie begleiten."
"In der Nacht? Wohin?"
"Das darf ich dir nicht sagen; es ist eine Vertrauenssache, ein geheimer
Befehl, von dem auch nur der Offizier weiß."
"Wie unheimlich, Rudolf! Wann kommst du wohl wieder?"
"Vielleicht schon in ein paar Stunden.--Wenn du nur schnell helfen
wolltest, Tee für die Leute zu machen. Die Soldaten haben schon
Auftrag erhalten, den Herd zu heizen und Wasser aufzusetzen."
"Die Soldaten heizen unsern Herd? Das muß ich sehen. Komm,
Gebhard, geh' mit mir hinunter! Ich habe noch nie Soldaten kochen
sehen. Mit fünf Köchen, das muß ja schnell gehen!"
Ja, nach zehn Minuten war der Tee auf dem Tisch und nach weiteren
zehn Minuten war gegessen und getrunken, was eiligst aufgetragen
worden; und die fünf Mann bedankten sich bei der jungen, fröhlichen
Förstersfrau.
Der Förster mit Flinte und Jagdhund sah aus, als wenn er auf die Jagd
ginge. Im letzten Augenblick nahm er seine Frau beiseite: "Behalte
Knecht und Magd bei dir, stelle dich ängstlich, rufe sie herein, laß sie
Tee trinken. Ich will nicht, daß uns jemand folgt. Kein Mensch soll
wissen, in welcher Richtung wir gehen."
Er gab rasch seiner jungen Frau einen Abschiedskuß--das war nichts
besonderes; aber daß er im Vorbeigehen auch Gebhard einen Kuß gab,
das kam dem Kind sehr verwunderlich vor, denn Zärtlichkeiten waren
zwischen Vater und Sohn nicht üblich.--
"Wegen ein paar Stunden Trennung küßt man sich doch nicht?" sagte
sich Gebhard und war sehr nachdenklich, während er in sein
Schlafzimmer ging, um sich wieder zu legen. Zum erstenmal waren
Soldaten ins Haus gekommen; der Offizier hatte mit dem Vater
Kriegsgeheimnisse besprochen, die kein anderer Mensch erfahren
durfte. Ein wenig unheimlich war die Sache, aber doch sehr spannend.
Heute Nacht war der Krieg ins eigene Haus gedrungen, jetzt erst fing er
so recht an für Gebhard.
Und die junge Mutter konnte, nachdem sie Knecht und Magd entlassen,
lange nicht wieder den Schlaf finden. An der Seite ihres Mannes hatte
sie noch nie den Krieg gefürchtet; aber ohne ihn überkam sie eine
große Angst. Es war so finster, so still und schwül. Vielleicht konnte
sie besser schlafen, wenn sie die Türe aufmachte ins Nebenzimmer, zu
Gebhard. Sie tat es leise, um ihn nicht zu wecken, und freute sich doch,
als sie bemerkte, daß er noch nicht schlief.
"Bist du es, Mutter?" rief er und richtete sich ganz munter auf.
"Ja, es ist so schwül; ich will die Türe ein wenig offen lassen."
"Das ist nett, dann können wir plaudern. Ich möchte so gerne erraten,
warum der Vater mit den Soldaten gegangen ist. Aber vielleicht ist es
besser, wenn wir es nicht erraten; weil es doch ein Kriegsgeheimnis ist.
Nur der Vater darf es wissen; er muß stolz darauf sein. Ich wäre auch
stolz darauf und würde das Kriegsgeheimnis niemand verraten; außer
vielleicht dir, Mutter. Oder darf ich's auch dir nicht
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