großen
Brüder am allerliebsten, lustig wird's, wenn sie erst mit dir spielen
kann!"
Das konnte sich nun Gebhard noch nicht recht vorstellen, aber lustig
war's ihm schon jetzt zumute und er sprang hinaus und hinunter in den
Hof, mit seinem Leo zu tollen, seinem liebsten Kameraden. Bald ging
auch der Förster, den sein Beruf oft halbe Tage lang abrief, und Helene
blieb allein.
Der Forsthof lag einsam am Waldessaum, nahe der russischen Grenze;
nur ein paar Niederlassungen waren in der Nähe, von denen die eine
dem Straßenwärter gehörte, der die Grenzstraße zu hüten hatte, die
andere einem alten Waldhüter, der mit seiner Familie da hauste. Sonst
waren weit und breit keine menschlichen Ansiedelungen zu sehen,
dunkler Wald nach allen Seiten und große Stille.
Die da heimisch waren--wie der Förster und sein Junge--, die liebten
diese Waldeinsamkeit, aber Fremden kam sie unheimlich vor. Auch
Helene, als sie aus ihrer süddeutschen Heimat, aus städtischen
Verhältnissen hieher versetzt worden war, hatte anfangs furchtsam nach
dem Waldesdunkel hinübergeschaut und die Stille, während ihres
Mannes und Gebhards Abwesenheit, hatte sie bedrückt. Aber in ihren
vier Wänden war es ihr doch bald wohl geworden, denn da war sie von
rührender Liebe und Verehrung umgeben. Nicht nur Mann und Sohn,
auch Knecht und Magd, ja sogar die Hunde, vom großen Kettenhund
bis herunter zum kleinen Dackel, alle zeichneten sie aus, wie wenn sie
sich immer daran freuten, daß etwas so feines, sonniges, fröhliches in
ihre Waldeinsamkeit gekommen war. Und jetzt, seitdem sie Mutter
geworden und ihr Kindchen jede Stunde um sich hatte, jetzt konnte das
Gefühl der Einsamkeit gar nicht mehr aufkommen. Sie war voll Glück
und Wonne, ja so sehr, daß sie manchmal das schwere Geschick des
Vaterlandes fast vergaß. Kam es ihr dann in den Sinn, so machte sie
sich im stillen Vorwürfe, sagte sich: kannst du denn gar nicht
unglücklich sein mit den vielen, die jetzt in Sorge und Herzeleid sind?
Dann legte sie schnell das Tragröckchen beiseite, das sie besticken
wollte, nahm den groben Soldatenstrumpf zur Hand, setzte sich neben
den Kinderwagen, strickte und strickte, sah dabei auf das kleine
Menschenknöspchen, das neben ihr schlummerte, und war eben wider
Willen doch glücklich. Aber der Krieg mit seinen Schrecken und
Ängsten, mit Sorgen und Jammer kam bald genug, ihr Glück zu stören.
Zweites Kapitel.
Es war eine stille Sommernacht zu Ende August, der Forsthof lag
friedlich, Mensch und Tiere hatten sich zur Ruhe begeben. Der Förster
allein war noch auf; die Zeitungen, die er diesen Abend erhalten hatte,
lagen vor ihm. Sie sagten ihm, wie nahe die Gefahr eines feindlichen
Einbruchs für das Grenzland war. Auch einen amtlichen Brief hatte er
von seiner vorgesetzten Behörde erhalten, den Befehl, zunächst noch
auf seiner Stelle zu verharren.
"Zunächst;" demnach konnte in Bälde die Anweisung kommen, den
Forsthof zu verlassen. Darauf wollte er alles vorbereiten. Er ordnete
Papiere und Wertsachen, um im Notfall alles Wichtige rasch bei der
Hand zu haben, und dann schrieb er an seine Mutter. Sie stand ihm sehr
nahe, hatte jedes Jahr in der Zeit seiner Vereinsamung die weite Reise
von Süddeutschland unternommen, um nach ihm und seinem
mutterlosen Kleinen zu sehen. Bei ihr fragte er an, ob Frau und Kinder
Zuflucht finden könnten, wenn sie die Heimat verlassen müßten und er
selbst sich dem Vaterland zur Verfügung stellen würde. Er hatte einst
gedient und es war ihm selbstverständlich, daß er an dem großen
Kampf Teil nehmen würde, sobald ihn sein Amt im Forsthaus nicht
mehr zurück hielt.
So saß er heute bis spät in die Nacht hinein am Schreibtisch, während
seine Frau sorglos schlief. Er hatte ihr nichts mitgeteilt von seinen
Vorbereitungen. Sie kam ihm so jung und zart vor, besaß nicht die
starke Natur, die er selbst von seiner Mutter geerbt hatte, schien so
recht für Glück und Sonnenschein geschaffen. Wie sie mit Schwerem
zurecht käme, wie sie Leid und Entbehrungen ertragen würde, konnte
er sich nicht vorstellen. So wollte er ihr keine Last auflegen, so lange er
allein sie tragen konnte.
Mitternacht war es geworden, aber nun lagen auch alle Briefe und
Papiere geordnet und überschrieben vor ihm. Er hatte getan was
geschehen konnte und griff nun nach dem Neuen Testament; denn es
trieb ihn, eines von den Jesusworten zu lesen, die ihm oft schon Kraft
gegeben hatten. "Nicht mein sondern dein Wille geschehe." Er
versenkte sich in die Erzählung vom Kampf Jesu in Gethsemane.
Plötzlich wurde die Stille des Forsthofes gestört durch das Bellen des
Hofhunds. Stegemann horchte auf, hörte nichts, was den Hund
beunruhigt haben konnte. Aber das Bellen wurde lauter und auch die
andern Hunde taten mit. Stegemann öffnete das Fenster, schaute hinaus
in die stille Sommernacht, ging dann hinunter in den umzäunten Hof,
rief die Hunde, die unwillig knurrten, zur Ruhe und lauschte. Jetzt
unterschied auch sein Ohr das Geräusch von sich nähernden schweren
Tritten draußen auf
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