Oden | Page 4

Gotthold Ephraim Lessing
Held der
Helden;
Er füllt die Welt und meine Brust.
Er rief sie aus des Nichts nur ihm folgsamem Schlunde;
Er ruft sie
noch, daß sie besteht.
Sie bebt, sie wankt, so oft ein Hauch aus
seinem Munde
Den Fluch in ihre Sphären weht.
O dreimal Schrecklicher!--doch voller Quell des Guten,
Du bist der
Schreckliche nicht gern.
Den weiten Orient zerfleischen deine Ruten;

Uns, Vater, zeigst du sie von fern.
Wie, daß des Undanks Frost die trägen Lippen bindet,
Volk, dem er
Heil, wie Flocken, gibt!
Ihm dank es, wenn ein Jahr in süßer Ruh
verschwindet;
Ihm dank es, daß dich Friedrich liebt.
Der Eintritt des Jahres 1755 in Berlin
Wunsch, der du in der Brust geheimer Lieblingssünden
Geheimes
Werkzeug bist,
Das oft ein lauter Freund--wer kann das Herz
ergründen?--
Ein stiller Mörder ist;
Durch Laster, Torheit, Wahn zu sehr, zu sehr entweihet,
Braucht
keine Muse dich;
Die feile wär es denn, die um den Pöbel freiet,

Und singt sich lächerlich.
Jüngst als Kalliope den Hain und Aganippen
Um ihren Helden mied,

Und zog auf Sanssouci, erklang von ihren Lippen
Ein
prophezeiend Lied.
"Noch lange wird dies Land, mit den erfochtnen Staaten,
Im Schoß
des Friedens ruhn;
Denn sein Beschützer trägt die Lorbeern großer
Taten,
Um größere zu tun.
Er braucht den Sieg als Sieg, macht Kunst und Handel rege
Und
zeichnet jedes Lauf."--
Sie schwieg, und plötzlich stieß, zur Linken

an dem Wege,
Ein rascher Adler auf.
Dem segnete sie nach mit heiligem Entzücken
Und aufgehobner
Hand,
Bis er, am Ziel des Flugs, vor ihren schärfern Blicken,
Dem
Thron des Zeus, verschwand.
Der Tod eines Freundes
Hat, neuer Himmelsbürger, sich
Dein geistig Ohr nicht schon des
Klagetons entwöhnet,
Und kann ein banges Ach um dich,
Das hier
und da ein Freund bei stillen Tränen stöhnet,
Dir unterm jauchzenden
Empfangen
Der bessern Freunde hörbar sein,
So sei nicht für die
Welt, mit unserm Schmerz zu prangen,
Dies Lied: es sei für dich, für
dich allein!
Wann war es, da auch dich noch junge Rosen zierten?
(Doch nein, die
Rosen ziertest du!)
Da Freud und Unschuld dich, im Tal der
Hoffnung, führten
Dem Alter und der Tugend zu?
Gesichert folgten
wir: als schnell aus schlauen Hecken
Der Unerbittliche sich wies,

Und dich, den Besten, uns zu schrecken,
Nicht dich zu strafen, von
uns riß.
Wie ein geliebtes Weib vom steilen Ufer blicket
Dem Schiffe nach,
das ihre Kron entreißt:
Sie steht, ein Marmorbild, zu Stunden
unverrücket;
In Augen ist ihr ganzer Geist:
So standen wir betäubt
und angeheftet,
Und sannen dir mit starren Sinnen nach,
Bis sich
der Schmerz durch Schmerz entkräftet,
Und strömend durch die
Augen brach.
Was weinen wir? Gleich einer Weibersage,
Die im Entstehn schon
halb vergessen ist,
Flohst du dahin!--Geduld! noch wenig Tage,

Und wenige dazu, so sind wir, was du bist.
Ja, wenn der Himmel uns
die Palme leicht erringen,
Die Krone leicht ersiegen läßt,
So werden
wir, wie du, das Alter überspringen,
Des Lebens unschmackhaften
Rest.

Was wartet unser?--Ach! ein unbelohnter Schweiß,
Im Joch des Amts
bei reifen Jahren,
Für andrer Wohl erschöpft, als unbrauchbarer Greis

Hinunter in die Gruft zu fahren.
Doch deiner wartet?--Nein! was
kannst du noch erwarten
Im Schoß der vollen Seligkeit?
Nur wir,
auf blindes Glück, als Schiffer ohne Karten,
Durchkreuzen ihn, den
faulen Pfuhl der Zeit.
Vielleicht--noch ehe du dein Glücke wirst gewohnen,
Noch ehe du es
durchempfunden hast--
Flieht einer von uns nach in die verklärten
Zonen,
Für dich ein alter Freund, und dort ein neuer Gast.
Wen
wird--verborgner Rat!--die nahe Reise treffen
Aus unsrer jetzt noch
frischen Schar?
O Freunde, laßt euch nicht von süßer Hoffnung äffen!

Zum Wachsamsein verbarg Gott die Gefahr.
Komm ihm, wer er auch sei, verklärter Geist, entgegen,
Bis an das
Tor der bessern Welt,
Und führ ihn schnell, auf dir dann schon
bekannten Wegen,
Hin, wo die Huld Gerichte hält.
Wo um der
Weisheit Thron der Freundschaft Urbild schwebet,
In seraphinschem
Glanze schwebt;
Verknüpft uns einst ein Band, ein Band von ihr
gewebet;
Zur ewgen Dauer fest gewebt!
Ode auf den Tod des Marschalls von Schwerin, an den H. von Kleist.
Zu frÜh wÄr es, viel zu früh, wenn schon jetzt, den güldnen Faden
Deines Lebens zu trennen, der blutige Mars, oder die donnernde
Bellona, der freundlich saumseligen Klotho vorgriff!
Der nur falle so jung, der in eine traurige, Öde Wüste hinaus sieht, in
künftige Tage, leer an Freundschaft und Tugend, leer an großen
Entwürfen zur Unsterblichkeit:
Nicht Du, o Kleist; der Du so manchen noch froh und glücklich zu
machen wünschest--Zwar schon solche Wünsche sind nicht die
kleinsten edler Taten-Nicht Du, dem die vertrauliche Muse ins Stille
winkt--Wie zürnt sie auf mich, die Eifersüchtige, daß ich die
waffenlosen Stunden Deiner Erholung mit ihr teile!

Dir zu gefallen, hatte sie dem Lenze seinen schönsten Schmuck von
Blumen und Perlen des Taues entlehnet; gleich der listigen Juno den
Gürtel der Venus.
Und nun lockt sie Dich mit neuen Bestechungen. Sieh! In ihrer Rechte
blitzt das tragische Szepter; die Linke bedeckt das weinende Auge, und
hinter dem festlichen Schritte wallt der königliche Purpur.
Wo bin ich? Welche Bezaubrung!--Letzte Zierde des ausgearteten
Roms! --Dein Schüler; Dein Mörder!--Wie stirbt der Weise so ruhig! so
gern! --Ein williger Tod macht den Weisen zum Helden, und den
Helden zum Weisen.
Wie still ist die fromme Versammlung!--Dort rollen die Kinder
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