Oden | Page 3

Gotthold Ephraim Lessing
kein Traum. Ich sah mit wachem Sinne Die
Musen tanzten darum her.
Wach ward ich nah dabei Cäsars und
Solons inne,
Doch keinen, daß er neidisch wär.
Ein süßer Silberton durchzitterte die Lüfte,
Bis in des Ohres
krummen Gang;
Die Blumen brachen auf, und streuten Balsamdüfte;

Der Berg lag lauschend; Klio sang:
"Heil dir! festlicher Tag, der unsern Freund geboren.
Ein König,
Schwestern, unser Freund!
Heil dir! uns neues Reich, zum Schauplatz
ihm erkoren,
Dem frommen Krieger, niemands Feind!
Laßt freudig um sein Bild, voll Majestät in Blicken,
Der Tänze
Hieroglyphen ziehn!
Einst, Schwestern, tanzen wir, mit trunkenerm
Entzücken,
Einst, freut euch, tanzen wir um ihn!"
Einst tanzen wir um ihn? Prophetin banger Schrecken!
Nie werde
dieses Wort erfüllt!
Nie mög ein Morgenrot zu diesem Glück euch
wecken!
Tanzt, Musen, ewig um sein Bild!
Der Eintritt des 1752sten Jahres
Im Spiel, dem Huld und Macht
Die Welt zur Bühne gab, das
Weisheit ausgedacht,
In diesem Spiel zur kurzen Szen erlesen,
Jahr!
Zeit, für Sterbliche gewesen!
Für ihn, der eh du kamst, dich als

gekommen sah,
Für Gott noch da!
So wie ein Strom, der aus der Erde bricht,
Und wenig Meilen rollt,
und wieder sich verkriecht,
Bist du, aus der du dich ergossen,
Zur
Ewigkeit,--die Gott, mit aller Welten Last,
Im Zipfel seines Kleides
faßt,--
Zur Ewigkeit zurück geflossen.
Vom Dürftigen verseufzt, mit tränenvollen Blicken
Des Reuenden
verfolgt, zurück gewünscht vom Tor,
Vom Glücklichen erwähnt mit
trunkenem Entzücken:
Jahr, welche Botschaft von der Erde,--
Jetzt
unwert jenes Rufs: Sie werde!--
Bringst du dem Himmel vor?
Botschaft ach! vom Triumph des Lasters über Tugend,
Hier vordem
ihrem liebsten Sitz;
Von Vätern böser Art; Botschaft von schlimmrer
Jugend;
Von Feinden Gottes, stolz auf Witz;
Botschaft von feiler
Ehr, womit die Schmach sich schmücket; Von ungerechtem Recht, das
arme Fromme drücket.
Botschaft, daß die Natur längst unsrer müde worden,
Die dort mit
Flüssen Feuers schreckt,
Das paradiesische Gefilde überdeckt,
Und
dort, geschäftig im Ermorden,
Der aufgebotnen Pest
Die giftgen
Schwingen schütteln läßt.
Botschaft von hingerißnen Göttern
Der einst durch sie regierten Welt;

Botschaft von finstern Kriegeswettern,
Die hier ein Gott zurücke
hält,
Und dort ein Gott, der grausamer verfährt,
Mit immer neuen
Blitzen nährt.
Doch Botschaft auch von einem Lande,
Wo Friederich den weichen
Zepter führt,
Und Ruh und Glück, im schwesterlichen Bande,
Die
Schwellen seines Thrones ziert;
Des Thrones, ungewiß, ob ihn mehr
Vorsicht schützt,
Als Liebe stützt.
O ihr, die Friedrich liebt, weil er geliebt will sein,
Ihr Völker jauchzt
ihm zu! Der Himmel stimmet ein.
Auf! strebt, daß er mit diesem

Jahre,
Wenn er sie jetzt nicht schon erfährt,
Die wichtge Botschaft
froh erfahre:
Ihr wäret eures Friedrichs wert.
Der Eintritt des Jahres 1753 in Berlin
Wie zaudernd ungern sich die Jahre trennen mochten,
Die eine
Götterhand
Durch Kränze mancher Art, mit Pracht und Scherz
durchflochten, Uns ineinander wand!
So träg, als hübe sich ein Adler in die Lüfte,
Den man vom Raube
scheucht:
Noch schwebt er drüber her, und witternd fette Düfte,

Entflieht er minder leicht.
Welch langsam Phänomen durchstreicht des Äthers Wogen,
Dort wo
Saturn gebeut?
Ist es? Es ists, das Jahr, das reuend uns entflogen,

Es fliegt zur Ewigkeit.
Das reuend uns entflog, Dir Friedrich zuzusehen,
Kein Säkulum zu
sein;
Mit Deinem ganzen Ruhm belastet fort zu gehen,
Und sich der
Last zu freun.
Noch oft soll manches Jahr so traurig von uns fliegen,
Noch oft, zu
unserm Glück.
Vom Himmel bist Du, Herr, zu uns herabgestiegen;

Kehr spät! kehr spät zurück!
Laß Dich noch lange, Herr, den Namen Vater reizen,
Und den:
menschlicher Held!
Dort wird der Himmel zwar nach seiner Zierde
geizen;
Doch hier braucht Dich die Welt.
Noch seh ich mich für Dich mit raschen Richteraugen
Nach einem
Dichter um.
Dort einer! hier und da! Sie taugen viel, und taugen

Doch nichts für Deinen Ruhm.
Ist er nicht etwa schon und singt noch wenig Ohren,
Weil er die
Kräfte wiegt:
So werd er dieses Jahr, der seltne Geist, geboren,
Der
diesen Kranz erfliegt.

Wenn er der Mutter dann sich leicht vom Herzen windet,
O Muse,
lach ihn an!
Damit er Feur und Witz dem Edelmut verbindet,
Poet
und Biedermann.
Hört! oder täuschen mich beliebte Rasereien?
Nein, nein, ich hör ihn
schon.
Der Heere ziehend Lärm sind seine Melodeien,
Und
Friedrich jeder Ton!
Der Eintritt des Jahres 1754 in Berlin
Wem tönt dies kühnre Lied? dies Lied, zu wessen Lobe,
Hört es noch
manche späte Welt?
Hier steh ich, sinne nach, und glüh und stampf
und tobe,
Und suche meiner Hymnen Held.
Wer wird es sein? Vielleicht im blutgen Panzerkleide
Des Krieges
fürchterlicher Gott?
Um ihn tönt durch das Feld gedungner Krieger
Freude,
Und der Erwürgten lauter Tod.
Wie, oder ists vielmehr in fabellosen Zeiten
Ein neuer göttlicher
Apoll,
Der, schwer entbehrt, mit schnell zurückberufnen Saiten
Den
Himmel wieder füllen soll?
Wo nicht, so werde der der Vorwurf meiner Lieder,
Der sich als
Themis' Rächer wies,
Und dessen frommes Schwert der giftgen
Zanksucht Hyder
Nur drei von tausend Köpfen ließ.
Doch ihn, Apoll und Mars, in Friedrichen vereinet,
Vereine, mein
Gesang, auch du!
Wann einst ein junger Held bei seinem Grabe
weinet,
So zähl ihm seine Taten zu!
Fang an von jenem Tag--Doch, welch ein neues Feuer
Reißt mich
vom niedern Staub empor?
Auch Könige sind Staub! Seid ihnen treu;
dem treuer,
Der sie zu besserm Staub erkor.
Wer wird, voll seines Geists, mir seinen Namen melden?
Sein Nam

ist ihm allein bewußt.
Er ist der Fürsten Fürst, er ist der
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