Oden | Page 2

Gotthold Ephraim Lessing
der Spötter steiget,
Dem Bösen fehlt kein Heil.

Verdienst steht nach, und fühlt gebeuget
Ein lohnend Amt dem Golde
feil.
Auf, Freund! die Geißel zu erfassen,
Die dort vermodern will.
Seit

Juvenal sie fallen lassen,
Liegt sie, Triumph ihr Laster! still.
Geduld! Schon rauscht sie durch die Lüfte,
Blutgierig rauscht sie her!

Verbergt, verbergt die bloße Hüfte!
Ein jeder Schmiß ein giftger
Schwär!
Erst räche dich, dich Freund der Musen.
Du rächest sie in dir!
Doch
dann auch mich, in dessen Busen
Ein Geist sich regt, zu gut für hier.
Vielleicht, daß einst in andern Welten
Wir minder elend sind.
Die
Tugend wird doch irgends gelten.
Das Gute kömmt nicht gern
geschwind.
An seinen Bruder
Auch dich hat, da du wardst geboren,
Die Muse lächelnd angeblickt;

Auch du hast dich dem Schwarm der Toren
Auf jungen Flügeln
kühn entrückt!
Ihm nach, dem Liebling des Mäcenen!
Ihm nach, sein Name sporne
dich!
Er lehrte dich, das Laster höhnen;
Er mache dich ihm
fürchterlich!
Oh! schnitten wir mit gleichem Fluge
Die Lüfte durch zur Ewigkeit!

Oh! schilderte mit einem Zuge
Zwei Brüder einst die Richterzeit!
"Die zwei", so soll die Nachwelt sprechen,
"Betaumelte kein
Modewahn,
Die Sprache schön zu radebrechen,
Zu stolz für eine
Nebenbahn."
Betritt der Alten sichre Wege!
Ein Feiger nur geht davon ab.
Er
suchet blumenreichre Stege,
Und findet seines Ruhmes Grab.
Doch lerne früh das Lob entbehren,
Das hier die Scheelsucht
vorenthält.
Gnug, wann versetzt in höhre Sphären,
Ein Nachkomm
uns ins Helle stellt!

Auf eine vornehme Vermählung
Paar, das, vom Glück geliebt, auch Liebe glücklich macht,-- Sie, die ein
fühlend Herz, und nicht die Ahnen schätzet,
Und nicht der Würden
saure Pracht,
Und nicht der Taten Glanz, die man in Marmor ätzet--

Er kömmt, hier ist er schon, der schönste deiner Tage,
Der schönste,
weil die Lieb ihn schmückt,
Und ihr erfüllter Wunsch der Hoffnung
süße Plage
Im Wechselkuß erstickt.
Dort in Aurorens Reich, am Quell vom ewgen Licht,
Wo unsre Tage
stehn, die Wieg und Grab umgrenzen--
Ein sterblich Auge zählt sie
nicht--
Dort sah, Beglückte glaubts, der Dichter eure glänzen!

Schnell hob sich dieser Tag, kenntbar am Rosenkranze,
Aus der
gemeinen Tage Schar.
Es wuchs sein Glanz, und wuchs und überstieg
am Glanze
Den Tag, der euch gebar.
So wie ein Bach, der in der Wüste schleicht,
Vergebens sein Krystall
auf lauter Kieseln rollet,
Wenn ihn der Wandrer nicht erreicht,
Dem
er den süßen Trunk, und dann das Schlaflied zollet:
So fließt in kalter
Still, in ungenoßnen Stunden,
In Tagen, die Verdruß umhüllt,
Das
faule Leben fort, die traurigen Sekunden,--
Wenn sie nicht Liebe
füllt.
Fühlt ihr es, selig Paar? Und selig, wer es fühlt!
Der Mensch, sich
selbst ein Feind, kehrt oft den blinden Rücken Der Wollust zu, auf die
er zielt,
Sucht in Zerstreuung Ruh, und Ruhm in Bubenstücken.

Seht sie, vom Traum getäuscht, in Sorg und Lüsten schweben, Dem
fräßgen Strudel unsrer Zeit!
Dann wägt ihr Glück und sagt: Gebt ihr
für all ihr Leben
So einen Tag als heut?
Dort sinnt, in banger Nacht, ein Sklav von flüchtgem Ruhm
Von Amt
auf Ämter hin. Der Märtyrer der Titel,
Des kranken Wahnes
Eigentum,
Schämt sich, vor lauter Ehr, auch nicht entehrter Mittel.

Hier häuft der bleiche Geiz das Geld zur eignen Plage,
Und atmet

kaum vor Hunger mehr.
Sagt, liebend Paar, gebt ihr für ihre ganzen
Tage
So einen Tag, als der?
Er selbst, der kühne Held, wenn er vom Kriegsgott glüht--
Du weißt
es, Bräutigam!--sprich, wenn im blutgen Streite
Er starr mit einem
Blicke sieht
Vor sich den wilden Tod, und Ewigkeit zur Seite;

Wenn er, da über ihm die Himmel Famen hören,
Für Friedrichen und
durch ihn siegt--
Bist du--gesteh es nur der Menschlichkeit zu Ehren--

So schön, als jetzt vergnügt?
O Braut, preß ihm dies Nein--vermag dein Reiz es doch--
Aus der
bewegten Brust. Und ja, dir wird ers sagen.
Der sanften Lieb
unschimpflich Joch
Ward auch vom Tapfersten im Lorbeerkranz
getragen.
Nur tolle Härte wähnt, es trät ein zärtlich Herze
Dem Mut,
dem stählern Mut, zu nah.
Er selbst, der Krieger Gott, voll Blut und
Staub und Schwärze, Mars kennt Cytheren ja.
Den Prunk der großen Welt, und die verlarvte Stadt
Floh zwar seit
langer Zeit die Gottheit holder Liebe.
Wo Buhlerei den Tempel hat,

Sind, die Verliebte sind, Verräter oder Diebe.
Sie floh zur stillen
Flur, wo, bei gelaßner Jugend,
Die Einfalt Schöne schöner macht.

Da brannt ihr Rauchaltar!--Doch jüngst hat sie die Tugend
Zu euch
zurück gebracht.
Sie kam. Ich sah den Zug; ein Dichter sieht ihn nur.
Der Frühling, vor
ihr her, verscheuchte Frost und Wetter,
Und Weste folgten ihrer Spur,

Und in den Westen lacht ein Schwarm der Liebesgötter.
Es führten
Tugend sie und Lust in enger Mitten,
Lust, welche nie der Liebe fehlt,

Und nie die Tugend haßt; und unter ihren Tritten
Ward auch der
Stein beseelt.
Zu euch, glückselig Paar, zu euch zog dieser Zug.
Verbergt die Göttin
nicht! Sie glüht in euren Blicken;
(Die sind sie zu verraten gnug,)

Sie, die euch mehr beglückt, als Schätz und Stand beglücken. Verbergt

die Liebe nicht! Das Laster mag sie hassen,
Denn das soll ewig sich
nicht freun.
Wie traurig wird die Flur, die sie um euch verlassen,

Den Schäferinnen sein!
Der 24ste Jenner in Berlin
Welch leichter Morgentraum ließ, auf den heilgen Höhen,
Der Musen
Fest um Friedrichs Bild
Mich bei Aurorens Glanz mit frommem
Schauer sehen,
Der noch, der noch die Seele füllt.
Ein Traum? nein, nein,
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