Oberon | Page 5

Christoph Martin Wieland
sich zu finden,
Zuletzt die Nacht ihn überfiel!
Sein Ungemach
erreichte nun den Gipfel.
Kein Sternchen glimmt durch die
verwachsnen Wipfel;
Er führt sein Pferd so gut er kann am Zaum,

Und stößt bey jedem Tritt die Stirn an einen Baum.
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Die dichte rabenschwarze Hülle
Die um den Himmel liegt, ein
unbekannter Wald,
Und, was zum ersten Mahl in seine Ohren schallt,

Der Löwen donnerndes Gebrülle
Tief aus den Bergen her, das,
durch die Todesstille
Der Nacht noch schrecklicher, von Felsen
wiederhallt:
Der Mann, der nie gebebt in seinem ganzen Leben,

Den machte alles dieß zum ersten Mahl erbeben!
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Auch unser Held, wiewohl kein Weibessohn
Ihn jemahls zittern
sah, fühlt doch bey diesem Ton
An Arm und Knie die Sehnen sich
entstricken,
Und wider Willen läuft's ihm eiskalt übern Rücken.

Allein den Muth, der ihn nach Babylon
Zu gehen treibt, kann keine
Furcht ersticken;
Und mit gezognem Schwert, sein Roß stets an der
Hand,
Ersteigt er einen Pfad, der sich durch Felsen wand.
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Er war nicht lange fortgegangen,
So glaubt er in der Fern' den
Schein von Feuer zu sehn.
Der Anblick pumpt sogleich mehr Blut in
seine Wangen,
Und, zwischen Zweifel, und Verlangen
Ein
menschlich Wesen vielleicht in diesen öden Höh'n
Zu finden, fährt er
fort dem Schimmer nachzugehn,

Der bald erstirbt und bald sich
wieder zeiget
So wie der Pfad sich senket oder steiget.

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Auf einmahl gähnt im tiefsten Felsengrund
Ihn eine Höhle an,
vor deren finsterm Schlund
Ein prasselnd Feuer flammt. In
wunderbaren Gestalten
Ragt aus der dunkeln Nacht das angestrahlte
Gestein,
Mit wildem Gebüsche versetzt, das aus den schwarzen
Spalten Herab nickt, und im Wiederschein
Als grünes Feuer brennt.
Mit lustvermengtem Grauen
Bleibt unser Ritter stehn, den Zauber
anzuschauen.
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Indem schallt aus dem Bauch der Gruft ein donnernd Halt!
Und
plötzlich stand vor ihm ein Mann von rauher Gestalt,
Mit einem
Mantel bedeckt von wilden Katzenfellen,
Der, grob zusammen
geflickt, die rauhen Schenkel schlug;
Ein graulich schwarzer Bart
hing ihm in krausen Wellen
Bis auf den Magen herab, und auf der
Schulter trug
Er einen Cedernast, als Keule, schwer genug
Den
größten Stier auf Einen Schlag zu fällen.
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Der Ritter, ohne vor dem Mann
Und seiner Ceder und seinem
Bart zu erschrecken,
Beginnt in der Sprache von Ok, der einzigen die
er kann,
Ihm seinen Nothstand zu entdecken.
Was hör' ich? ruft
entzückt der alte Waldmann aus:
O süße Musik vom Ufer der
Garonne!
Schon sechzehnmahl durchläuft den Sternenkreis die Sonne,

Und alle die Zeit entbehr' ich diesen Ohrenschmaus.
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Willkommen, edler Herr, auf Libanon, willkommen!
Wiewohl
sich leicht erachten läßt
Daß ihr den Weg in dieses Drachennest
Um
meinetwillen nicht genommen.
Kommt, ruhet aus, und nehmt ein
leichtes Mahl für gut,
Wobey die Freundlichkeit des Wirths das beste
thut.
Mein Wein (er springt aus diesem Felsenkeller)
Verdünnt das
Blut, und macht die Augen heller.
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Der Held, dem dieser Gruß gar große Freude gab,
Folgt
ungesäumt dem Landsmann in die Grotte,
Legt traulich Helm und
Panzer ab,
Und steht entwaffnet da, gleich einem jungen Gotte.

Dem Waldmann wird als rühr' ihn Alquifs Stab,

Da jener itzt den

blanken Helm entschnallet,
Und ihm den schlanken Rücken hinab

Sein langes gelbes Haar in großen Ringen wallet.
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Wie ähnlich, ruft er, o wie ähnlich, Stück für Stück!
Stirn, Auge,
Mund und Haar!--Wem ähnlich? fragt der Ritter. "Verzeihung, junger
Mann! Es war ein Augenblick,
Ein Traum aus beßrer Zeit! so süß,
und auch so bitter!
Es kann nicht seyn!--Und doch, wie euch dieß
schöne Haar
Den Rücken herunter fiel, war mir's ich seh' Ihn selber

Von Kopf zu Fuß. Bey Gott! sein Abdruck, ganz und gar;
Nur Er von
breit'rer Brust, und eure Locken gelber.
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"Ihr seyd, der Sprache nach, aus meinem Lande; vielleicht
Ist's
nicht umsonst, daß ihr dem guten Herrn so gleicht,
Um den ich hier in
diesem wilden Haine,
So fern von meinem Volk, schon sechzehn
Jahre weine.
Ach! ihn zu überleben war
Mein Schicksal! Diese
Hand hat ihm die Augen geschlossen,
Dieß Auge sein frühes Grab
mit treuen Zähren begossen,
Und itzt, ihn wieder in euch zu sehn, wie
wunderbar!"
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Der Zufall spielt zuweilen solche Spiele,
Versetzt der
Jüngling.--Sey es dann,
Fährt jener fort: genug, mein wackrer junger
Mann,
Die Liebe, womit ich mich zu euch gezogen fühle,
Ist traun!
kein Wahn; und gönnet ihr den Lohn
Daß Scherasmin bey euerm
Nahmen euch nenne?
"Mein Nahm' ist Hüon, Erb' und Sohn
Des
braven Siegewin, einst Herzogs von Guyenne."
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O! ruft der Alte, der ihm zu Füßen fällt,
So log mein Herz mir
nicht! O tausendmahl willkommen
In diesem einsamen unwirthbaren
Theil der Welt,
Willkommen, Sohn des ritterlichen, frommen,

Preiswerthen Herrn, mit dem in meiner bessern Zeit
Ich manches
Abenteu'r in Schimpf und Ernst bestanden!
Ihr hüpftet noch im ersten
Flügelkleid,
Als wir zum heiligen Grab zu fahren uns verbanden.
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Wer hätte dazumahl gedacht,
Wir würden uns in diesen

Felsenschlünden
Auf Libanon nach achtzehn Jahren finden?

Verzweifle keiner je, dem in der trübsten Nacht
Der Hoffnung letzte
Sterne schwinden!
Doch, Herr, verzeiht daß mich die Freude
plaudern macht.
Laßt mich vielmehr vor allen Dingen fragen,
Was
für ein Sturmwind euch in dieses Land verschlagen?
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Herr Hüon läßt am Feuerherd
Auf einer Bank von Moos sich mit
dem Alten nieder,
Und als er drauf die reisemüden Glieder
Mit
einem Trunk, so frisch die Quelle ihn beschert,
Und etwas Honigseim
gestärket,
Beginnt er seine Geschichte dem Wirth erzählen, der sich

Nicht satt an ihm sehen kann, und stets noch was bemerket
Worin
sein vor'ger
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