Oberon | Page 4

Christoph Martin Wieland
auf,
und Du ergöztest Dich an ihrem
Duft.
Bescheiden ist ihr Glanz; allein mir sagt's
ein Genius, sie
werden nie verblühen:
und wenn dereinst nichts übrig ist von mir

als sie--und auch von Dir, o Du Geliebter,
nichts übrig ist, als Deiner
schönen Seele
und aller Deiner holden Tugenden
Erinnerung: dann
werden noch die Musen,
stilltraurend--denn wer liebte sie wie Du?--

die unverwelklichen um Deine Urne winden.
Erster Gesang.
1
Noch einmahl sattelt mir den Hippogryfen, ihr Musen,
Zum Ritt
ins alte romantische Land!
Wie lieblich um meinen entfesselten
Busen
Der holde Wahnsinn spielt! Wer schlang das magische Band

Um meine Stirne? Wer treibt von meinen Augen den Nebel
Der auf
der Vorwelt Wundern liegt?
Ich seh', in buntem Gewühl, bald siegend,
bald besiegt,
Des Ritters gutes Schwert, der Heiden blinkende Säbel.
2
Vergebens knirscht des alten Sultans Zorn,
Vergebens dräut ein
Wald von starren Lanzen:
Es tönt in lieblichem Ton das elfenbeinerne
Horn,
Und, wie ein Wirbel, ergreift sie alle die Wuth zu tanzen;
Sie
drehen im Kreise sich um bis Sinn und Athem entgeht.
Triumf, Herr
Ritter, Triumf! Gewonnen ist die Schöne.
Was säumt ihr? Fort! der
Wimpel weht;
Nach Rom, daß euern Bund der heil'ge Vater kröne!
3
Nur daß der süßen verbotenen Frucht
Euch ja nicht vor der Zeit
gelüste!
Geduld! der freundlichste Wind begünstigt eure Flucht,

Zwey Tage noch, so winkt Hesperiens goldne Küste.
O rette, rette sie,

getreuer Scherasmin,
Wenn's möglich ist!--Umsonst! die trunknen
Seelen hören
Sogar den Donner nicht. Unglückliche, wohin
Bringt
euch ein Augenblick! Kann Liebe so bethören?
4
In welches Meer von Jammer stürzt sie euch!
Wer wird den Zorn
des kleinen Halbgotts schmelzen?
Ach! wie sie Arm in Arm sich auf
den Wogen wälzen!
Noch glücklich durch den Trost, zum wenigsten
zugleich
Eins an des andern Brust zu sinken ins Verderben.
Ach!
hofft es nicht! Zu sehr auf euch erbost
Versagt euch Oberon sogar
den letzten Trost,
Den armen letzten Trost des Leidenden, zu sterben!
5
Zu strengern Qualen aufgespart
Seh' ich sie hülflos, nackt, am
öden Ufer irren:
Ihr Lager eine Kluft, mit einer Hand voll dürren

Halb faulem Schilf bestreut; und Beeren wilder Art,
Die kärglich hier
und dort an kahlen Hecken schmoren,
All' ihre Kost! In dieser
dringenden Noth
Kein Hüttenrauch von fern, kein hülfewinkend Boot,

Glück, Zufall und Natur zu ihrem Fall verschworen!
6
Und noch ist nicht des Rächers Zorn erweicht,
Noch hat ihr Elend
nicht die höchste Stuf' erreicht;
Es nährt nur ihre strafbar'n Flammen,

Sie leiden zwar, doch leiden sie beisammen.
Getrennt zu seyn, so
wie in Donner und Blitz
Der wilde Sturm zwey Bruderschiffe trennet,

Und ausgelöscht, wenn im geheimsten Sitz
Der Hoffnung noch ein
schwaches Flämmchen brennet:
7
Dieß fehlte noch!--O du, ihr Genius einst, ihr Freund!
Verdient,
was Liebe gefehlt, die Rache sonder Grenzen?
Weh euch! Noch seh'
ich Thränen in seinen Augen glänzen;
Erwartet das ärgste wenn
Oberon weint!--
Doch, Muse, wohin reißt dich die Adlersschwinge

Der hohen trunknen Schwärmerey?
Dein Hörer steht bestürzt, er fragt
sich was dir sey,
Und deine Gesichte sind ihm geheimnisvolle Dinge.
8
Komm, laß dich nieder zu uns auf diesen Kanapee,
Und--statt zu
rufen, ich seh', ich seh,
Was niemand sieht als Du--erzähl' uns fein

gelassen
Wie alles sich begab. Sieh, wie mit lauschendem Mund

Und weit geöffnetem Auge die Hörer alle passen,
Geneigt zum
gegenseitigem Bund,
Wenn du sie täuschen kannst sich willig
täuschen zu lassen. Wohlan! so höret denn die Sache aus dem Grund!
9
Der Paladin, mit dessen Abenteuern
Wir euch zu ergetzen
(wofern ihr noch ergetzbar seyd)
Entschlossen sind, war seit
geraumer Zeit
Gebunden durch sein Wort nach Babylon zu steuern.

Was er zu Babylon verrichten sollte, war
Halsbrechend Werk, sogar
in Karls des Großen Tagen:
In unsern würd' es, auf gleiche Gefahr,

Um allen Ruhm der Welt kein junger Ritter wagen.
10
Sohn, sprach sein Oheim zu ihm, der heil'ge Vater in Rom,
Zu
dessen Füßen, mit einem reichlichen Strom
Bußfert'ger Zähren
angefeuchtet,
Er, als ein frommer Christ, erst seine Schuld gebeichtet;

Sohn, sprach er, als er ihm den Ablaß segnend gab,
Zeuch hin in
Frieden! Es wird dir wohl gelingen
Was du beginnst. Allein vor allen
Dingen,
Wenn du nach Joppen kommst, besuch das heil'ge Grab!
11
Der Ritter küsset ihm in Demuth den Pantoffel,
Gelobt
Gehorsam an, und zieht getrost dahin.
Schwer war das Werk, wozu
der Kaiser ihn
Verurtheilt hatte; doch, mit Gott und Sankt Christoffel

Hofft er zu seinem Ruhm sich schon heraus zu ziehn.
Er steigt zu
Joppen aus, tritt mit dem Pilgerstabe
Die Wallfahrt an zum werthen
heil'gen Grabe,
Und fühlt sich nun an Muth und Glauben zwiefach
kühn.
12
Drauf geht es mit verhängtem Zügel
Auf Bagdad los. Stets denkt
er, kommt es bald?
Allein da lag noch mancher steile Hügel
Und
manche Wüsteney und mancher dicke Wald
Dazwischen. Schlimm
genug, daß in den Heidenlanden
Die schöne Sprache von Ok was
unerhörtes war:
Ist dieß der nächste Weg nach Bagdad? fragt er zwar

An jedem Thore, doch von keiner Seele verstanden.

13
Einst traf der Weg der eben vor ihm lag
Auf einen Wald. Er ritt
bey Sturm und Regen
Bald links bald rechts den ganzen langen Tag,

Und mußt' oft erst mit seinem breiten Degen
Durchs wilde
Gebüsch sich einen Ausgang hau'n.
Er ritt Berg an, um freyer
umzuschauen.
Weh ihm! Der Wald scheint sich von allen Seiten,
Je
mehr er schaut, je weiter auszubreiten.
14
Was ganz natürlich war däucht ihm ein Zauberspiel.
Wie wird
ihm erst, da in so wilden Gründen,
Woraus kaum möglich war bey
Tage
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